Manche Führungskräfte machen sich ihr Leben selbst schwer. Sie hadern mit sich und verbalisieren Negatives beständig gegenüber sich selbst. Partiell ist dies nützlich, als dominante Strategie ein großes Problem, was die freie Sicht versperrt und leistungsmindernd ist. Wir gehen dem eingehend nach.

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Führungskräfte bereiten nicht nur die Wege vor, die dann mit anderen gegangen werden, sondern sind natürlich selbst aufgerufen, dies von einer starken eigenen Position heraus zu entwickeln. Selbstführung und Selbstmanagement sind Bereiche, die diese Position stützen. Mit der Selbstführung ist es aber so eine Sache: Vielfach gefordert, selten systematisch bedacht. Heute beleuchtet Leadership Insiders mit dem negativen Self-Talk ein Phänomen, das die produktive Selbstführung erschwert bis verunmöglicht und weist aus dieser Teufelsspirale der verbalen Selbsterniedrigung heraus.

Was ist Selbstführung?

Selbstführung („Self-Leadership“; Selbstbeeinflussung) fußt auf Erkenntnissen einer weit über den Führungsaspekt hinausragenden Diskussion zur Selbststeuerung sowie zum breiter gefassten Selbstmanagement, was auch durch Erkenntnisse aus der klinischen Verhaltenspsychologie inspiriert ist. Merken wir uns als Begriffsbestimmung doch dies:

Selbstführung ist ein umfassender kognitiver Prozess, der Individuen in die Lage versetzt, Kognitionen, Affekte sowie das Verhalten eigenständig hinsichtlich zu erreichender (selbstgesteckter) Ziele zu beeinflussen.

Der erneute Aufmerksamkeitsgewinn der Selbstführung ist übrigens durch die Wiederentdeckung des eigenen Selbst in der Führungsforschung, wie wir es z. B. besonders bei der authentischen Führung sehen, bedingt.

Die theoretische Basis des Konzepts der Selbstführung liegt in den Ansätzen zur Selbstregulation und zur Selbstkontrolle. Hinzu treten die soziale Kognitionstheorie sowie die Selbstbestimmungstheorie. Dieses schnell ins Normative gewandte Konzept („Führe Dich selbst“) kennt als einzelne Komponenten beispielsweise die Selbstbeobachtung, die Selbstzielsetzung, die Selbstbelohnung, die Selbstbestrafung und die positiven Selbstgespräche (Weibler 2023).

Negativer Self-Talk ist für eine effektive Selbstführung dysfunktional

Selbstgespräche sind neben der Gewinnung einer festen Überzeugung oder dem Imaginieren von als passend eingestuften Situationen übliche Formen der Auseinandersetzung mit sich selbst. Die Analyse eines solchen Selbstmonologes ist in verschiedenen Disziplinen Gegenstand vieler Betrachtungen. Während die letzten beiden verschiedene Zugänge erlauben (Recherchen, Gefühlserkundungen, Meditationen, achtsame Lebensführung usw.), ist das Wesen des Selbstgesprächs die Kommunikation mit sich selbst. Ein natürlicher Vorgang, der selbstredend auch Übersteigerungen kennt, die dann als klinische Sachlage behandlungsbedürftig werden, wie dies bei dem permanenten, ungewollten Hören von inneren Dialogen sowieso der Fall ist.

Selbstgespräche können einen positiven oder negativen Charakter besitzen. Positive Selbstgespräche sind förderlich, sie ermutigen, eröffnen einem realistische Perspektiven für zukünftiges Handeln und lassen einen vor sich selbst gut dastehen. Das beruhigt, motiviert und trägt dazu bei, unsere Ausstrahlung zu steigern – solange es nicht in eine toxische Positivität umschlägt.

Für uns geht es hier aber um negative Selbstgespräche, in denen wir uns gegenüber unvorteilhaft eingestellt sind, Schwachstellen herausstellen und alles bevorzugt in dunklen Farben sehen. Studien demonstrieren die negative Wirkung, die wir dadurch erzielen, wenn es sich häuft. Bei einer Häufung von nicht mehr selbstwertdienlichen Attacken gegen das bewusste Ich kann es nicht mehr als eine gelegentliche pessimistische, subklinische depressive Verstimmtheit abgetan werden. Dann wird die Negativität toxisch. Zwischendurch und situativ praktiziert, können negative Selbstzuwendungen hingegen helfen, Realitätssinn zu gewinnen, sich zu motivieren und relevante Ziele besser zu sehen. So ein Prozess wäre normal und nicht jede daraus resultierende Selbstbestrafung („Lernwochenende statt eines Badenachmittags an der alten Donau in Wien“) wäre kritisch.

