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Motivation und Motiv – Wann Führungskräfte das Motiv schärfen müssen

Dieser Beitrag ist Teil der Serie Motivation/Zielsetzung

Andere Beiträge in dieser Serie:

  1. Zielerreichung durch Zielfixierung – weg mit dem Plan B!
  2. Motivation und Wille – Wann Führungskräfte die Willenskraft stärken müssen
  3. Motivation und Motiv – Wann Führungskräfte das Motiv schärfen müssen
  4. Vom gewohnten Goal Setting zum radikalen Goal Stretching (Teil I)
  5. Vom gewohnten Goal Setting zum radikalen Goal Stretching (Teil II)
Plötzliche Minderleistungen stellen Führungskräfte vielfach vor ein Rätsel. Die einfache Rückführung auf einen Motivationsverlust hilft da nicht weiter. Stattdessen wird gezeigt, warum und wie eine Diskrepanz zwischen den wahren und den nur für wahr gehaltenen Motiven einen Mitarbeiter mit der Zeit in eine sehr schwierige Lage bringen kann. Lösungsvorschläge und die Rolle, die die Führungskraft dabei spielen kann, werden aufgezeigt.

Hadi Djunaedi/Shutterstock

Eine Minderleistung, die sich beim Mitarbeiter allmählich einschleicht, oder eine Mitarbeiterin, die die Leistung zwar noch hält, aber zunehmend erschöpft wirkt. Führungskräfte stehen dann vor einem Rätsel, wenn die Motivation zuvor stets hoch war und sich weder Aufgabe noch Arbeits- oder Lebenssituation verändert haben. Dann liegt möglicherweise nicht originär ein Motivationsproblem vor, bewirkt beispielsweise durch eine unattraktive „Belohnung“ für den geforderten Einsatz, sondern es handelt sich um die – überaus energieraubende – Folge einer Diskrepanz zwischen dem wahren Motiv, und dem, was für das wahre Motiv gehalten wird. Leadership Insiders verdeutlicht diesen Zusammenhang und zeigt praktische Lösungen auf.

Was sind Motive?

Motive sind die

Beweggründe des Handelns, die in ihrer spezifischen Kombination die Vorlieben einer Person zum Ausdruck bringen, etwas zu tun oder etwas zu lassen.

Dieser Beitrag ist Teil der Serie Motivation/Zielsetzung

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  4. Vom gewohnten Goal Setting zum radikalen Goal Stretching (Teil I)
  5. Vom gewohnten Goal Setting zum radikalen Goal Stretching (Teil II)
Wird ein Motiv durch die Situation angesprochen, entsteht die Motivation, so zu handeln, dass der Motivwunsch erfüllt werden kann. Motivation ist somit die gerichtete Folge eines „angereizten“ Motivs. Deren Stärke ist abhängig von der Stärke des Motivs und weiteren Faktoren.

Motive kann man von außen nicht sehen, sondern man muss sie erschließen. Man darf jedoch davon ausgehen, dass Menschen eine große Schnittmenge bezüglich der sie bewegenden Motive haben (Leistungsmotiv, Machtmotiv, Anschlussmotiv). Deren Aktualisierungsdrang ist individuell jedoch sehr unterschiedlich, beispielsweise aufgrund der genetischen Disposition, der Lebenssituation, der gemachten Erfahrung oder des Alters.

Das 3-K-Modell der Motivation

Das 3-Komponenten-Modell der Motivation, entwickelt von Hugo Kehr, Professor an der TU München, ist dann ein idealer Zugang für unser Ausgangsproblem (Leistungsverlust), sofern widerstreitende Motive infrage kommen. Konkret, wenn das implizite (unbewusste) Motiv nicht mit dem expliziten (bewussten) Motiv übereinstimmt. Beispielsweise möchte man jeden Wettbewerb gewinnen und sucht solche Situaton auf, fühlt sich eigentlich aber am wohlsten, wenn man seine Rolle im Team ohne ständigen Vergleich ausfüllen kann. Ziel muss es danach sein, unnötige Energien (Willenseinsatz bis zum Äußersten) für das, was uns motivational nicht authentisch repräsentiert, weitestgehend zu vermeiden und uns auf das zu konzentrieren, was wir wirklich wollen und auch gut können.

