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Arbeit, Gesundheit und Wohlbefinden – Führungsrelevante Zusammenhänge

Die Arbeit ist ein Ort, der über die eigene Gesundheit und das persönliche Wohlbefinden mitentscheidet. Nachfolgend werden wesentliche Einflussfaktoren hierauf geschildert. Es zeigt sich unter anderem, dass dem Verhindern von der die Arbeit beeinträchtigenden Faktoren eine besondere Rolle zukommt.

Vor einiger Zeit haben wir bei der Erläuterung des Ansatzes der salutogenetischen Führung festgestellt, dass die Arbeit ein zentraler Faktor unseres Lebens ist und es offensichtlich ist, dass die tagtäglichen Arbeitsbedingungen einen Einfluss auf die Gesundheit und das Wohlbefinden haben. Ebenso, dass die Führungskraft in diesem komplexen Geflecht gefordert ist. Leadership Insiders stellt heute neueste konsolidierte Forschungsergebnisse zu diesem Zusammenhang kommentierend vor.

Gesundheit

Gesundheit kann unterschiedlich definiert werden. Nach der gängigen Definition der WHO (1946, S. 1) ist Gesundheit „ein Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlergehens und nicht nur das Fehlen von Krankheit oder Gebrechen“. Sicherlich in dieser Reinheit des Zustandes ein Ideal, dem begründet eine Alternative entgegengesetzt werden kann, wie es Aaron Antonovsky im Rahmen seines Ansatzes der Salutogenese und dessen Credo, dass niemand sicher an einem Ufer entlang gehen kann (1997, S. 92), auch gemacht hat. Für heute reicht es allerdings, die Definition der Weltgesundheitsorganisation vor Augen zu haben.

Gesundheit auf der Arbeit

In einer sehr umfassenden Metastudie hat ein internationales Forschungsteam um Sabine Sonnentag von der Universität Mannheim 2023 ein empirisch gestütztes Modell veröffentlicht, das wir uns einmal näher anschauen wollen. Hier wird argumentiert, dass sowohl Charakteristika des Arbeitsplatzes als auch Gegebenheiten in der Organisation auf die Gesundheit und das damit verknüpfte Wohlbefinden der Mitarbeitenden einwirken, ebenso wie bestimmt an den Tag gelegte Verhaltensweisen gegenüber anderen. Dies alles wirkt sich in Summe auf die wahrgenommenen Eigenheiten der ausgeübten Tätigkeit aus, beeinflusst Leistung, Produktivität sowie Kreativität und resultiert nicht zuletzt in finanziellen Ergebnissen für die Organisation.

Soweit, so gut. Aber wie sehen solche Wirkbeziehungen im Konkreten aus? Zur Verdeutlichung dessen wähle ich einige mir besonders wichtig erscheinende Zusammenhänge kommentierend aus. Bevor dies jedoch möglich ist, müssen wir noch neben dem bereits oben erklärten Begriff der Gesundheit den Begriff des Wohlbefindens klären. Dieser wird nämlich in zwei Varianten gesplittet, die, obwohl sie im Praktischen nicht unabhängig voneinander sind, theoretisch differenziert werden: Da ist zum einen ein hedonistisches Wohlbefinden, das auf die Glücklichsein-Komponente (happiness; Freude, Vergnügen, Zufriedenheit) abzielt und zum anderen das sog. eudaimonische Wohlbefinden, das mit dem Erleben sinnhafter Momente und Tätigkeiten, die der eigenen Bestimmung entsprechen, verbunden ist. Beides wirkt sich auf die Gesundheit aus, wobei die Forschung hier nochmals zwischen immunologischen, kardiovaskulären und stoffwechselbezogenen Zuständen differiert. Wohlbefinden und Gesundheit werden von der Art der Arbeit, deren Bedingungen wie auch von mit der Arbeitsausübung gemachten Erfahrungen beeinflusst. Während in der empirischen Forschung dazu typischerweise subjektive Äußerungen, z. B. gewonnen durch Fragebögen, genutzt werden, sind gerade bei unmittelbar gesundheitsbezogenen Zuständen auch objektive Messungen möglich (beispielsweise Blutdruck, Hormonbestimmungen usw.).

Befunde zum Zusammenhang von Gesundheit, Wohlbefinden und Arbeitsplatz

Im Folgenden gebe ich zentrale Forschungsbefunde der Studie von Sonnentag u. a., die eine aktualisierte Verdichtung der Forschungslage darstellen und damit über einzelne Studien hinausgehen, gekürzt wieder. Es liegt in der Natur der Sache, dass die einzelnen Forschungsergebnisse nur bedingt Bezug zueinander suchen und dementsprechend auch hier nicht harmonisierend verbunden oder kontrastierend dargestellt werden können:

  1. Je mehr arbeitsplatzbezogene Ressourcen zur Verfügung stehen, umso höher ist das hedonistische Wohlbefinden und desto geringer das Gefühl einer Erschöpfung. Arbeitsplatzressourcen beziehen sich auf Aspekte des Arbeitsplatzes, die – wie etwa die kollegiale Unterstützung oder die funktionale Ausstattung – dazu beitragen, die arbeitsbezogenen Ziele zu erreichen, die Arbeitsanforderungen für einen selbst zu verringern und die persönliche Entwicklung in eine gewünschte Richtung zu fördern.
  2. Je mehr arbeitsplatzbezogene Ressourcen zur Verfügung stehen, wir denken hier an Autonomie, Rückmeldung, das Ansprechen verschiedenster Fähigkeiten, Aufgabenidentität und Relevanz der Aufgabe, desto höher ist auch das eudaimonische Wohlbefinden. Erinnert sei in diesem Zusammenhang an die gegenwärtige Purpose-Debatte in Theorie die Praxis (New Work).
  3. Je stärker die eigene Arbeit der eigenen Kontrolle unterliegt, desto besser fallen Indikatoren der physischen Gesundheit aus.
  4. Je stärker Jobstressoren sind, desto stärker sind Beeinträchtigungen des Wohlbefindens und der Gesundheit im Zeitablauf, wie es beim Burnout besonders plastisch wird, nachweisbar. Jobstressoren werden danach unterschieden, inwieweit sie die Verfolgung von Zielen und das Erbringen von Leistung erschweren (beispielsweise Rollenunklarheit, Schwierigkeiten in der Aufgabenumsetzung) oder Herausforderungen bei der Wahrnehmung von Leistungschancen sind (Zeitdruck, Arbeitsbelastung). Interessanterweise sind es vor allem die Ersteren, die mit besonders negativen Folgen verbunden sind.
  5. Je mehr eine Person soziale Unterstützung erfährt – und hier unterscheiden wir eine ganz praktische wie eine emotionale Unterstützung –, desto eher wird ihre Gesundheit und ihr Wohlbefinden gestärkt, wobei die Identifikation mit der Gemeinschaft sich tendenziell besonders auf die Gesundheit auswirkt, vermutlich vermittelt über einen besseren Schlaf und verbesserte Immunwerte. Damit wird das Augenmerk auf die Bedeutung von (funktionierenden) Teams gelegt.
  6. Je ansprechender das Führungsverhalten, desto klarer sind positive Auswirkungen auf Gesundheit und Wohlbefinden nachweisbar. Die transformationale Führung, aber auch eine beziehungsorientierte Führung oder eine Führung, die eine hohe Qualität in der Führer-Geführten-Interaktion ermöglicht, wird in der Literatur immer wieder genannt. Eine Bedrohung wird, wenig überraschend, bei einer destruktiven, toxischen, verletzenden Führung gesehen.
  7. Positiv auf Gesundheit und das Wohlbefinden wirkt sich ein proaktives Verhalten aus, das die Arbeitsbedingungen nach eigenen Vorstellungen zu formen versucht. Anders formuliert, werden die kognitiven, beziehungsorientierten und andere Bedürfnisse als Ausgangspunkt genommen, um Rahmenbedingungen und Schwerpunkte auf der Arbeit entsprechend auszurichten. Dazu gehört aber auch, bewusst Grenzen zu setzen und Tätigkeiten zu vermeiden, von denen man meint, dass sie einem selbst nicht guttäten.
  8. Positiv auf die eigene Gesundheit und das Wohlbefinden wirkt sich zudem ein prosoziales Verhalten aus, das primär darauf gerichtet ist, andere bei der Bewältigung ihrer Arbeit zu unterstützen, was gleichzeitig aber eben auch positiv auf das eigene Wohlbefinden rückwirkt.
  9. Positiv auf die eigene Arbeit kann sich auch eine Steuerung der Emotionen auswirken, welche – im Gegensatz zu den vielfach berichteten negativen Auswirkungen, die entstehen, wenn das Zeigen von Emotionen von außen entgegen des eigenen Empfindens aufgezwungen wird („Gefühlsarbeit“) – die Möglichkeit beinhaltet, bewusst emotional befriedigende Tätigkeiten anzugehen und sich der tiefergehenden Bedeutung des eigenen Tuns gewahr zu werden.
  10. Positiv auf Wohlbefinden und Gesundheit wirkt nicht zuletzt auch eine für sich selbst als befriedigend erlebte Trennung von Arbeit und Nicht-Arbeit („Boundary Management“).

