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Schlüsselprozesse der Teamführung

In der Praxis wird zunehmend auf Teamarbeit gesetzt, um die wachsende Komplexität, durch die unsere globale Ökonomie zunehmend geprägt ist, zu bewältigen. Denn schließlich werden teambasierte Arbeitsstrukturen, Kooperationsformen und daraus resultierend kollaborative Settings und Arbeitskontexte mit vielfältigen positiven Effekten assoziiert. Nachfolgend zeigen wir, welche Schlüsselprozesse der Teamführung zu beachten sind, um maximalen Erfolg zu erreichen.

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Zusammenarbeit und Kooperation in und zwischen Arbeitsgruppen sind wesentliche Momente des Alltags in Organisationen, die oftmals über Erfolg und Misserfolg einer Organisation entscheiden. Aus Führungssicht stellen sich dabei spezifische Fragen. Eine davon ist, welche Führungsfunktionen zwingend zu bedienen sind, um erfolgreich zu sein – unabhängig von der Frage, ob es sich um eine formale oder informelle Führung handelt. Leadership Insiders bietet dazu eine Erstorientierung.

Das muss eine Teamführung leisten

Führung ist ein wichtiges Instrument zur Steigerung der Effektivität von Gruppen und Teams, wie u.a. das Forscherduo der TU Braunschweig und der FH Wiener Neustadt, Michael Busch und Dietrich v.d. Oelsnitz betonen (2018). Und sie liefern dazu auch gleich eine kondensierte Zusammenschau vorliegender Befunde.

Unter dem Label „Schlüsselprozesse der Teamführung“ unterscheiden sie zwischen kognitiven, motivationalen, affektiven und koordinativen Teamprozessen:

  • Im Rahmen der kognitiven Teamprozesse geht es vor allem darum, Sinn zu vermitteln und das Lernen im Team zu ermöglichen. Dies gelingt vor allem durch partizipative Problemlösungsansätze und Feedback. Und natürlich durch Reflexion: Was gelang warum gut, wieso klappte jenes nicht, was nehmen wir mit auf den weiteren Weg? Dem Teamleiter kommt demnach für die kognitiven Teamprozesse eine coachende Rolle zu, er soll den Mitgliedern des Teams eine „Hilfe zur Selbsthilfe“ geben.
  • Motivationale Teamprozesse dienen vor allem dazu, gemeinsam geteilte Leistungserwartungen zu setzen, von denen die Teammitglieder überzeugt sind, sie erfüllen zu können. Es geht vor allem um den Erfolgsglauben. Da sind wir bei anschaulichen Beispielen, deren inspirierende Kraft offensichtlich ist (im Extrem: Tesla), bei schwierigen, aber noch realistischen Aufgaben und der Versicherung, dass keiner, der sich konstruktiv einbringt, auf dem Weg verloren geht. Immer geht es um die Stärkung der Kohärenz, also des inneren Zusammenhaltes. Bei verteilten Kompetenzen und voneinander abhängigen Aufgaben (der eine kann nur auf Vorlage des anderen weitermachen oder beide werkeln am selben Schritt) ist das schwächste Glied der Taktgeber.
  • Affektive Teamprozesse beziehen sich auf interpersonale Beziehungen im Team. Sie dienen dazu, Konflikte im Team zu kontrollieren („toxische“ Konstellationen managen) und ein positives Teamklima zu schaffen. Einerseits sind hierfür Strukturen wie klare Leistungsziele und Rollenzuweisungen notwendig. Andererseits müssen Normen und Verfahren entwickelt werden, wie mit Konflikten im Team umgegangen werden soll, damit diese das Team nicht in negativer Weise beeinflussen. Dies fängt bei der Teamzusammenstellung an und hört bei der Entfaltung der jeweiligen Stärken auf.
  • Koordinative Teamprozesse helfen dabei, die Arbeit einzelner Teammitglieder so zu gestalten, dass die gemeinsame Aufgabe des Teams bestmöglich erfüllt werden kann. Stichworte sind hier Systemüberwachung (Friktionen, Verschiebungen etc.) und Prozessüberwachung (z.B. Leistungsstandards). Hierfür müssen unter anderem Ressourcen gut verteilt werden und einzelne Schritte der Aufgabenbewältigung oder des Projekts zeitlich und inhaltlich abgestimmt werden. Einzelverhalten muss entsprechend den (dynamischen) Umweltanforderungen angepasst werden.