Das Motivationsmodell setzt bei der Selbstmotivation an, die sich aus den bereits angedeuteten drei Komponenten ergibt:

Das 3-K-Modell nach Kehr (2004)

  • Die impliziten Motive stehen für den emotionalen Bereich im Motivationsgeschehen (Bauch). Spaß, Hoffnungen, aber auch Ängste und Sorgen sind hier zu Hause. Sie beeinflussen unbewusst unsere Motivation und steuern darüber unser Verhalten mit. Oftmals (ver)leiten sie uns zu einer Spontanhandlung, damit wir dem nachgehen, was uns gerade Freude bereitet. Sie sind die Energiespender des Verhaltens, sofern sie aktiviert werden.
  • Die expliziten Motive stehen für den kognitiven Bereich im Motivationsgeschehen (Kopf). Hier sind die rationalen Absichten zu Hause, ebenso wie die bewusste Zielsetzung. Wenn Sie gefragt würden, was sie antreibt, beispielsweise in Auswahlgesprächen oder bei einer Führungskräftebefragung, greifen sie auf diese Motive zurück. Sie beeinflussen die Entscheidung, sobald man über etwas nachdenkt, formieren Auswahlprozesse und lenken das Verhalten auf das, was man (a) selbst für wichtig hält, (b) gelernt hat, was man für wichtig halten sollte oder (c) in dem Kontext, in dem man sich bewegt, als wichtig definiert ist (z.B. „Führungskräfte ab Level 3 gehen ins Ausland“). Die externen Motive werden oftmals auch externe Ziele genannt, weil sie in dieser Transformation das bewusste Streben danach, sowieso am zieldurchsetzten Arbeitsplatz, besser zum Ausdruck bringen.
  • Die subjektiven Fähigkeiten schließlich stehen für die Fähigkeiten, das Wissen und die Erfahrungen im Motivationsgeschehen, die benötigt werden, um eine Handlung effektiv und effizient ausführen zu können (Hand).

Die angenehme Situation:

Spielen alle Komponenten zusammen, so ist ein optimaler Zustand der Motivation zu erreichen, den man gemeinhin als Flow (Flusserleben) bezeichnet. Hier ist man ganz bei der Sache und geht in seiner Tätigkeit auf. Man hat die Situation im Griff. Kein Mensch kommt in dieser Situation darauf, sich mit Motivationsfragen zu beschäftigen. Warum auch. Ausland? Na klar! Freue mich jetzt schon.

Die unangenehme Situation:

Praktisch weniger erfreulich, theoretisch aber interessanter, ist, wenn die Komponenten nicht perfekt, oder sagen wir, nicht hinreichend gut, zusammenpassen. Da macht dann die (angedachte) Aufgabe keinen Spaß, obwohl ich weiß, wie wichtig sie (für mich) ist und ich sie vermutlich auch sehr gut hinbekomme. In diesem Falle kommt man solange klar, wie der Wille stark genug ist, das ungute Gefühl eines höheren Ziels wegen zu unterdrücken. Erst wenn die Willenskraft schwindet – und das kann zuweilen lange dauern –  beschleicht einen ein Gefühl der Überforderung, woraufhin die Leistung fällt und das Wohlbefinden sinkt. Eigentlich müsste man spätestens jetzt etwas anderes tun, aber dies geht nicht selten ohne größere Opfer. Also macht man in der Regel weiter, solange der Output toleriert wird, oder – schlimmer – man am „immer weiter“ erkrankt. Selbstkritische Reflexion könnte hier weiterhelfen, aber Individuen sind Meister des Verdrängens.

Kommen wir zurück zum konkreten Fall: eine anhaltende Minderleistung. Dem Modell entsprechend träte sie auf, wenn die impliziten Motive (Bauch) und die expliziten Motive (Ziele; Kopf) zueinander in Konflikt stünden. Die subjektiven Fähigkeiten spielen keine Rolle, weil sie in unserer Setzung ausreichten, um den externen Motiven gerecht zu werden.

Das Problem lautete dann kurz gefasst:

Ich will es, und kann es auch leisten, aber ich habe irgendwie keine Lust dazu.

Die Ziele haben in einer solchen Situation keine Basis, hängen quasi in der Luft, ihnen fehlt von sich aus jede Energie. Die eigentlichen Energiespender, die impliziten Motive, beispielsweise das Leistungsmotiv, feuern hier nicht. Der reine Wille (Volition) reicht nicht mehr, um die sich nicht natürlicherweise einstellende Energie über Disziplin zu ersetzen.

Strategien zur Vermeidung oder Verringerung einer Motivdiskrepanz

Das von außen diagnostizierte Motivationsproblem der Minderleistung ist nur gesund zu lösen, wenn es gelingt, Bauch und Kopf wieder zusammenzubringen. Dazu muss der Mitarbeiter aber wissen, wie stark seine impliziten Motive ausgeprägt sein. Da wären wir im Übrigen auch bei der Grundfrage des New Work gelandet: Zu wissen, was einem wirklich wichtig ist.

Nur, wie finde ich das heraus? Konkret: Welche meiner Ziele, die ich anstrebe und wofür ich möglicherweise von Dritten große Anerkennung erhalten, entspricht meinen impliziten Motiven im Besonderen?