Interventionsstrategien und Fazit

Natürlich stellt sich die Frage, welche Interventionsstrategien Beschäftigte (Führende wie Geführte) und die Organisation als Ganzes ergreifen können, um gesundheitlich Negatives zu vermeiden und Positives zu fördern. Der eine oder andere Aspekt wurde weiter oben ja bereits angesprochen. Grundlegend können wir unterscheiden zwischen Strategien, die auf den Arbeitsplatz bezogenen sind oder organisationale Faktoren betreffen (beispielsweise Jobressourcen, die die soziale Unterstützung faktisch wie symbolisch stärken, verbessertes Führungsverhalten repräsentieren, die Entscheidungsautonomie erhöhen) und Strategien, die über das Stressmanagement auf das Verhalten des Einzelnen abzielen. Hier denken wir an Achtsamkeit, Entspannungstechniken, Verbesserung individueller Fähigkeiten, Anpassung des Arbeitsverhaltens an die eigenen Bedürfnisse, positive Imagination oder physische Aktivitäten wie Sport.

Auch wenn klar ist, dass jeder durch Einstellungsänderung, Selbstentwicklung und die Nutzung  bestimmter Entspannungstechniken dazu beitragen könnte, seine persönliche Situation auf der Arbeit bei Konstanz der bestehenden Verhältnisse zu verbessern, darf die Primärverantwortung der Organisation für die Gesundheit und das Wohlbefinden der Mitarbeitenden nicht geleugnet werden. Nicht umsonst wird hier von einer gesetzlich verankerten Fürsorgeverpflichtung gesprochen. Dies bedeutet, dass eine zunehmende Arbeitsverdichtung, die alleinige Ausrichtung der Organisation an den Interessen der Geldgeber oder miserable Arbeitsbedingungen aus Kostengründen nicht einfach als alternativlos gesetzt werden können, sondern dass ein fairer Ausgleich zwischen den internen Stakeholdern grundsätzlich angestrebt werden muss und situativ auch gefunden werden kann. Zumindest für sehr gut ausgebildete Fach- und Führungskräfte erscheint die Einlösung dieses Gebots zukünftig wahrscheinlicher denn je zu sein.

Antonovsky, A. (1997): Salutogenese. Zur Entmystifizierung von Gesundheit, Tübingen

WHO (1946): Verfassung der Weltgesundheitsorganisation vom 22. Juli 1946. AS 1948 1015:

Sonnentag, S. / Tay, L. / Shoshan, H. N. (2023): A review on health and well-being at work: More than stressors and strains. In: Personnel Psychology (online first, in press)