Naheliegender Weise stellt sich die Frage, aus welcher Positionierung die Teamleitung diese Funktionen am besten erfüllen kann. Das ist, wie wir nun sehen, vielfältiger als man zunächst denkt.

Positionierung der Teamführung

In der Praxis existieren vielfältige Möglichkeiten zur Positionierung der Teamführung. Je nach Stellung der Führungskraft, der Beziehungsqualität zwischen Führungskraft und Team sowie der Nähe oder Distanz der Führungskraft – und wie immer ein wenig abhängig von der Situation – ergeben sich unterschiedliche Konstellationen.

Die Positionierung bestimmt maßgeblich die Zusammenarbeit und Kommunikation, sowohl zwischen Teammitgliedern und Führungskraft als auch zwischen den Teammitgliedern selbst. In der unteren Abbildung 1 werden mögliche Beziehungsgeflechte eines Teams in Abhängigkeit der Positionierung des Führenden deutlich.

Abbildung 1: Formen der Positionierung der/des Führenden (= F) eines Teams (vgl. Busch/v.d. Oelsnitz 2018, S. 81 und die dortige Referenz)

Wie wir direkt sehen, beinhalten alle Varianten – mit Ausnahme des SOT (autonomen Teams; geläufiger: selbstorganisierten Teams) – eine ausgewiesene Führungsposition. Diese ist allerdings unterschiedlich verankert. Dies beeinflusst die damit verbundene Macht wie auch die Intensität der zu erledigenden Führungsaufgaben.

Die Varietät der damit einhergehenden Ausformungen der Führungsrolle lassen sich gut in ein Schema einordnen, das die Psychologinnen Simone Kauffeld und Eva-Maria Schulte von der TU Braunschweig nutzen. Danach lassen sich eine führerorientierte Teamführung, eine gruppenorientierte und – in meiner Verwendung – eine plural orientierte Teamführung unterscheiden:

Führerorientierte Teamführung

Bei dieser Gestaltungsform von Teamführung sorgt allein die Führungskraft für die Aufteilung, Aufsicht und Kontrolle der Arbeit im ihr unterstellten Team. Sämtliche Verantwortlichkeiten werden folglich von der Führungskraft selbst übernommen. Gruppenaufgaben werden hierarchisch an die Gruppenmitglieder zur Ausführung weitergeleitet. Die Kompetenzen und Fähigkeiten der einzelnen Gruppenmitglieder stehen aus dieser Führungsperspektive nicht im Vordergrund. Der Erfolg der Führung ist somit aufs Engste mit der sachbezogenen Führungskompetenz der Führungskraft verbunden. Diese Positionierung neigt zu einer autoritären oder zumindest patriarchalischen Ausformung, könnte aber fließende Grenze zu einer gruppenorientierten Teamführung dann beinhalten, wenn ein Informationsdefizit für das Treffen von Entscheidungen erkannt wird oder die Akzeptanz der Gruppe als erfolgskritisch gesehen wird. Dies setzt allerdings die Fähigkeit zur kritischen Hinterfragung eigener Möglichkeiten seitens des Führenden voraus.

Gruppenorientierte Teamführung

Bei dieser Gestaltungsform von Teamführung übernimmt die Führungskraft eine Berater-, Unterstützer- und Ermöglicherrolle („Enabler“) gegenüber der Gruppe. Die Gruppenmitglieder haben entsprechend ihren Fähigkeiten, Motivationen und ressourcialen Rahmenbedingungen die Möglichkeit, Ziele und Entscheidungen gemeinsam mit der Führungskraft auszuhandeln und Problemlösungen auch im Interesse der Gruppe zu entwickeln. Zentrale Aufgaben der Führung sind die Beachtung der Bedürfnisse der Gruppe sowie die Förderung der Kompetenzen und Fähigkeiten der Gruppenmitglieder (z.B. durch regelmäßige Trainingsmaßnahmen, offene Kommunikationskultur, gemeinsame Reflexion).

Plurale Teamführung

Als kollektive bzw. beziehungsorientierte Gestaltungsformen von Führung in Gruppen sind einige Ansätze und Modelle entwickelt worden, die neu aufkommende Verständnisse von Führung (wenn auch in unterschiedlicher Ausprägung) abzubilden versuchen. Sie haben mittlerweile unter Bezeichnungen wie „distributed leadership“ oder „shared leadership“ Eingang in die Praxis gefunden. Sigrid Endres und ich haben kürzlich ein ganzes Buch darüber verfasst.

