Feedback ist ein Alleskönner. Selbstwertgefühl, Lernprozesse, Motivation, Wachstum, Leistung, alles kann hiervon berührt werden. Und die Führungspraxis weiß mehrheitlich auch darum, denn sonst ließen sich die zahlreichen Feedbackinstrumente und Regularien dazu kaum erklären. Führungskräfte sind in der Umsetzung besonders gefordert. Das ist die eine Seite. Die andere zeigt eine erhebliche Unzufriedenheit mit der Umsetzung von Feedbackprozessen im Führungsalltag. Hier etwa Führungskräfte, die wenig Lust verspüren, die entsprechenden Instrumente zu nutzen, dort Mitarbeitende, die deren Durchführung eher als Strafgericht denn als Hilfestellung empfinden. Leadership Insiders sondiert die Lage, erläutert Wirkmechanismen und gibt Empfehlungen zur produktiven Nutzung einer unverzichtbaren Kommunikationsform.
Feedback in Zahlen
In einer vom Institut für Beschäftigung und Employability im Jahre 2014 durchgeführten Onlinebefragung zum Thema Feedback in Organisationen gaben 71 % der insgesamt 665 befragten Führungskräfte in Deutschland, Österreich und der Schweiz an, dass die Etablierung einer Feedbackkultur zu den bedeutendsten Anforderungen gehört, die an Führende gestellt werden – und dies noch vor der Motivierung der Belegschaft (69 %), dem Aufzeigen von Entwicklungsmöglichkeiten für Mitarbeiter (66 %) oder der Durchführung regelmäßiger Mitarbeitergespräche (60 %)1.
Belastbare Daten zur tatsächlichen Verbreitung von Feedback in Organisationen liegen allerdings kaum vor. Eine Studie berichtet, dass bei Befragungen 61 % der oberen Führungskräfte sowie 43 % der mittleren Führungsebene der Meinung waren, Mitarbeiter erführen ausreichendes Feedback2. Betroffene sehen dies aber offensichtlich anders: Nur jeder Fünfte gibt an, dass für gute Arbeit positives Feedback gegeben wird. Ohnehin sind laut Gallup lediglich 22 % der Beschäftigten der Ansicht, dass ihnen regelmäßig Feedback zuteilwird3. Und von einer unbedingten Nützlichkeit kann auch keine Rede sein: Eine ältere Überblicksstudie (23.663 Fälle) kommt zu der Erkenntnis, dass Feedback nur bei etwas mehr als der Hälfte der untersuchten Fälle zu einer Verbesserung der Leistung des Feedbackempfängers führte, bei 30 % der Fälle verschlechterte sich dagegen die Leistung4. Dies deutet auf massive Probleme bei der Umsetzung hin und lenkt die Frage auf das Grundverständnis von Feedback und das „Wie“ des Feedbackgebens.
Was unter Feedback zu verstehen ist
Der Begriff Feedback hat seinen Ursprung in der Kybernetik und bezeichnet hier eine „Rückkopplung“ oder „Rückmeldung“. Feedback kommt damit die Funktion eines Reglers zu, der einen Ist-Wert mit einem Soll-Wert vergleicht und darauf basierend automatische Regulationsprozesse zur Reduktion von Diskrepanz in Gang setzt5. Diese begriffshistorische Referenz ist für Führungsbeziehungen bereits nicht unproblematisch, fordert sie doch (1) jemanden, der weiß, was richtig ist und möglich sein kann, und dabei davon ausgeht, dass (2) ein maschinenähnliches Problem vorliegt. So simpel ist es natürlich nicht.
In Organisationen bezieht sich eine Rückmeldung auf ein bestimmtes Verhalten, inklusive der Auswirkungen eines solchen Verhaltens im weitesten Sinne. Feedbacknehmer ist eine Einzelperson oder einer Personengruppe, vorzugsweise ein Team; Feedbackgeber ist zumeist eine Führungskraft.
Feedback ist im Grunde erst einmal neutral. Es beinhaltet sowohl positive als auch negative Rückmeldungen. Im Führungsgespräch ist es mit solcher Neutralität jedoch schnell vorbei, denn die rückgemeldeten Fakten, Daten, Eindrücke, gar Mutmaßungen, werden entweder von vornherein mit einer Wertung versehen oder gewertet interpretiert. Denn bei Feedbackprozessen stoßen immer Selbst- und Fremdwahrnehmung des Feedbacknehmers aufeinander. Insofern ist ein Feedbackgespräch potenziell brisant.
Feedback ist allgegenwärtig und vielgestaltig
Seit den 1990er Jahren wird Feedback in Organisationen zunehmend eingesetzt6. Mentoring, Trainings und Coachings, Mitarbeitergespräche oder die Vorgesetzten- bzw. Mitarbeiterentwicklung und -beurteilung sind typische Anwendungsbereiche. Das Team-Feedback tritt hinzu und wird mit der wachsenden Fokussierung auf Teams, man denke nur an die SCRUM-Methodik oder die Projektkultur, noch viel wichtiger.
So vielgestaltig ihre Anwendungsbereiche, so mannigfaltig sind auch ihre Ausformungen: So gibt es offizielle bzw. innerhalb der formellen organisationalen Strukturen ablaufende Feedbackprozesse, aber auch informelle, quasi beiläufige Feedbackprozesse. Zudem lassen sich unterschiedliche Arten des Feedbackgebens und Feedbacknehmens differenzieren: Face-to-Face, Face-to-Group, schriftlich oder in Form von digitalisierten Software-Lösungen, mit oder ohne Kenntnis Dritter. Auch die Anzahl der an einem konkreten Feedbackprozess beteiligten Akteure unterscheidet sich (z.B. Einzelfeedback gegenüber dem 360-Grad-Feedback).
Warum die Selbstbestimmungstheorie der Schlüssel für ein erfolgreiches Feedback ist
Eingedenk der skizzierten Vielfalt stellt sich die Frage: Wie gestalte ich nun ein erfolgreiches Feedback? Wer sich hier nicht auf die singulären Erfahrungen einzelner verlassen möchte, sollte die Selbstbestimmungstheorie6 (engl. SDT) zurate ziehen, um besser zu verstehen, worauf es ankommt. Denn dadurch, dass mittels Feedback ein bestimmtes Verhalten gestärkt, geschwächt oder evoziert werden soll, ist man neben der Frage der Qualifikation, die an dieser Stelle vernachlässigt wird, unweigerlich bei der nach der Motivation angelangt. Um die richtig anzusprechen, muss man wissen, was ihre Grundlagen sind.
Die SDT ist sowohl eine Motivations- als auch eine Persönlichkeitstheorie und hat ihre Wurzeln in der humanistischen Psychologie. Ihr zufolge hängt die Motivation für ein bestimmtes Verhalten immer davon ab, inwieweit die drei psychologischen Grundbedürfnisse
- nach Kompetenz
- nach sozialer Eingebundenheit und
- nach Autonomie
befriedigt werden können. Die Architektur unserer Beweggründe gilt es demnach zu beachten. Eine Fixierung auf die Motivationsstärke wäre unzureichend.
Unter dem Kompetenzbedürfnis wird dabei das Gefühl verstanden, effektiv auf die jeweils als wichtig erachteten Dinge einwirken zu können und entsprechend gewünschte Resultate zu erzielen. Autonomie bezeichnet ein Gefühl der Freiwilligkeit, das jedes Verhalten begleiten kann. Soziale Eingebundenheit schließlich meint nicht nur die Bedeutung, die Andere für eine Person haben, sondern auch die Bedeutung, die man selbst für Andere besitzt. Diese gut abgesicherte Theorie7 postuliert mithin, dass jedes Individuum – im Übrigen auch kulturübergreifend – diese drei Bedürfnisse besitzt.
Welche Implikationen sich daraus für Feedbackprozesse ergeben
Die enorme Wichtigkeit von Feedback und die Art seiner Ausgestaltung wird in der Praxis häufig übersehen8. Womöglich ist ihre Bedeutung für die jüngere Generation noch höher. Stellt eine Organisation sich die Frage, wie durch Feedbackprozesse sowohl die individuelle Potenzialentfaltung der Feedbacknehmer unterstützt sowie auch eine gute Feedbackkultur aufgebaut werden kann, so gestaltet sich die Antwort auf Grundlage der SDT relativ einfach:
Feedbackprozesse gelingen, wenn die psychologischen Grundbedürfnisse nach Kompetenz, Autonomie und Verbundenheit befriedigt werden. Umgekehrt gesprochen sollten möglichst all jene Formen von Feedback, die die Grundbedürfnisse einschränken, sich negativ auf die Selbstbestimmung und das Sinnerleben von Feedback auswirken, vermieden werden.
Von daher ist es richtig, persönliches Feedback immer empathisch, wertschätzend und beschreibend statt wertend zu äußern9. Das Bedürfnis nach sozialer Eingebundenheit könnte dadurch besonders angesprochen werden. Ist Feedback dagegen als stupide Konditionierung gedacht und durchschaut das der Empfänger, folgen Enttäuschung, Zurückweisung des Feedbacks und eine Verschlechterung der Beziehung10.
Bekannt ist des Weiteren: Positives Feedback „schlägt“ wirkungsbezogen negatives. Denn positives Feedback verstärkt u.a. positive Emotionen und positive Verhaltensintentionen11 („Organizational Citizenship Behavior“), während kritische Rückmeldungen durch den Vorgesetzten negative Emotionen hervorrufen, die tendenziell zu negativ orientierten Handlungsabsichten („Counterproductive Work Behavior“) führen – ganz abgesehen davon, dass damit der Weg zum erwünschten Verhalten noch offen ist.
Eine aktuelle experimentelle Studie kommt ferner zu dem Ergebnis12, dass sich negatives Feedback zum Führungspotenzial einer Person nicht nur ungünstig auf die Ambition, zu führen, auswirkt, was noch nahe liegt, sondern auch die Bindung an die Organisation wie die Leistung negativ berührt. Selbst bei Lob kann es schnell schiefgehen, wirkt es nicht authentisch. Sofern der Empfänger es gar so interpretiert, dass der Feedbackgeber ihn oder sie für wenig kompetent hält, ist mit einer Verringerung der intrinsischer Motivation zu rechnen. Dies könnte erklären, warum sich in einer Überblicksstudie13 Leistungen trotz positivem Feedback reduzierten.
Negatives Feedback ist dennoch nicht Tabu, es gehört zum Lernen und einer gesunden Entwicklung dazu14. Der Ton macht die Musik. Es sollte vermieden werden, dass es sich negativ auf die Selbstbestimmung auswirkt, denn dann stellte es eine Bedrohung für den Selbstwert des Feedbackempfängers dar. Vorsicht ist insbesondere bei generalisierenden Aussagen geboten. Wahrgenommene negative Emotionen beim Feedbackgeber können in einer Fehlersituation auf eine solche Bedrohung des Selbstwertes hinweisen und infolge eher Schutzmechanismen denn Strategien zur Lösung des monierten Fehlverhaltens hervorrufen. So zeigt eine andere Studie15, in der Führende als Feedbackgeber im Mittelpunkt standen, dass sich unter solchen Bedingungen die Leistung verringerte und gleichzeitig die Beurteilung der Effektivität des Feedbackgebers alsFührungskraft sank.
Feedback ist sinnvoll, wenn es auf eine optimale Aufgabenbewältigung abzielt. Dafür muss es einen hohen aufgabenbezogenen Informationswert besitzen. Das bedeutet, Dinge direkt anzusprechen, die Beziehung zur Aufgabe herzustellen und ein hilfreiches Beispiel zu geben. Daher sind vor allem normative Rückmeldungen eventuell sogar kontraproduktiv, da sie die Aufmerksamkeit von der Aufgabe abziehen und auf die Person und damit deren Selbstwert lenken. Förderlich kann es zudem sein, dass negatives Feedback vom Feedbacknehmer in eigenem Tempo bearbeitet werden kann sowie Wahlmöglichkeiten für Weiterentwicklungen angeboten werden. Denn dies spricht wieder das Autonomiebedürfnis an. Eine stark kontrollierende Rückmeldung einer Führungskraft beeinträchtigt hingegen das Autonomiebedürfnis der Geführten.
Ein weiterer wichtiger Aspekt betrifft schließlich die Wechselseitigkeit von Feedback. Gerade bei negativem Feedback erscheint es plausibel, wenn der Feedbacknehmer dem Feedbackgeber seine Sicht der Dinge mitteilen kann („Feedback auf Feedback“)16. Die Ermöglichung eines konstruktiven Diskurses, der wiederum das Bedürfnis nach sozialer Eingebundenheit besonders ansprechen dürfte (und zwar sowohl beim Empfänger, als auch beim Geber), wäre daher hilfreich.
