Minderleistung, Lustlosigkeit, Störgeräusche. Oft wird dafür schnell ein Motivationsproblem ausgemacht. Zu schnell. Denn was ist, wenn die Motivation eigentlich stimmt? Dann sollten Führungskräfte an das denken, was die Motivationspsychologen schon um 1900 wussten, wir aber weithin aus den Augen verloren haben: den unzureichenden Willen, der eine Fokussierung und damit den Erfolg erschwert. Leadership Insiders analysiert diesen Zusammenhang und zeigt praktische Lösungen auf.
Was ist Motivation?
Die Psychologen Falko Rheinberg und Regina Vollmeyer (2012, S. 16) verstehen unter Motivation
„die aktivierende Ausrichtung des momentanen Lebensvollzuges auf einen positiv bewerteten Zielzustand.“
Richard DeCharms hat es früher einmal eingängiger, aber ungenauer formuliert, indem er die Motivation als eine milde Form der Besessenheit bezeichnete. Dies verdeckt ein wenig den Blick dafür, dass bei einer Ausrichtung des Lebensvollzuges verschiedenste Prozesse im Erleben und Verhalten beteiligt sind, die sich hinter dem Motivationsbegriff verbergen. Ist das wichtig? Natürlich, denn nur, wer das erkennt, kann differenziert darauf eingehen. Das Hauptproblem für Dritte ist nämlich, dass man die Motivation nicht sehen kann, sondern man muss sie erschließen. Und das ist ein fehleranfälliger Vorgang.
In der Mitarbeiterführung ist es immer die Leistungsmotivation, die besonders im Blickpunkt der Führungskraft steht. Sie entspringt der aktivierenden Ausrichtung des Leistungsmotivs, einem von drei Basismotiven, die bei der Motivationsanalyse standardmäßig herangezogen werden. Die anderen beiden, nicht minder wichtig, sind das Machtmotiv (Einfluss ausüben) sowie das Anschlussmotiv (mit anderen zusammen sein). Aufmerksam werden Führungskräfte deshalb, weil die Leistungsmotivation mit Menge und Güte der Arbeitsleistung in Zusammenhang gebracht wird (vgl. Weibler 2016). Wird dann eine Minderleistung diagnostiziert, gar ein Verhalten beobachtet, was auf Lustlosigkeit schließen lässt, und womöglich noch das Team irritiert, ist die Ursache schnell ausgemacht. Es hapert grundlegend mit der Leistungsmotivation!
Der komplizierte Motivationsprozess
Was aber, wenn zentrale Fragen, die die Leistungsmotivation betreffen, vom Mitarbeiter zu Beginn der Aufgabenannahme (Dauer- oder Sonderaufgabe) positiv beantwortet wurden?
Nahe liegende Fragen wären beispielsweise:
- Ist die Attraktivität der Aufgabe hoch genug? (Macht die Arbeit Spaß?)
- Ist das Zutrauen zur Aufgabenbewältigung hinreichend? (Schaffe ich das?)
- Ist das, was aus der Aufgabenbewältigung resultiert, attraktiv? (Lohnt sich das für mich?)
Aber es gelang nicht, diesen absolut positiven Einstieg in entsprechende Ergebnisse zu transformieren und plötzlich hat auch die Führungskraft ein überraschendes Problem.
Die gute Nachricht ist, dass das Problem nicht unbekannt ist und in der Praxis häufig auftritt. Der deutsche Arzt und Psychologe Narziß Ach hat schon zu Beginn des 20. Jh. dieses Problem erkannt. Die Lösung ist, zwischen dem Antrieb, etwas zu tun (Motivation) und dem Willen, es auch zu Ende zu führen, zu unterscheiden. Warum? Nach getroffener Entscheidung zur bereitwilligen Aufnahme einer neuen Aufgabe, z.B. ein neues Verfahren zu erproben, muss diese Aufgabe nun auch einmal zu Ende gebracht werden. Genau dies läuft allerdings nicht immer glatt, denn plötzlich können Hindernisse auftreten. Technisch gesprochen stockt die „Handlungsrealisierung“, was nichts anderes bedeutet, als dass einem die Kontrolle über den Prozess entglitten ist.
