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Hybrides Projektmanagement: Die geschickte Kombination agiler und klassischer Elemente

Führungskräfte, die den „Nebenjob“ einer Projektleitung haben, erleben dies selten als Karrierebooster, eher als Karrierekiller. Klassisches Projektmanagement gilt als zu steif und bürokratisch, agiles Projektmanagement als zu offen und vulnerabel. Beide Ansätze, hier karikierend überspitzt dargestellt, bieten jeweils wertvolle Konzepte und Methoden. Noch besser ist es, von beiden das Erfolgversprechende zu nehmen: hybrides Projektmanagement.

Hybrides Projektmanagement

Headway / Unsplash

Die Projektpraxis ist desaströs. Nur 0,5 Prozent der Vorhaben liefern „on target“, „on time“, „on budget“, wie die mit inzwischen über 16.000 Projekten weltweit größte Datenbank belegt. Die Erfolgsquote von IT-Projekten (und damit für die überall gestarteten AI-Projekte) ist noch geringer. Bekannte Beispiele für Flops hierzulande: Cariad als „Software Powerhouse der Volkswagen Group“, die zweite Stammstrecke der S-Bahn München, die digitale Patientenakte. Die Leserinnen und Leser erinnern bestimmt ähnliche Vorhaben aus ihrer Organisation.

Hybrides Projektmanagement kombiniert bewährte klassische Konzepte mit frischen agilen Methoden. Damit steigt die Wahrscheinlichkeit, dass Projekte ihre Ziele erreichen, Termine und Budgets eingehalten werden und das Team ergebnisorientiert arbeitet. Schluss mit der Erfahrung, zwischen starren Planungen und vagen Freiheiten zerrieben zu werden! Davon profitiert auch jede Führungskraft mit Projektverantwortung, sowohl im organisatorischen Output als auch beim eigenen emotionalen Input.

Einst klassisches, dann agiles, heute hybrides Projektmanagement

Projekte wollen deutlich mehr, als im organisatorischen Alltag geleistet werden kann. Projekte haben eine klare Zielsetzung, eine feste Zeitplanung und eine bindende Kostenaufstellung. Projekte bekommen ein Go, wenn ihr Business Case positiv ist, also der Nutzen überwiegt. So steht es, vereinfacht dargestellt, in den Lehrbüchern zum klassischen Projektmanagement. Was zu einem sorgfältig geplanten und engmaschig überprüften Vorgehen führt, über das ein Project Management Office (PMO) als Controllinginstanz wacht. Was aber höchst selten, siehe oben, alle versprochenen Ergebnisse liefert. Selbst wenn fast jedes Vorhaben nach innen und außen als Erfolg vermarktet wird.

Etwa um die Jahrtausendwende kam die Frage auf: Wie ginge es besser? Das Buzzword „agil“ wurde zur Überschrift für die Antwort. Es entwickelte sich ein riesiger Markt und eine mächtige Szene. Noch bis vor kurzem durfte, ebenfalls pauschal beschrieben, kein Projekt mehr starten, das sich nicht mit dem innovativ wirkenden Label schmückte, um zu zeigen, dass man sich von der lähmenden Belastung eines pedantischen und formalistischen PMO befreien konnte. Doch mittlerweile sind auch die Nachteile allzu großer Freiheit, Offenheit und Unverbindlichkeit deutlich geworden. Zumindest wurde die Agilität von der Praxis zunehmend derart übersetzt. Erinnern wir uns an das zweite Prinzip des Agilen Manifests (2001): „Heißen Sie Änderungen der Anforderungen auch noch spät in der Entwicklung willkommen.“ Dies führt bei jedem Vorhaben zu pathologischen Störungen. Wie kann man, wenn alles ständig im Fluss ist und ergebnisoffen bleibt, „on target“, „on time“, „on budget“ abliefern? Es sei denn, man betrachtet Projekte als serielle Aktionen mit ständigen Sprints, laufendem Scrum und täglichen Stand-ups – aber ohne festes Ziel, ohne klares Ende und ohne knappes Geld. Was keine Organisation gutheißen kann, weil sie wider jeglicher Agilität letztlich ein administratives und reglementiertes System bleibt.

Längst ist der Hype um Agilität, der in den 2010er-Jahren bis zur Pandemie seine Hochphase hatte: passé. Es gibt eine bis heute anhaltende Ernüchterung, da die meisten Unternehmen gemerkt und erlitten haben, dass agile Methoden erstens nicht einfach zu implementieren sind und zweitens nur im spezifischen Kontext und Setting funktionieren. Was auch an der simplifizierten und undifferenzierten Anwendung agiler Prinzipien und Methoden liegt. Gleichwohl bleibt Agilität ein wichtiges Grundprinzip im Projektmanagement. Daher geht es inzwischen darum, die Stärken des klassischen und agilen Projektmanagements durch ein hybrides Vorgehen zu verknüpfen. Dies ist ohnehin stets empfehlenswert: Nicht unreflektiert jeder Mode zu folgen, die ohnehin meist nur der extreme Pol eines Spannungsfelds ist, hier zwischen klassischem und agilem Projektmanagement.