Digitalisiertes Feedback
Noch ein Wort zum digitalisierten Feedback, das verstärkt Einzug hält. So können beispielsweise am Fraport Führungskräfte ihr Kommunikationsverhalten automatisiert schulen. Feedback führt maschinell direkt zu Lernangeboten. Auch wäre es heute schon ein Leichtes, beispielsweise die Stimmung im Team jedem Teammitglied über ein Device zur Verfügung zu stellen, sofern sich alle Teammitglieder bereit erklärten, periodisch oder auf Anfrage einer Antwort auf eine standardisierte Frage zu geben. Technisch ist hier vieles möglich, denken wir nur an die intelligente Armbanduhr, die einem Läufer, der einsam seine Runden dreht, eine Fülle von Informationen online gibt, die am PC weiterbearbeitet werden können.
Chancen für Organisationen liegen vor allem darin, dass aufgrund der einfacheren und breitflächigeren Umsetzung digitaler Lösungen allen Hierarchieebenen ermöglicht werden kann, Feedback geben und erhalten zu können. Zudem kann Mitarbeitenden ein permanenter Zugriff auf ihre Entwicklungsdaten zur Verfügung gestellt sowie die Gelegenheit gegeben werden, jederzeit aktiv Feedback von selbst ausgewählten Beobachtern einzuholen und darauf basierend etwa selbstbestimmt Weiterbildungsmaßnahmen zu ergreifen.
Risiken liegen darin, dass in diesem Rahmen oft keine Möglichkeit besteht, ein grundsätzlich negativ ausgefallenes Feedback in einen konstruktiven Rahmen zu setzen bzw. bei Anonymität „Feedback auf Feedback“ zu geben. Es kann im schlechtesten Fall sein, dass das digitale Feedback die Kompetenz, die Autonomie sowie die soziale Eingebundenheit des Empfängers, aber auch des Gebers, unberücksichtigt lässt. Denkbar wäre, dass negatives Feedback bequemerweise sogar zunehmend digital vermittelt wird, während hingegen positives Feedback nach wie vor weitgehend Face-to-Face abläuft.
Feedback ist Sache des Top-Managements und jeder Führungskraft
Insgesamt sollten Organisationen einen ganzen Pool an Feedbackmöglichkeiten bereitstellen und situationsspezifisch einsetzen. Wir plädieren abschließend für ein achtsam gestaltetes, analog-digital-integrierendes Feedbacksystem (ADIF). Digitale Lösungen gehören dazu, auch wenn es unklug wäre, ausschließlich hierauf zu setzen. Menschen unterhalten sich in aller Regel doch noch lieber mit Menschen als mit Maschinen, es sei denn, der Mensch benimmt sich wie eine Maschine oder agiert destruktiv. Inwieweit ein kluges digitales Feedback das Grundbedürfnis nach sozialer Verbundenheit zukünftig ebenfalls ansprechen kann, muss bislang offen bleiben. Auch die Frage, ob Führungskräfte oder Mitarbeiter negatives Feedback tatsächlich eher digital vermitteln (möchten) – und welche psychologischen oder organisationalen Bedingungen dies begünstigen könnten – ist bislang unerforscht.
Urteilen Maschinen möglicherweise zukünftig besser, gar gerechter, sofern die Künstliche Intelligenz auch hier stärker an Kraft gewinnt und wenn ja wo, wann und unter welchem Umständen wäre das so? Am Ende dürfte dies keine ideologische, sondern diskursiv zu erläuternde Frage auf Basis empirischer Erfahrungen sein. Die gilt es nun zu sammeln. Bis dahin gilt unzweideutig:
Ein gelungenes Feedback fördert die Akzeptanz Ihrer Führung. Und es ist etwas, auf das auch Sie stolz sein können. Sie unterstützen Menschen, mit denen Sie viel Zeit verbringen, sich zu entwickeln. Nicht ungewöhnlich, wenn der Andere auch Ihnen etwas Wertvolles mitzuteilen hätte. Ermuntern Sie ihn doch dazu und machen auch ihn stolz. Ganz nach dem Motto, wie es etwa auch Bill Gates auf einer TED-Konferenz einmal treffend formulierte:
„We all need people who will give us feedback. That’s how we improve“.