Aber an dieser Stelle haben wir lediglich die destruktive Kraft eines Self-Talks vor Augen, denn dann denken wir gar nicht über eine Verbesserung nach, sondern kreisen allein um die Vorwürfe, die uns bis an eine gelernte Hilflosigkeit heranbringen, die die Selbstwirksamkeit, also die Überzeugung, dass wir in unserem Sinne auf die Welt einwirken können, aushebelt. „Wieder versagt“, „Warum habe ich mich erneut über den Tisch ziehen lassen“, „Ich finde nie jemanden, der mich unterstützt“ oder „Ich unfähiger Trottel“ sind hier einige gängige Formulierungen. Die große Gefahr ist, dass diese Aussagen internalisiert werden, sich unbewusst als handlungsleitende Ansicht von sich selbst manifestieren und die Gefühle, die sie erzeugen, als echt aus sich heraus erscheinen lassen, ohne sie als Folge dieses negativen Self-Talks rekonstruieren zu können. Ich werde dann der, dem ich gesagt habe, wie ich angeblich bin.

Wie kommt es dazu, so mit sich umzugehen? Lassen wir einmal die möglichen Ursprünge aus der Sozialisation und anderswie dysfunktional verarbeitete Ereignisse außen vor und folgen einer Konzeption von Pamela Butler. Für sie sind es sogenannte Driver, die uns allen sehr gut vertraut sind und ein derartiges verbales Verhalten provozieren können: Es sind die Leistungsanforderungen des Alltags in Organisationen, die – und das ist das besondere Problem – als immer intensiver, einnehmender und dringlicher in ihrem Einlösungsanspruch erlebt werden: Sei perfekt, Beeile dich, Sei stark, Mache andere glücklich (Vorgesetzte vor allem; J.W.) und Strenge dich an. Die Psychoanalytikerin Karen Horney sprach bereits 1950 (!) von einer Tyrannei des Sollens – und um wie viel härter wird dieses Sollen doch heute erlebt!

Stopper halten die Führungskräfte wiederum davon ab, ihren Gefühlen nachzugehen. Sehen wir davon ab, dass es sehr lange bei der rationalen Fiktion von Management gedauert hat, die Tatsache der Relevanz von Gefühlen im Arbeitsprozess und bei Entscheidungen in Organisationen zu akzeptieren – und heute nicht selten immer noch geleugnet wird – sind es innere Vorgänge wie die, beispielsweise aus kleineren Rückschlägen Katastrophen für sich selbst zu machen („Oh Gott, jetzt bin ich ja bei allen für immer unten durch“), oder das sich Einreden, nicht sich selbst sein zu dürfen („Ich muss mich hier zurückhalten, sonst bekomme ich Ärger“), die neben anderen den negativen Self-Talk ausmachen.

Confuser wiederum erlauben es der Führungskraft nicht, eine realistische Situationseinschätzung vorzunehmen und die eigene Rolle darin angemessen einzuordnen. So wird eine ausgebliebene Beförderung auf die eigene Unfähigkeit bezogen („Ich schaffe meine Aufgabe einfach nicht gut genug“), aber es wird nicht gesehen, dass eine unerwartete Budgetkürzung den Spielraum der Abteilung dafür auf null stellte und der eigene Vorgesetzte mit seiner Empfehlung scheiterte. Oder man befindet sich immerzu beispielsweise in einem Entweder-Oder-Denken („Hier fliege ich raus, wenn ich dieses Projekt nicht für mein Haus gewinne“). Gedanken werden verzerrt als Fakten gesehen. Natürlich kann jedes Ding im Einzelfall so für sich wahr sein, aber im Kern sind es generalisierte Übertreibungen und irrige Annahmen, die einen in eine solche Lage bringen, die nachfolgend im Kopf eskaliert.

Wie durchbricht man negative Selbstgespräche

“In a world crying out for effective leadership, you need to begin with the most obvious source – yourself”

Fowler 2019, S. 27

Es kann bei der Überwindung einer negativen Entwicklungsspirale nicht darum gehen, die eigene Person von jeglicher Mitwirkung an unerfreulichen Ereignissen zu exkulpieren. Selbstkritik, sofern konstruktiv, ist eine wesentliche Voraussetzung, zu lernen und sich zu verbessern. Es muss aber darum gehen, zu einer realistischen Bewertung zu kommen. Der Blick muss offenbleiben und soll nicht durch Vorurteile verzerrt werden, gerade wenn man sich selbst als üblichen Verdächtigen eines Scheiterns begreift. In gewisser Weise ist eine Überhöhung des Selbst in der tatsächlichen Verkettung von Ereignissen, die man nicht überschaut oder nicht überschauen will, weil man sich in dieser toxischen Negativität gut eingerichtet hat. So entfallen beispielsweise Konflikte mit anderen oder Anstrengungen zur Änderung von Situationen. Eine soziale Entfremdung auf Raten und fortlaufend von sich selbst, könnte man sagen. Aber das soll uns hier nicht weiter beschäftigen.