Im Kern geht es darum, dass die Führung breiter verteilt wird, sei es beispielsweise als Doppelspitze, sei es als Teilübertragung an mehrere Teammitglieder von Führungsaufgaben. Oder aber, dass sich Personen in der Übernahme von Führungsrollen bei unverändertem Positionsgefüge abwechseln oder eine gemeinsame Führung entsteht, die eine Trennung von Führung und Gefolgschaft nicht mehr als sinnvoll erscheinen ließe. Eine konsequent gemeinsam ausgeübte Führung (shared group leadership) würde letztlich dann auf eine Überwindung jenes traditionell vorherrschenden, heroischen Führungsparadigmas hinauslaufen, dem gemäß Verantwortung, Wissen und Ansehen allein bei der (deshalb quasi heldenhaften) Führungskraft liegen, und auf ein relational ausgerichtetes, nunmehr post-heroisches Führungsparadigma verweisen.

Teamführung: Eine immerwährende Aufgabe

Angesichts der zuvor gemachten Aussagen ist klar, dass es in der Praxis kein Ideal geben kann, da die Voraussetzungen, die für den Erfolg beispielsweise eines SOTs notwendig sind, variieren. Man könnte zwar fallbezogen sagen, dass angesichts der Teamaufgaben eigentlich ein sehr autonomes Team sinnvoll wäre, dass angesichts der bisherigen Arbeitserfahrungen und vorhandenen Meta-Kompetenzen der Teammitglieder, möglicherweise auch aufgrund ihres Wollens, eine führerzentrierte Teamführung dennoch das bessere Mittel der Wahl wäre, eventuell perspektivisch verbunden mit einer Entwicklungsoption hin zu einer gruppenorientierten Teamführung. Dass die Erfolgsbedingungen in vielerlei Hinsicht aber nun smarte Team stärker nach vorne bringen, die gleichsam führungstechnisch viel selbst regeln könnten und nicht selten auch wollen, scheint gegenwärtig unstrittig zu sein.

Wie man in den  Übergangsphasen zwischen hierarchischer Tradition und eigenverantwortlicher Aufstellung Schiffbruch erleiden kann, verdeutlicht abschließend das nachfolgende Beispiel. Es zeigt, dass Transformationen ohne eine Vorab-Klärung von Macht- und Kulturfragen sehr heikel verlaufen können oder aber dass zumindest Überraschungen nie ausgeschlossen werden können, wie mir gegenüber ein Vize-Direktor HR aus Süddeutschland vor einiger Zeit erzählte.

Head of HR  hatte nämlich in Absprache mit der zuständigen Fachabteilung selbstorganisierte Teams parallel zur Standardhierarchie auf den Weg brachte. Der Erfolg, gemessen an den Zielvorgaben, war hervorragend, wirkte sich zudem abteilungsübergreifend aus. Die Begeisterung bei den anderen Führungskräften auf der zweiten Ebene ließ allerdings zu wünschen übrig. Die Teams waren jetzt ihrer Kontrolle entzogen, die eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schauten bereits mit viel Interesse, was da so passierte. Das Ende vom Lied: „Gehe in das Gefängnis. Begib Dich direkt dorthin. Gehe nicht über Los.“ Die SOTs mussten wieder einkassiert werden. Begeisterung bei den betroffenen Teammitgliedern fand dies dann allerdings nicht und so manchem erschien eine Rückkehr in das „Gefängnis“ nun nicht mehr akzeptabel zu sein. Sie suchten sich anderenorts neue Freiheiten. Ein sehr, sehr teurer Spaß zuletzt, denn leider ging damit auch das gerade aufgebaute, innovative Wissen verloren. Ein Lehrstück, wie mir scheint.

 

Busch, M. W ./ Oelsnitz, D. v. d. (2018): Teammanagement. Grundlagen erfolgreichen Zusammenarbeitens, Stuttgart

Endres, S. / Weibler, J. (2019): Plural Leadership, Wiesbaden

Kauffeld, S./Schulte, E. M. (2012): Teamentwicklung und Teamführung. In: Heimerl, P./Sichler, R. (Hrsg.): Strategie, Organisation, Personal, Führung, Wien, S. 559-594