Verkürzend empfehle ich zwei Wege zu gehen, und einen dritten ggf. anzuhängen

  • Introspektion (Selbstschau). Stellen Sie sich typische Arbeitssituationen vor und versuchen sie nachzufühlen, mit welchen Emotionen diese einhergehen. Woran hatte ich Freude, und was genau war es, das dieses Gefühl auslöste; wann war ich positiv überrascht, woran hatte ich mich festgebissen, ohne zu ermüden? Wofür benötige ich keine Belohnung, es zu tun. Und wo fühlte ich mich unbehaglich, wäre dem am liebsten aus dem Weg gegangen, hatte Befürchtungen, dass ich scheitere, oder spürte körperliche Symptome wie Bauchschmerzen oder Herzrasen? Warum war das so? Sind dies dann nicht nur einzelne Vorfälle, die immer passieren können und daher unbedenklich sind, sondern steckt dahinter eine Systematik bezüglich dessen, was mich bewegt oder hemmt, dann bin ich dem Problem bereits sehr nahe gekommen. Aber dazu zählt auch: Wie sähen Situationen wohl aus, die mich anziehen oder abstoßen?
  • Aufmerksamkeit im Alltag (Achtsamkeit). Notieren Sie während der Arbeitszeit oder im Nachgang ihre mit den Aufgaben einhergehenden Emotionen. Wie haben Sie sich beispielsweise bei dem Mitarbeitergespräch gefühlt, das Sie durchführten? Wie empfanden Sie die Situation, als Sie den Ergebnisbericht ihrem Vorgesetzten präsentierten? Wie verlaufen Ihre Kundengespräche? Fühlen Sie sich grundsätzlich in Meetings wohl? Auch hier können Sie selbst nach einem Muster suchen.
  • Kommen Sie für sich zu keinem Muster, was Ereignisse/Tätigkeiten/Situationen relativ eindeutig mit bestimmten Gefühlen/Emotionen in Verbindung bringt, so können Sie zunächst auch Freunde und Vertraute um Unterstützung bitten, oder sich professioneller Hilfe bedienen (Coach). Einschlägige Psychologen verfügen über Testverfahren, die die Ausprägung impliziter Motive ermitteln.

Die Idee ist dann, den impliziten Motiven mehr Raum zu gewähren. Trickreich ist die Selbstanalyse durchaus, deshalb ist Sorgfalt und/oder Anleitung geboten (Kehr 2004, 2009).

Was kann die Führungskraft tun?

Zunächst einmal keine vorschnellen Rückschlüsse aus einer Leistungsminderung ziehen. Die Motivationspsychologie gibt hierzu nämlich recht verschiedene Antworten. Von der Antwort hängen dann die Maßnahmen ab.

Eine aufgeklärte Führungskraft wird also in einem Gespräch diskutieren, in welchem Bereich die Gründe für die negative Entwicklung prinzipiell liegen könnten. Es käme aber realistischerweise darauf an, dem Mitarbeiter nur die verschiedensten Möglichkeiten vor Augen zu führen und ihn mit „Prüfragen“ bzw. Vorgehensmethoden zur Selbstanalyse zu versorgen. Die Antworten sind am Ende vom Mitarbeiter zu geben, aber persönliche Eindrücke des Vorgesetzten, die er aufgrund seiner durch die obigen Fragen angeleiteten Beobachtungen beispielhaft einbringt, könnten ein Anfang sein. Ob die Führungskraft selbst in eine Coachingrolle schlüpfen möchte, hängt von den eigenen Fähigkeiten, den Wünschen des Mitarbeiters und der Situation ab. Ich sehe das im Gegensatz zur Initiierung aber eher nicht. Und, dies am Rande, eine aufgeklärte Führungskraft wird sich spätestens nach solch einem Gespräch fragen, wie es denn um die eigene Motivkongruenz steht.

Es ist abschließend nachzuvollziehen, dass diese Art der Führung nur zu leisten ist, wenn die Vielfalt des Motivationsprozesses verstanden wird. Denn ob es sich um einen Motivkonflikt (bzw. Motiv-Ziel-Konflikt) oder beispielsweise ein willensbezogenes Umsetzungsproblem handelt, ist bei der Diagnose „Minderleistung“, „Leistungsabfall“ oder „Erschöpfung“ nicht sofort absehbar. Deshalb lohnt es sich nicht, den Ein-Prinzip-Ratgebern zu vertrauen. Wenn nur über heiße Kohlen zu laufen alles wäre, wäre die Welt so einfach, wie sie sich manche herbeisehnen. Ist sie aber nicht!

Kehr, H.M. (2004): Motivation und Volition. Funktionsanalyse, Feldstudien mit Führungskräften und Entwicklung eines Selbstmanagement-Trainings (SMT), Göttingen

Kehr, H.M. (2009): authentisches Selbstmanagement: Übungen zur Steigerung von Motivation und Willensstärke, Weinheim

Schiepe,-Tiska, A./Amann, D./Kehr H. M. (2014): Ich hab‘ Lust, ich will‘s, ich kann‘s. In: JuNGLeHRerPraxis, Heft I, S. 1-4

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