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Die „sieben Wertewelten“ – oder warum Purpose und New Work für den Führungsnachwuchs zählen

Werte beeinflussen Verhalten (mit). Über Generationen mit neuen Wertemustern wird deshalb auch im Management diskutiert (Stichwort: Generation Z). Wir warnen hier vor unbedachten Verkürzungen und zeigen anschaulich, mit welchen (sieben) „Wertewelten“ Führungskräfte konfrontiert werden und worin die erstaunliche Gemeinsamkeit dieser divergenten Welten liegt.

Die „sieben Wertewelten“ – oder warum Purpose und New Work für den Führungsnachwuchs zählen

View Apart/Shutterstock

Die Arbeitswelten des 21. Jahrhundert sind im Umbruch. Technologische Neuerungen revolutionieren die Art und Weise, wie Organisationen wirtschaften und wie wir in ihnen arbeiten. Der Transformationsdruck durch die Digitalisierung ist eine der großen Herausforderungen unserer Zeit. Daneben sehen wir allerdings auch wertebezogene Veränderungsdynamiken, die arbeitsbezogene Werte und Einstellungen einbeziehen. Leadership Insiders erläutert studiengestützt, dass es sich bei dem, was wir beispielsweise unter der Generation Y oder Z verstehen, zwar um Vereinfachungen handelt, die den tatsächlichen Wertpluralismus in der Arbeitswelt verdecken, aber dennoch von großer Relevanz für das Management und die handelnden Führungskräfte sind.

Umbruch durch Wertedynamiken

Arbeitsbezogene Werte und Einstellungen sind einerseits Ausfluss gesamtgesellschaftlicher Entwicklungen, andererseits Treiber von Führung und Zusammenarbeit in zukünftigen Arbeitswelten. Nicht alles verändert sich im Laufe der Zeit, einiges aber durchaus und davon wiederum einiges mit disruptiver Kraft. Ein Beispiel gefällig?  Meine Mutter hätte – worum sie nicht bat, sondern es einfach tat, – die Unterschrift meines Vaters benötigt, um im florierenden Nachkriegsdeutschland einer Erwerbsarbeit nachzugehen. Diese Machtdemonstration männlicher „Eliten“, heute bei möglicherweise verbliebenen Randgruppen in dieser Explizitheit nur noch im Verborgenen auszuleben, durchlief verschiedene, bereits kollektiv nahezu verdrängte gesetzgeberische Verfahren, bis die Wandlung einer wertebezogene Lebenspraxis nicht zuletzt aus ökonomischen Gründen juristisch fixiert wurde (siehe bpb 2018):

„Erst 1977 beseitigte eine erneute Reform des Ehe- und Familienrechts im BGB die Regelung, dass Frauen nur arbeiten durften, solange sie die Familie nicht vernachlässigten. Im Zuge dieser Reform des Ehe- und Familienrechts tilgte der Gesetzgeber auch das Leitbild der Hausfrauenehe aus dem BGB – aus dem Paragrafen 1356 ‚Die Frau führt den Haushalt in eigener Verantwortung. Sie ist berechtigt, erwerbstätig zu sein, soweit dies mit ihren Pflichten in Ehe und Familie vereinbar ist.‘ wurde: ‚Die Ehegatten regeln die Haushaltsführung im gegenseitigen Einvernehmen.‘ “

Nun wieder zur Gegenwart: Unter der Bezeichnung „Wertewelten Arbeiten 4.0“ (2016) wurde eine repräsentative Studie zu den arbeitsbezogenen Werte- und Kulturmuster von Erwerbspersonen in Deutschland durchgeführt. Befragt wurden 1.000 Personen basierend auf einer repräsentativ ausgewählten Quotenstichprobe an Erwerbspersonen unter Rückgriff auf den Mikrozensus 2013 (vgl. BMAS/Nextpractice 2016; Neufeind 2018, Neufeind u.a. 2016). Hier haben wir es also, dies vorweg, mit verschiedenen Generationen zu tun. Und auch wenn wir den Beitrag aus Sicht der Führungskraft formulieren, muss im Hintergrund bei den Führungskräften mitlaufen, dass auch sie selbst den nachfolgend geschilderten Wertewelten zugehörig sind.

Die Datenerhebung erfolgte mittels eines Befragungs- und Analyseverfahrens, das die Vorteile qualitativer Verfahren (d.h. insbesondere von frei geführten Tiefeninterviews) und standardisierter quantitativer Verfahren (Fragebögen) verbindet.

Der vielfältige Kultur- und Werteraum lässt sich demnach in sieben Wertewelten einteilen. Diese unterschiedlichen Wertewelten bilden in sich konsistente Wertekorridore ab, in denen ein bestimmtes Idealbild vorherrscht. Eine einfache Zuordnung nach Alter oder Geschlecht ist dabei nicht möglich. Ergo: Ein bestimmter Wertekorridor konnte nicht nach soziodemographischen Merkmalen gebildet werden und damit liefert diese Studie Unterstützung für die Positionen, die starre Generationenanalysen ebenfalls kritisch sehen (vgl. z.B. Dietz/Enste/Eyerund 2016, Rudolph u.a. 2018). Somit ist davon auszugehen, dass die Generationengruppen (z.B. pauschalierend „die“ Generation Y oder Z) selbst stark heterogen zusammengesetzt sind und dadurch in sich bereits recht unterschiedliche Einstellungs- und Wertebündel aufweisen. Das heißt nun nicht, dass es überhaupt keine Unterschiede hinsichtlich arbeitsbezogener Werte und Einstellungen zwischen Generationen gibt. Aber diese sind mit Blick auf die Arbeitswelt eher auf Qualifikationsunterschiede (Bildungsabschlüsse), Tätigkeitsfelder oder eventuell spezifische Milieus zurückzuführen. So ist der Wunsch zur direkten Mitwirkung bei der Arbeitsgestaltung beispielsweise eher für die höher Qualifizierten ein zentrales Thema. Aber wen sucht man für erfolgskritische Positionen im Management bei den Neueinsteigern und für erste Führungspositionen? Hochqualifizierte! Deshalb die Diskussion zur Generationenfrage für das Management keinesfalls obsolet, denn diese Hochqualifizierten sind überproportional durch verbindende Werte gekennzeichnet. Dies gilt nicht nur für die Jüngsten unter ihnen, aber eben auch für sie. Da aber die Jungen im besonderen Fokus heutiger Organisationen stehen, hebe ich sie hier heraus. Darüber hinaus finden sich interessante Gemeinsamkeiten zwischen den Wertewelten, die aufhorchen lassen. Das schauen wir uns nun genauer an.

Sieben Wertewelten

Wir stellen im Folgenden diese sieben Wertewelten kurz vor und illustrieren sie jeweils mit idealtypischen Aussagen im Überblick (Abbildung 1). Wie wir sehen werden, stehen sich teils recht gegensätzliche arbeitsbezogene Werte und Einstellungen sowie Vorstellungen davon, wie Arbeit sein sollte, gegenüber. Das bedeutet im Extrem: Was für die einen erstrebenswertes Ideal ist, stellt für andere ein Bedrohungsszenario dar. Nun zunächst zu den Wertewelten (unter Bezug auf Neufeind u.a. 2016 sowie Neufeind 2018).

Wertewelt 1: Sorgenfrei von der Arbeit leben können (30%)

Personen dieser Wertewelt fokussieren auf ein materiell abgesichertes Leben in einer sicheren Gemeinschaft. Arbeit gehört zum Leben, wird aber dennoch teils so dominant erlebt, dass kaum Raum für das Privatleben bleibe. Planbarkeit wird geschätzt. Als negativ empfinden die Personen dieser Gruppe Beschleunigung und zunehmenden Leistungsdruck. Mit Blick auf die Zukunft erwartet diese Personengruppe kaum eine Verbesserung.