Stattdessen greifen wir hier eine empfohlene Lösungsstrategie auf, deren Befolgung eine Chance bietet, aus dieser toxischen Spirale herauszukommen. Die uns bereits vertraute Pamela Butler hat sie mit dem Akronym ASIPAR belegt:

  • A(dmit): Sich Gewahr werden, dass der Self-Talk ungut für einen ist.
  • S(elect): Was genau läuft schief? Werden Gefühle verletzt, wird das eigene Verhalten angezweifelt, wird Stress provoziert, werden Beziehungen belastet oder wird der Selbstwert angegriffen?
  • I(dentify): Dann ist eine genauere Identifizierung angesagt: Was sind die Treiber (Driver), was hemmt mich (Stopper) und was verwirrt mich (Confuser)?
  • P(ermit): Jetzt, wo alles klar ist, sollte der eigene Zustand erst einmal akzeptiert werden. „So ist es“.
  • A(ction): Nun gilt es, einen handhabbaren Aktionsplan in Form von Ich-Botschaften zu entwickeln. Dazu sind Erkenntnisse aus Programmen zur Verhaltensänderung heranzuziehen, z. B. bereits kleinere Fortschritte zu belohnen.
  • R(eflect): Wo stehe ich und was kann ich daraus für meine alltägliche Führungsarbeit lernen?

Positive Gefühle dem Selbst gegenüber entwickeln

Aus Sicht der Forschung ist es leider schwierig, den Self-Talk live zu untersuchen (Brinthaupt/Morin 2023). Seiner Natur gemäß ist er von außen nicht zu beobachten. In der Regel muss er durch z. B. Tagebücher rekonstruiert werden. Wenn Personen über den Tag aufgefordert werden, zu prüfen, ob sie ihn gerade praktizieren, wird er zwar registriert, doch unterbrochen, was die Bestimmung eines Phasenverlaufes und eine Abschätzung des Ausmaßes an Wirkung erschwert. Praktisch gesehen kann es wiederum ein Ziel sein, Unterbrechungen herbeizuführen, das am Rande.

Wir wissen jedoch inzwischen, dass es verschiedene Formen des Selbstgespräches gibt, an denen unterschiedliche Gehirnregionen in unterschiedlicher Gewichtung beteiligt sind. Dies legt nahe, therapeutisch mehrere Zugänge finden zu können, vielleicht sogar zu müssen. Dialogorientierte Apps wären bereits jetzt hilfreich, sofern sie die hinterlegten und adaptiv aktivierten Monologe der Maschine nach außen für den Nutzer verbalisierten und dadurch den Adressaten an seine Selbstmonologe erinnerten, ihm im besten Fall günstigere Rückführungsmuster offenbarten, beispielsweise sein Missgeschick in einen größeren Rahmen stellten oder praktikable Schritte für die Zukunft im Umgang mit solchen Situationen auswiesen.

Wichtig ist für mich heute, das Phänomen des negativen Self-Talks anzusprechen und seine toxische Wirkung bei Übersteigerung anzusprechen. Allein die Reflexion darüber wäre ein Anfang, unschöne Entwicklungsspiralen des Selbst nicht einfach durchlaufen zu lassen. Besser noch, man arbeitet mit dem „Material“, denn empirisch wurde festgestellt, dass durch aktives Arbeiten an und mit negativem Self-Talk positivere Effekte erzielt werden könne, als wenn – wie beispielsweise hier – das Dunkle erhellt und nützliche Informationen für das Finden des Ausgangs gegeben werden.

Schafft man es nicht alleine, wozu auch Situationsänderungen gehören können (bis zum Verlassen des „Feldes“), bietet sich neben dem Hinzuziehen freundschaftlicher oder kollegialer Ratschläge eine professionelle Hilfe an. Letztendlich wird zur Bewältigung dazu gehören, sich selbst einem Perfektionierungswahn zu entziehen und den eigenen Möglichkeiten gemäß zu handeln und sich dort aufzuhalten, wo dies erlaubt, gar gefördert wird. Die positive Psychologie gibt eine heute in der Arbeitswelt geschätzte Richtung vor, welche Inhalte mit einem das Selbst stärkenden Gespräch verbunden werden können.

Anmerkung:

Ich danke Frau Nadine Nonnenmacher für wertvolle Vorarbeiten.

Brinthaupt, T. M. / Morin, A. (2023): Self-talk: research challenges and opportunities. In: Frontiers in Psychology, 14(July), online print

Butler, P. E. (1983): Talking to yourself. Learning the language of selfsupport,San Francisco: Harper & Row

Fowler, S. (2019): Master your motivation: Three scientific truths for achieving your goal, Oakland

Horney, K. (1950): Neurosis and human growth. The struggle toward self realization. New York

Weibler, J. (2023): Personalführung, 4. