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„Kunst und Kultur verbinden Menschen im Unternehmen“ – Interview mit Thomas Kirchhoff

Dieser Beitrag ist Teil der Serie Interviews zur Führung

Andere Beiträge in dieser Serie:

  1. Das Interview zu Coaching in Organisationen
  2. „Ich will wirken.“ – Interview mit Markus Stelzmann (TELE)
  3. Active Sourcing im digitalen Recruiting – Interview mit Samuel Ju (LEGALHEAD)
  4. Instrumentelle Führung – Interview mit Jens Rowold (TU Dortmund)
  5. „Kunst und Kultur verbinden Menschen im Unternehmen“ – Interview mit Thomas Kirchhoff
  6. „Hierarchien werden untergraben“ – Interview mit Prof. Dr. Jürgen Weibler
  7. Schwierige Führungssituationen souverän lösen – Ein Interview
  8. Wie der Geruch Führungsbeziehungen beeinflusst – Interview mit Univ.-Prof. Bettina Pause

Thomas Kirchhoff

Thomas Kirchhoff, Gitarrist, Honorarprofessor an der Hochschule für Musik in Detmold und Eventmanager, ist innovativer Kopf der KIRCHHOFF Culture Life-Initiative der KIRCHHOFF Automotive. Seit vier Generationen im Besitz der Familie Kirchhoff, besteht die KIRCHHOFF Gruppe heute aus vier Geschäftsbereichen, u.a. KIRCHHOFF Automotive, und erzielte in 2017 einen Umsatz von 2,1 Mrd. Euro mit über 12.300 Beschäftigten weltweit. Auf Leadership Insiders gibt Thomas Kirchhoff Einblicke in eine bislang einzigartige Verbindung von Arbeit, Kunst und Kultur, die 2018 aus dem Stand für den Deutschen Kulturförderpreis nominiert war.

Dieser Beitrag ist Teil der Serie Interviews zur Führung

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  7. Schwierige Führungssituationen souverän lösen – Ein Interview
  8. Wie der Geruch Führungsbeziehungen beeinflusst – Interview mit Univ.-Prof. Bettina Pause

Leadership Insiders: Herr Kirchhoff, Sie wurden von der Geschäftsführung der Kirchhoff Automotive beauftragt, den im internen Kanon der Firmengruppe niedergeschriebenen Wert „kulturelle Verantwortung“ fortzuschreiben. Diesmal sollte es darum gehen, Kunst und Kulturveranstaltungen in die Unternehmensgruppe hineinzutragen. Warum dies?

Thomas Kirchhoff: Unsere Initiative mit dem Namen KIRCHHOFF Culture Life ist ein europaweites Programm zum Wohlfühlen für die Belegschaft und Familienangehörige. Neben der Förderung von innerbetrieblichen sportlichen Aktivitäten und der Förderung der heimischen Sportvereine (Basketball, Eishockey, Fußball) möchten wir den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und deren Familien auch kulturelle Veranstaltungen der besonderen Art anbieten. In regelmäßigen Abständen veranstalten wir z. Zt. in den Betrieben in Deutschland, Polen, Ungarn und Portugal eine Vielfalt von kulturellen Aktivitäten und Mitmachaktionen. Ein breitgefächertes Programm an Musik, Literatur, Theater, Konzert, Ausstellungen, Wettbewerben und weiteren Aktivitäten. Dabei begleiten außergewöhnliche Künstler die Belegschaft und regen die MitarbeiterInnen zu verschiedenen Aktionen an.

Leadership Insiders: Wenn Unternehmen an Kunst und Kultur denken, sind es oftmals Gegenstände, die dies symbolisieren: Gemälde, Plastiken, manchmal eine Installation. Primär wird, so die Kritik, Kunst genutzt, um Macht und Erfolg des Unternehmens zu demonstrieren oder das Top-Management in ein günstiges Licht zu setzen. Was war in Ihrem Projekt von der Grundidee anders und machte es dadurch einzigartig?

Thomas Kirchhoff: Wir beteiligen zum einen die gesamte Belegschaft (und eben auch die Familienangehörigen) und nicht nur ausgewählte Gruppen innerhalb des Unternehmens, und zum anderen fördern wir Aktivitäten in den Betrieben und regen die Belegschaft zum Mitmachen an. So gestalten wir z. B. gerade einen Fotokalender als Weihnachtsgeschenk für alle MitarbeiterInnen. Die Fotos sind ausschließlich von unseren MitarbeiterInnen gemacht. Dazu werden sie in Workshops mit Profifotografen vorher beraten. Die besten Motive werden anschließend noch prämiert. Bei unseren Malaktionen gestalten MitarbeiterInnen großformatige abstrakte Bilder, die wir dann im Werk aufhängen. Die bisherigen Ergebnisse sind absolut erstaunlich und erfreuen sich großer Beliebtheit im Betrieb.

Leadership Insiders: Wie haben Sie das Projekt gestartet? Waren dabei Widerstände zu überwinden?

Thomas Kirchhoff: Nein, im Gegenteil, denn die Idee kam ja von meinem Vetter Jürgen Wolfgang Kirchhoff, geschäftsführender Gesellschafter der KIRCHHOFF Automotive. Die Ausgestaltung hat er allerdings dabei ganz mir überlassen. Natürlich stimme ich den Finanzrahmen und jede neue Projektidee vorher mit ihm ab.

Leadership Insiders: Welche Veranstaltungen möchten Sie beispielhaft hervorheben?