Wertewelt 2: In einer starken Solidargemeinschaft arbeiten (9%)

Ideale Arbeitsbedingungen sind bei dieser Gruppe durch gegenseitige Loyalität, Wertschätzung ihrer Leistungen und Teilhabe in einer Solidargemeinschaft charakterisiert. Aufgrund aktueller (subjektiv als besorgniserregend empfundener) gesellschaftlicher Entwicklungen, hat sie das Gefühl, dass immer mehr Menschen durch das Raster fallen und keinen Platz mehr in der Gesellschaft finden. Die Befragten dieser Gruppe nehmen an, dass Konkurrenz, soziale Isolation und mangelndes Sinnerleben weiter zunehmen werden, während Wertschätzung und Loyalität in der Arbeitswelt hingegen zunehmend an Bedeutung verlieren. Als belastend wird hier der drohende Verlust an gesellschaftlicher Bindung und Anerkennung durch die Arbeit gesehen.

Wertewelt 3: Den Wohlstand hart erarbeiten (etwa 15%)

Diese Gruppe ist leistungsorientiert und geht davon aus, es durch „harte Arbeit“ auch zu etwas bringen zu können. Konstatiert wird jedoch, dass dies nicht mehr so einfach sei wie früher. Die Sozialpartner sollten auch weiterhin dafür sorgen, dass die Wirtschaftskraft Deutschlands erhalten bleibt und sich „Leistungsträger“ hier zuhause fühlen. Personen dieser Wertewelt begrüßen zwar die Abkehr von unproduktiven und umständlichen Arbeitsbedingungen. Dennoch scheinen sie damit aber auch eine geringere Handlungskontrolle sowie den Verlust von Zusammengehörigkeitsgefühl und letztlich auch von Sinn zu verbinden. Dennoch wird die Zukunft optimistisch gesehen und erwartet, dass die Negativfolgen zumindest in Teilen auch wieder ausgeglichen werden können.

Wertewelt 4: Engagiert Höchstleistung erzielen (etwa 11%)

Diese Gruppe zeichnet sich durch Verantwortungsbewusstsein, Effizienz- und Leistungsstreben aus. Rasanter Wandel (u.a. durch die Digitalisierung) wird weniger als Belastung, sondern eher als willkommene Herausforderung erlebt. Es herrscht die Auffassung, dass jeder einzelne mit den neuen Herausforderungen klarkommen muss (z.B. sich durch lebenslanges Lernen auf dem Laufenden halten). Für sie ist das „Konzept persönlichen Erfolges als Ergebnis besonderer Anstrengung“ ungebrochen.

Wertewelt 5: Sich in der Arbeit selbst verwirklichen (etwa 10%)

Eine „ideale Arbeitssituation“ liegt für diese Personengruppe vor, wenn sie es erlaubt, sich stets neu zu erfinden. Sie will dabei viele spannende Erfahrungen machen und erlebt sich als Teil eines (auch internationalen) Netzwerks Gleichgesinnter. „Selbstverwirklichung“ stellt keinen Widerspruch zu „Leistung und Effizienz“ dar. Diese Gruppe sieht die Gegenwart als Umbruchsphase hin zu einer Arbeitswelt, in der sich alle ihre Vorstellungen realisieren lassen. Starre, konventionelle Muster werden zugunsten individueller beruflicher Gestaltungsmöglichkeiten aufgelöst.

Wertewelt6: Balance zwischen Arbeit und Leben finden (14%)

Personen dieser Wertewelt finden Arbeit dann ideal, wenn sie es erlaubt, die Bedürfnisse von Familie, individueller Selbstverwirklichung und gesellschaftlicher Mitgestaltung gleichermaßen unter einen Hut zu bringen. Sie erwarten, dass sich jeder einzelne einbringt, um gemeinschaftlich „gute Bedingungen für alle zu schaffen“. Diese Gruppe sieht sowohl die frühere als auch die heutige Arbeitswelt sehr kritisch. Die vorgefundene Wirklichkeit ist weit von ihren Vorstellungen von einer „idealen Arbeitswelt“ entfernt. Dennoch herrscht Optimismus mit Blick auf die Gestaltung einer besseren Arbeitswelt vor. Personen dieser Gruppe sind Treiber des Wandels. Gleichzeitig droht die Gefahr, dass man sich zurückzieht, wenn sich die Realität als „zu widerständig“ für ihre Ideale erweisen sollte.

Wertewelt7: Sinn außerhalb der Arbeit suchen (etwa 13%)

Für Personen dieser Wertewelt ist Arbeit nicht die einzige Quelle der Sinnstiftung wie auch der Wert einer Tätigkeit selbst daran gemessen wird, inwieweit er dem Wohle der Gesellschaft insgesamt dient. Monetäre Arbeit tritt in ihrem Sinngehalt oftmals hinter gemeinnützige Tätigkeiten zurück. Personen mit diesem Wertemuster sind Aspekte wichtig, die nicht so recht mit klassischen Vorstellungen von Arbeit und Erwerbstätigkeit zusammenpassen. Diese Befragten sehen ihre Erwartungen daher zeitübergreifend als unerfüllt an.

Sieben Wertewelten: Idealtypische Aussagen (Kurzfassung)
Wertewelt 1: Sorgenfrei von der Arbeit leben können (30%)

Mir ist es wichtig, dass meine Familie und ich ohne materielle Sorgen in einer sicheren Gemeinschaft leben können. Arbeit gehört dazu, doch leider fordert sie oft so viel, dass ich kaum noch Platz für mein eigenes Leben finde. (…) man muss immer mehr leisten.

Wertewelt 2: In einer starken Solidargemeinschaft arbeiten (9%)

Arbeit bedeutet für mich Loyalität, Wertschätzung, Teilhabe und Zusammenarbeit in einer Solidargemeinschaft. Das drückt sich auch materiell aus, aber nicht nur. Mich macht die Entwicklung zunehmend besorgt.

Wertewelt 3: Den Wohlstand hart erarbeiten (etwa 15%)

Natürlich ist die Arbeit schwerer geworden und macht nicht immer Spaß. Aber ich glaube noch immer, dass jeder, der sich wirklich anstrengt, es hier zu etwas bringen kann. Und wenn man es geschafft hat, darf man sich ruhig etwas Luxus gönnen.

Wertewelt 4: Engagiert Höchstleistung erzielen (etwa 11%)

Verantwortung und eine führende Position sind für mich kein Druck, sondern pures Adrenalin. Gerne pushe ich mich selbst zu Höchstleistungen. (…) Angesichts der Digitalisierung ist beständige Weiterbildung ein Muss.

Wertewelt 5: Sich in der Arbeit selbst verwirklichen (etwa 10%)

Wir sind auf dem Weg in eine Arbeitswelt, in der man sich mit nahezu unbegrenzten Möglichkeiten immer wieder neu erfinden und viele spannende Dinge tun kann, auch international. Das steht nicht im Widerspruch zu Leistung und Effizienz, wenn Gesellschaft und Arbeitgeber dazu bereit sind, die Menschen auf ihrem Weg zu unterstützen.

Wertewelt 6: Balance zwischen Arbeit und Leben finden (14%)

Ich will Arbeit, Familie und persönliche Selbstverwirklichung zusammenbringen. Eigenverantwortung und gesellschaftliche Mitgestaltung gehören dabei für mich zusammen. (…) Das System soll sich den Menschen anpassen und nicht die Menschen dem System. Ich will meine Prinzipien nicht für etwas materielle Sicherheit über Bord werfen.

Wertewelt 7: Sinn außerhalb der Arbeit suchen (etwa 13%)

Ich glaube nicht, dass man den Sinn des Lebens nur in der Erwerbsarbeit suchen sollte. Alle Tätigkeiten sind gleich wertvoll, solange sie einen Beitrag zum Wohlergehen aller leisten. Menschlichkeit kann sich auch in kleinen und sehr persönlichen Dingen zeigen. Deshalb sollte der Staat allen ein lebenswertes Auskommen garantieren, unabhängig davon was sie nach der Marktlogik verdienen.