Hybrides Projektmanagement: Drei Empfehlungen

Basierend auf aktuellen Lesetipps und deren evidenzbasierten Erkenntnissen sowie eigenen Erfahrungen mit Tops und Flops bei Beratungsprojekten möchte ich drei Kernelemente des hybriden Projektmanagements skizzieren.

(1) Den Weg vom Ziel her denken und den Kurs immer wieder prüfen

Durchaus pointiert ausgedrückt: Manche klassisch gemanagten Projekte halten an ihren anfangs gesetzten Aktivitäten fest, egal was zwischenzeitlich passiert. Und einige agil gestalteten Projekte haben nur eine grobe Idee, legen einfach los, um unterwegs zu entdecken, was am Ende herauskommen könnte; im Sinne eines suchenden Findungsprozesses (z.B. Minimal Viable Product). Um den ineffektiven Mustern tendenziell überplanter klassischer bzw. ungerichteter agiler Ansätze entgegenzuwirken, setzt hybrides Projektmanagement in Anlehnung an den unlängst verstorbenen Nobelpreisträger Daniel Kahneman auf das Prinzip „langsam denken und schnell handeln“. Also zu Projektbeginn – tendenziell klassisch – vorzuplanen und dann im Projektverlauf – tendenziell agil – vorzugehen.

Wobei, das ist erfolgskritisch, bei der Planung nach dem eigentlichen Warum und damit nach dem wirklichen Ziel gefragt werden muss. Konkret als Beispiel: Ziel ist nicht eine neue Fabrik in Bulgarien, sondern die kostengünstigere Produktion unter Berücksichtigung u.a. von „Customer Relations“ und „Customs Conditions“. Da sich beides wie derzeit plötzlich ändern kann, muss die Projektarbeit immer wieder auf das letztendliche Warum ausgerichtet und eventuell umgelenkt werden. Flyvbjerg nennt dies „von rechts nach links denken“, also nicht sklavisch dem einmal festgelegten Projektschema folgen, wie es traditionell von links nach rechts mittels Flowcharts bis ins kleine Detailschritte geplant wird. Sobald ein Projekt in den VUCA-Wirbel unserer Zeit gerät, sich also die Umstände ändern, die Welt im Vergleich zum Projektstart womöglich auf dem Kopf steht, das Projektziel („Warum?“) aber weiterhin maßgeblich ist, muss der Weg vom Ziel her neu aufgesetzt werden. Mit dem Triple-Schritt: Innehalten – Überdenken – Neuausrichten. Um im Beispiel zu bleiben, womöglich auf den Standort in Südosteuropa zu verzichten und zeitgemäßere Maßnahmen zur Senkung von Produktionskosten zu ergreifen. Erinnert sei hier an die Idee der „Sunk Costs“ und damit an Zahlungen, die bereits entstanden sind und nicht mehr zurückgeholt werden können, egal, ob und wie das Projekt fortgesetzt wird oder nicht. Diese aufgelaufenen Kosten, so schmerzlich sie auch sein mögen, dürfen bei gegenwärtigen Projektentscheidungen keine Rolle spielen.

(2) Ein Letztverantwortlicher mit Führungsstärke und mit Selbstreflexion

Die Organisationsformate größerer Unternehmen sind meist komplex, etwa als zwei- oder gar dreidimensionale Matrix. Wenn alle mitmischen, gerade bei Projekten, weil sie betroffen sind und beteiligt werden wollen, verschwimmt die Verantwortung für „on target“, „on time“, „on budget“. Es entsteht das, was man organisierte Verantwortungslosigkeit nennt. Jeder beansprucht die Erfolge für sich, niemand steht für die Probleme gerade. Hybrides Projektmanagement braucht, um mit Flyvbjerg zu sprechen, einen Baumeister, der final entscheidet, damit die Verantwortung im wahrsten Sinne des Wortes trägt und letztlich ins eigene Risiko geht, als potenziell Schuldiger. Natürlich besser noch als Profiteur im Erfolgsfall. Diese Baumeisterin ist eine (einzelne) Person und kein Gremium. Die Begriffe Lenkungsausschuss und Steuerkreis verhehlen nämlich, dass bei jedem Fahrzeug nur eine Person das Steuer lenkt. Erfolgreiche Projekte tendieren statt zu allseits justierten Abstimmungen deutlich zu dirigierenden (nicht diktatorischen!) Beschlüssen. Gerade angesichts zunehmender partizipativer Erwartungen in Projekten sollte man nicht vergessen, dass der Begriff Führungskraft aus zwei Signalen besteht: Führung und Kraft. Das Profil dieses führungskräftigen Baumeisters hat zwei Mindestanforderungen: große Erfahrung und eine gute Erfolgsbilanz, beides im Themenbereich des Projekts. Baumeister, also die personelle Komponente des hybriden Projektmanagements, sind weder Rookies noch Loser. Und ganz klar: Sie setzen auf ein starkes Team und eine kollaborative Arbeitsweise – vor der Entscheidung. Denn kein Projekt ist eine „One-Person-Show“ oder dient als „Ego-Booster“.