Wie kann das passieren? Beispielsweise kann eine vorhandene Motivation sinken, weil eine potenzielle Konkurrenzaktivität an Attraktivität gewinnt. Könnte man frei wählen, würde man vielleicht die Erprobung des neuen Verfahrens abbrechen, um sich voll und ganz auf die Vorbereitung einer Auslandsreise zu stürzen, die soeben genehmigt wurde. Wir ahnen hier schon, dass aber nun auch bei der freudigen, noch unfertigen Planung der Auslandsreise wieder ein Motivationsverlust drohen kann, sobald ein weiteres, spannendes Projekt aufgegleist wird, bei dem man auch gerne dabei sein würde. Das beständige Hin- und Herspringen der Motivation führt am Ende dann zur Unzufriedenheit, weil so recht gar nichts klappen will. Ursache können daneben aber auch inhaltliche Rückschläge sein, die demotivieren oder auch Störungen, die die Konzentration nachhaltig behindern.
Andererseits ist es aber auch so, dass Menschen vielfach das Angefangene perfekt beenden. Dahinter steht dann das, was wir mit Narziß Ach als mitlaufenden Willensakt (1905/1910) oder technisch als Handlungskontrolle bezeichnen, und was dafür sorgt, dass das gegenwärtige „Projekt“ gegenüber anderen Motivationstendenzen „abgeschirmt“ wird.
Wir verdanken neuere Erkenntnis hierzu den Forschungen des Motivationspsychologen Julius Kuhl (1983). Er hat erkannt, dass vier Schritte zu gehen sind, damit die Handlungskontrolle funktioniert. Danach muss Klarheit darüber bestehen,
(1) was genau erreicht werden soll und (2) wo man gerade steht, sowie darüber, was (3) die Diskrepanz zwischen (1) und (2) genau ausmacht und (4), welche Handlung die Überwindung der Diskrepanz sicherstellt.
Personen, die diese Schritte immer gehen, werden handlungsorientiert genannt und diejenigen, die häufiger auf einer dieser Stufen verbleiben und das Ziel damit nicht oder extrem spät gerade so erreichen, lageorientiert. Handlungsorientierte haben deshalb in der Regel Erfolg, Lageorientierte (z.B. bei Schwierigkeiten im Bearbeitungsverlauf) eben nicht. Schlimmer noch: Sie können sich oftmals trotz des Nicht-Weiterkommens nicht von einem Projekt lösen und binden dadurch Energien, die ihnen anderswo fehlen, wo sie vielleicht weit besser zurechtkämen.
Überlegen Sie doch einmal: Kreisen die Gedanken nach einem Misserfolg immer nur um den Misserfolg, verharren Sie auf der Stufe 2, gegebenenfalls mit Beteiligung der Stufe 1, wo Sie dann Gedanken nachhängen würden, was Sie verpasst haben. Um Ihr Problem zu lösen, müssten Sie aber die Schritte 3 und 4 gehen.
Es verwundert deshalb nicht, dass die Frage nach der Handlungsorientierung in reflektierten Auswahlprozessen eine ganz besondere Bedeutung besitzt. Ergänzend sei angemerkt, dass diese 4-Stufen-Folge die analytische Zerlegung eines Prozesses ist, der uns selbst typischerweise nicht bewusst ist. Im unproblematischen Fall ist das auch nicht notwendig. Im Problemfall, wenn Reflexion notwendig ist, können korrigierende Maßnahmen allerdings dann ohne weiteres Wissen auch nicht passgenau herangezogen werden.
Strategien zur Stabilisierung der Handlungskontrolle im Motivationsprozess
Wie sehen also Strategien für Personen aus, die eine Handlung nicht ausreichend kontrollieren können? Auch hierzu hat sich der Motivationspsychologe Julius Kuhl (1987) Gedanken gemacht. Ich werde diese hier aus der Warte der Führungskraft heraus nachzeichnen und ein wenig weiterführen. Jedem bleibt dabei unbenommen, dies auch als Selbststeuerungsstrategie zu begreifen.
Um eine willentliche Handlungskontrolle zu erreichen, müsste die Führungskraft dem Geführten (1) zunächst dabei helfen, absichtswidrige Informationen auszublenden oder zurückzustellen, damit er sich auf das gegenwärtige Tun konzentrieren kann. Oft ist man, bei selbstkritischer Betrachtung, als Führungskraft dabei höchstselbst der Verursacher solcher Konzentrationsdefizite, weil man gedankenlos oder aus Aktualitäten heraus zusätzliche, auch unwichtige Aufgaben delegiert oder Berichte anfordert, die die Aufmerksamkeit beim Geführten ablenken. Sollte das Problem weniger durch Zusatzlasten entstanden sein, sondern durch Willensdefizite bei dem Geführten, kann, um einen meiner früheren Beiträge aufzugreifen, durch eine Verbesserung der Achtsamkeit relativ leicht eine Verbesserung gelingen (Aufmerksamkeitskontrolle).