Thomas Kirchhoff: Alle zwei bis drei Jahre veranstalten wir pro Werk eine Großveranstaltung (so genannte „Culture Attack“ Nachmittage) mit einem bunten Mix aus Musik, Literatur und Mitmachaktionen. Hier treten viele außergewöhnliche Musiker auf in den unterschiedlichsten Stilrichtungen von Klassik, bis Pop und Weltmusik, die das Publikum (bis zu 500 Personen pro Veranstaltung) auf ein Feuerwerk der Sinne, ein Fest der Emotionen mitnehmen und die Belegschaft und die Familienangehörigen zu mitreißenden Mitmachaktionen anregen. Über das Jahr verteilt bieten wir dann pro Werk bis zu 4-5 kleinere Aktionen an, die jeweils unterschiedlichen Charakter und Schwerpunkte haben (Musik, Literatur, Malerei, Fotografie, Kochen, Yoga u.v.a.). So wollen wir versuchen über einen längeren Zeitraum fast jeden Mitarbeiter irgendwann einmal zu erreichen und für Kunst und Kultur zu begeistern.

Leadership Insiders: Verändert die Kunst, die Sie in das Unternehmen hineinbringen, auf eine gewisse Art und Weise diejenigen, die damit umgehen und die sie so im Beuysschen Sinne mitprägen? Mir fallen da Begriffe wie Wahrnehmen oder Empfinden ein, aber auch Umgangsformen, nicht zuletzt in einer Hierarchie, die Zusammenarbeit, gar die Führung? Oder hätte sie zumindest das Potenzial unter bestimmten Bedingungen dafür?

Thomas Kirchhoff: Ja natürlich, das ist das Ziel und ich denke, wir haben schon einiges in dieser Richtung erreicht. Kunst und Kultur verbinden Menschen in Unternehmen. Die Rückmeldungen der Belegschaft sind ausschließlich positiv bis überragend. Vor allem ist der Überraschungseffekt sehr groß – immer wieder hören wir: „Ach, ich hätte nicht gedacht, dass mir Mozarts oder Vivaldis Musik oder die Literatur oder die Malerei und Kunst des 20. Jahrhunderts so gefallen würde.“ Wir waren z. B. bei der documenta 14 in Kassel, zu der wohl die meisten der MitarbeiterInnen allein und ohne unsere thematische Vorbereitung nicht gefahren wären.

Leadership Insiders: Viele Interventionen scheitern, weil sich keine Kontinuität einstellt. Beugen Sie dem vor? Welche Rolle spielt hier perspektivisch die Selbstorganisation der Mitarbeitenden?

Thomas Kirchhoff: Alles, was die Familie Kirchhoff in den letzten über 130 Jahren, seit das Unternehmen von unserem Urgroßvater übernommen wurde, gemacht hat, ist langfristig und nachhaltig geplant. So ist auch diese Initiative KIRCHHOFF Culture Life auf Jahre ausgelegt. Ideen habe ich genug.

Leadership Insiders: Sie haben hervorgehoben, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sei es aus der Verwaltung, sei es aus der Produktion und anderen Bereichen, Freude an den Veranstaltungen gehabt und Wertschätzung erfahren haben. Dies ist zweifelsfrei ein Wert an sich. Unternehmen versprechen sich, gerade bei einem Programm dieser Größenordnung, aber vermutlich auch etwas darüber hinaus. Was stand hier im Mittelpunkt? Ist das dann überhaupt messbar? Oder zerstört die Forderung einer Messung gar die beabsichtigte Wirkung, zum Beispiel weil individuelle oder Erlebnisse ex post wieder einer ökonomischen Rationalität unterzogen werden sollen? Dies von den Mitarbeitenden antizipiert, könnte eventuell verhindern, dass dieser Erlebnischarakter überhaupt erst entsteht.

Thomas Kirchhoff: In „harten Zahlen und Fakten“ ist die Wirkung dieser Initiative vielleicht nicht messbar. Zusammen mit den anderen im Betrieb befindlichen „Work-Life-Balance“ Maßnahmen, entsteht hier aber ein wirkungsvoller Mix, und der ist als so genannter „weicher Faktor“ sicher nachvollziehbar. Wenn nach längerer Zeit auch eine Verbesserung der „Fehlzeiten“ deutlich würde, wäre das natürlich der größte Beweis für den Erfolg dieser Initiative. Kein Unternehmen handelt ausschließlich altruistisch, aber glauben Sie mir, ein Familienunternehmen (auch dieser Größenordnung) und ganz besonders dieses, empfindet sehr hohe Verantwortung für seine Belegschaft. Das ist bei allem Tun und Handeln meiner drei Vettern zu spüren und wird auch so von den MitarbeiterInnen wahrgenommen.

Leadership Insiders: Welche abschließende Empfehlung haben Sie für Unternehmen, die den hier skizzierten Weg ebenfalls einschlagen möchten?

Thomas Kirchhoff: Da kann ich keine Empfehlung aussprechen. Es braucht sicher ein Zusammenspiel von vielen Kräften. Know-how über das Thema (Kunst, Musik, Kultur), Bereitschaft, zu investieren und Begeisterung für das Projekt von „oben nach unten“. All das ist bei KIRCHHOFF Automotive gegeben und es macht mich durchaus ein wenig stolz, hier einen kleinen Beitrag leisten zu können.

Leadership Insiders: Herr Kirchhoff, ich bedanke mich für das Gespräch.

 

Am Thema Interessierten empfehlen wir zur weiteren Vertiefung unseren Beitrag „Brotlos oder höhere Einsicht? – Künstlerische Interventionen in den Unternehmensalltag„.

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