(3) Hybrides Projektmanagement achtet auf die Schattenseiten der Veränderung

Projekte neigen verständlicherweise dazu, viele ihrer Schwierigkeiten zu überspielen. Sie behaupten in Basta-Manier: Aus „alt und mies“ wird „neu und toll“. Klassisches Projektmanagement ist tendenziell problembewusster, was sich in Ansätzen wie Risk Mitigation, Stakeholder und Change zeigt. Agiles Projektmanagement hingegen zeigt, besonders wenn es unreif erfolgt, eine naive und optimistische Sicht auf Widerstände. Von diesen gibt es viele, zwei derzeit besonders heiße seien genannt.

Erstens das Spreizungsdilemma: Wenn das Projekt, mit welchen Argumenten auch immer, bestimmte Akteure auf den Schild hochhebt und mit Labels wie „Top Player“ oder „Key Person“ versieht, entsteht eine sichtbare Elite. Sie organisationsintern zu verschweigen, gelingt allenfalls für kurze Zeit. Was bei vielen anderen, die sich ebenfalls besser als normal oder einfach nur okay fühlen, ein unangenehmes Gefühl bis hin zu Neid und Missgunst auslöst (relative Deprivation). Dies gilt umso mehr, wenn das Projekt grundlegende Ängste erzeugt. Es fehle an Respekt, Verständnis und Wertschätzung. Faire Lösungen sind bestenfalls diffizil und delikat. Die Schere zwischen den einen, die gepämpert werden, und den anderen, die keine Goodies erhalten, ist kaum mittels „besserem Leadership“ zu schließen. Und der Spagat zwischen den Verwöhnten und den Übersehenen erfordert mehr als eine kommunikativ geschickte Gymnastik. Wie aber dann? Es gibt Herausforderungen, die man nicht lösen kann, die man aber kennen sollte, um die Ergebnisse von Projekten nicht allzu offensichtlich einseitig werden zu lassen. Hybrides Projektmanagement ist eine ständige Gratwanderung zwischen zu viel für wenige und zu wenig für viele.

Zweitens das Verlustmanagement: Der „Fortschritt“ ist inzwischen nicht mehr das, was er einmal war. Das wirkmächtigste Narrativ von Projekten, die schöne und allenfalls kurz unterbrochene Aufwärtsentwicklung, hat miese und fiese Gegenspieler: zig Verluste. Denn jedes Projekt bedeutet – oft für viele – den Abschied von Wichtigem und Gewohntem. Die Verantwortlichen können nicht mehr nur eine bessere Zukunft verheißen. Sie müssen Entspannungen anbieten, denn Menschen verkrampfen bei Verlusten. Sie werden (objektiv) zu Verlierern oder sehen sich (subjektiv) als solche. Und der Fortschritt der einen ist nicht der Fortschritt von anderen, oft sogar deren: Verlust! Der inspirierende Tipp, den uns John Kotter einst gab – „creating a vision“ – hilft wegen der Gräben, Sümpfe, Löcher unterwegs nur bedingt: Problem! Wenn die Projektleitung dennoch drückt und drängt, zum Schöneren („hin zu“), dann geht manches für manche und oft vieles für viele verloren („weg von“), was einen hohen Wert hat, manchmal sogar die bisherige Identität. Wenn etwas verlustig geht, ist das nicht immer lustig: Widerstand! Verlustmanagement ist zum zentralen Erfolgsfaktor geworden. Hybrides Projektmanagement ist sich dessen bewusst und sucht beständig nach Entkrampfungen.

Fazit

Hybrides Projektmanagement ist ein synthetisierender Ansatz, der es Führungskräften und Projektleitungen ermöglicht, die Komplexität und das Komplizierte heutiger Projekte erfolgreich zu bewältigen. Durch die Kombination der Stärken klassischer und agiler Methoden entsteht ein pragmatischer Rahmen, der sowohl Struktur und Planbarkeit als auch Flexibilität und Anpassungsfähigkeit vereint. Die konsequente Anwendung der genannten Kernprinzipien wird dazu beitragen, die Erfolgsquote von Projekten signifikant zu erhöhen.

Flyvbjerg, B. mit Gardner, D. (2024): How Big Things Get Done: Wie Projekte gelingen. Droemer

Timinger, H. (2024): Modernes Projektmanagement: Mit traditionellem, agilem und hybridem Vorgehen zum Erfolg (2. Auflage). Wiley

Claßen, M. (2019): Spannungsfelder im Change Management: Veränderungen situativ gestalten. Handelsblatt Fachmedien

Reckwitz, A. (2024): Verlust: Ein Grundproblem der Moderne. Suhrkamp