Und dann ist (2) natürlich die Motivation noch einmal anzusprechen, die zu Beginn ja so positiv ausgeprägt war. Alleine das Sprechen über den vormals attraktiven Zustand kann hier revitalisieren. Dies könnte noch unterstützt werden, indem man verdeutlicht, wie wichtig die Aufgabe ist und wie positiv ein Erfolg von allen gesehen würde. (Motivationskontrolle).
Eng verwandt damit ist der nächste Punkt. Es wäre (3) nämlich zu prüfen, wie die mit einer Motivation stets einhergehenden Gefühle beeinflusst werden könnten. Es ginge darum, dem Mitarbeiter zu helfen, die im Verlauf entstandenen negativen Gefühle abzuschwächen und die eingangs vorhandenen noch einmal zu stärken. Dazu muss man wissen, dass eine Lageorientierung natürlich zu einer tiefgreifenden Unzufriedenheit führt, vor allem wenn, wie in diesem Fall, die Aufgabe ursprünglich wichtig gewesen ist. Wird hier zu spät darüber gesprochen, dann können die negativen Gefühle bereits zu viel Raum eingenommen haben, so dass kaum mehr eine Perspektive gesehen wird. Um dies zu vermeiden, bedarf es nicht zuletzt auch der Herbeiführung eines entspannten Zustandes und das Akzeptieren der entstandenen negativen Gefühle, die nun aber nicht länger fixiert werden sollten (Emotionskontrolle).
Schließlich muss (4) darüber nachgedacht werden, ob durch eine geschickte Gestaltung der Arbeitsumgebung konfligierende Motivationstendenzen nicht zurückgefahren werden können. Ein Einzelarbeitsplatz ist für die für jede Ablenkung dankbaren Zeitgenossen während der Hochphase eines Projektes sicherlich eine gute Option. Eine permanente Erreichbarkeit (Messenger) schwächt ebenfalls ein zielorientiertes Handeln, das einer großen Aufmerksamkeit bedarf (Umweltkontrolle).
Abschließend muss (5) sichergestellt werden, dass kein zu langes Abwägen über das, was zu tun ist, erfolgt. Den „Dreh“ nicht zu bekommen, ist Teil des Problems. Hier helfen vor allem realistische, in diesem Fall kurzgetaktete Setzungen von Besprechungen, um den Stand zu diskutieren und Entscheidungen zu treffen (sparsame Entscheidungsprozesse). Und bei anhaltendem Misserfolg (zu langsam, zu schlecht, anhaltende Missstimmung etc.) steht dann eine Entscheidung der Frage an, ob das Handlungsrepertoire des Mitarbeiters noch weiter ausgeschöpft werden kann oder ob abgebrochen werden muss. Vermehrte Abbrüche trotz konstruktiver Begleitung können dann für eine andere Verwendung oder für die Zuteilung einfacherer Aufgaben sprechen, die eine geringeren Willenseinsatz benötigen (handlungsorientierte Misserfolgsbewältigung).
Motivation kann beeinflusst werden
Auch wenn das Motivationsgeschehen in sich verflochten ist, stehen der Führungskraft viele Wege offen, produktiv auf Teammitglieder einzuwirken. Spannend sind hier besonders die Fälle, in denen eine hohe Leistungsmotivation allmählich – oder allzu plötzlich – kippt. Zu sehen ist, dass gleichermaßen Wissen, Geschick und Zeit benötigt wird, um als Führungskraft darauf gezielt eintreten zu können. Aber so ist das nun einmal mit der Führung.
Beim hier fokussierten „schwächelnden“ Willen (in der Motivationspsychologie spricht man statt vom Willen gerne von Volition) habe ich ein innerpsychisches Problem thematisiert. Damit ist klar, dass dafür durch einen äußeren „Eingriff“ keine sicheren Lösungen angenommen, sondern nur begründete Anregungen zum verbesserten Umgang erzielt werden können, was aber ausreichen mag. Und dabei gilt im Übrigen auch: Für Führungskräfte ist das Gesagte potenziell im Rahmen des eigenen Aufstiegs gleichermaßen relevant, nämlich dann, wenn die komplexeren Aufgaben nicht mehr mit der bisherigen Willensstärke ohne Weiteres abzuräumen sind. Selbstverständlich gibt es auch andere Gründe für einen Verlust der Leistungsmotivation. Einen überdies wichtigen werde ich später einmal aufgreifen, nämlich das Auseinanderfallen von impliziten Motiven und externen Zielen. Ganz ohne Berücksichtigung des Willens geht es aber auch da nicht.