Abbildung 1: Wertewelten 4.0: Sieben Wertewelten mit idealtypischen Aussagen (nach Neufeind u.a. 2016)

Insgesamt zeigt die Studie verschiedene und abgrenzbare „Wertewelten“, die mit unterschiedlichen Bedürfnissen und Kulturen nebeneinander – und zwar auch innerhalb von Generationen – existieren. Trotz dieser Pluralität von Werten lassen sich übergreifendende Gemeinsamkeiten aufzeigen:

  • Der Fokus auf materielle Werte und Wettbewerb ist nur noch für eine Minderheit ein positives Leitmotiv. Das liegt daran, dass das gesellschaftliche Klima von Druck in der Arbeitswelt auch von denjenigen beschrieben wird, die zufrieden sind und sich selbst gar nicht in einem derartigen Klima befinden. Die Verschlechterung der Arbeitsbedingungen (seit den 1990er Jahren) wird u.a. mit einem zunehmenden Renditefokus, einer Zahlenorientierung statt Menschlichkeit sowie prekären Arbeitsverhältnissen und erhöhter Arbeitsbelastung in Verbindung gebracht.
  • Das Bedürfnis nach einem Sinn in der Arbeit und einer individuell auszugestaltenden Balance zwischen Arbeit und Privatleben sowie ein Anspruch auf Teilhabe sind klar erkennbar. Das trifft insbesondere für die Gruppe der höher Qualifizierten zu, die für sich auch die größeren Vorteile durch die Digitalisierung sieht. Hier wird zugleich ein Spaltungspotenzial sichtbar, insofern sich gerade durch die aktuellsten Entwicklungen ein Teil der Erwerbstätigen mit Blick auf die Chancen der Digitalisierung abgehängt fühlt. Es droht dort eine sich vom positiven Entwicklungspfad absetzende „Re-Traditionalisierung“, die auch die Führungskultur betrifft (vgl. weiterführend Endres/Weibler 2020).
  • Das Auseinanderdriften der Gesellschaft wird übergreifend als problematisch wahrgenommen. Appelle an Gemeinsinn und sozialen Zusammenhalt finden sich daher in fast allen sieben Wertewelten. Unfaire Arbeitsbedingungen (Existenzsorgen, hoher Druck, der die Verfolgung eigener beruflicher und privater Interessen/Werte unmöglich mache) werden ebenfalls übergreifend abgelehnt.

Hierzu passen weitere Befunde. So zeigt eine explorative Studie zur Zukunft von Wertvorstellungen von Klaus u.a. (2020) gleichfalls den wachsenden Wunsch nach gerechter und solidarischer Gesellschaft. Weiterhin ist der Anteil an Menschen, die sich Sorgen um den sozialen Zusammenhalt machen, groß (31% in West- und 73% in Ostdeutschland für 2019) (vgl. Datenreport 2021). Auch ein bemerkenswert hoher Anteil an Menschen machten sich große Sorgen um Umwelt und Klimawandel (49% in West- und 41% in Ostdeutschland für 2019) (vgl. Datenreport 2021; vgl. auch Dhanesh 2020).

Gesellschaftliche Themen rücken damit stärker in den Fokus der Aufmerksamkeit von Führungskräften. Wie eine Befragung der INQA (2017) ergab, adressieren über 15 % aller frei genannten Beschreibungen im Führungskontext Themen aus dem Bereich gesellschaftliche Solidarität und soziale Verantwortung. Hier kommen dann Auffassungen ins Spiel, die Grundannahmen des kompetitiven Kapitalismus mit rein ökonomistischer Profitmaximierung in Frage stellen (vgl. z.B. Amis/Greenwood 2020, Hollensbe u.a. 2014).

New Work und Purpose sind keine Marketinggags!

Mit Debatten, die unter Schlagworten wie „New Work“ und „Purpose“ gerade geführt werden, haben diese wertebezogenen Problemfelder ihren zeitgenössisch gerahmten Niederschlag im Arbeits- und Organisationskontext gefunden.

All dem können sich Führungskräfte heute nicht mehr entziehen, denn für bestimmte Wertetypen sinkt beispielsweise die Bereitschaft, traditionell positionsgebundene bzw. formal hierarchische Führung anzuerkennen. „Vorgesetzte“ müssen sich mehr denn je um Akzeptanz bemühen. Und wir erkennen: Was wir heute unter der Generation Z (früher der Generation Y) diskutieren, ist nicht die Generation an sich, sondern genau wie in der (jüngsten) Vergangenheit, wie der deutsche Soziologe Karl Mannheim schon 1964 begriffslegend feststellte, lediglich eine Generationseinheit, die uns innerhalb dieser Generation, die in mehrere Einheiten zerfällt, am meisten im Management umtreibt. Warum?

Weil sie die Zukunft der hochqualifizierten Arbeit am stärksten prägen wird. Deshalb gilt es zwar zu erkennen, dass wir auch andere Wertetypen vorfinden, die andere Generationeneinheiten bilden – auch im Management, aber wir am Ende doch das, was wir unter der Generation Z bei aller Unschärfe landläufig verstehen, in Führung und Personalmanagement unbedingt im Blick behalten sollten. Und damit bleiben auch Werte wie Selbstverwirklichung, Teilhabe an der Gestaltung der eigenen Arbeitswelt,  Respekt und nicht zuletzt eine Führung, die sich ihre Legitimation tagtäglich verdient, im Fokus. Sie können als Kompass für das Verhalten von Führungskräften angesehen werden, die dies als Voraussetzung und nicht als Hemmnis für hervorragende Teamresultate und damit eine leistungsfähige Organisation verstehen sollten.

Amis, J./Greenwood, R. (2020): Organisational change in a (post‐) pandemic world: Rediscovering interests and values. In: Journal of Management Studies, online first, DOI:10.1111/joms.12663

Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS)/Nextpractice (2016): Wertewelten Arbeiten 4.0, Berlin

Bundeszentrale für Politische Bildung (bpb) (2018): Gleichberechtigung wird Gesetz. https://www.bpb.de/politik/hintergrund-aktuell/271712/gleichberechtigung [12.06.21]

Datenreport (2021): Datenreport 2021. Ein Sozialbericht für die Bundesrepublik Deutschland

Dhanesh, G. (2020): Who cares about organizational purpose and corporate social responsibility, and how can organizations adapt? A hypermodern perspective. In: Business Horizons, Vol. 63, S. 585-594

Dietz, B./Enste, D./Eyerund, T. (2016): Mythos Generation Y? Eine historische und institutionenökonomische Perspektive, München

Endres, S./Weibler, J. (2020c): New Leadership für die neue Arbeitswelt. In: in Schwuchow, K./Gutmann, J. (Hrsg.): HR-Trends 2021. Strategie, Kultur, Big Data, Diversity, Freiburg u.a., S. 167-177

Hollensbe, E./Wookey, C./Hickey, L./George, G./ Nichols, V. (2014): Organizations with purpose. In: Academy of Management Journal, Vol. 57, S. 1227-1234

Initiative Neue Qualität der Arbeit (INQA) (2017): Monitor „Führungskultur im Wandel – Kulturstudie mit 400 Tiefeninterviews“, INQA, Berlin

Klaus, D./Grünwald, C./Astor, M. (2020): Zukunft von Wertvorstellungen der Menschen in unserem Land. BMBF, Berlin

Mannheim, K. (1964): Das Problem der Generationen. In: Wissenssoziologie: Auswahl aus dem Werk. Luchterhand, Neuwied

Neufeind, M. (2018): Wertewelten Arbeiten 4.0. In: Fortmann, H./Kolocek, B. (Hrsg.): Arbeitswelt der Zukunft, Wiesbaden, S. 235-242

Neufeind, M./Koppel, H./Schomburg, F. (2016): Wertewelten Arbeiten 4.0. Forschungsbericht Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Nextpractice, Bremen

Rudolph, C./Rauvola, R./Zacher, H. (2018): Leadership and generations at work: A critical review. In: Leadership Quarterly, Vol. 29, S. 44–57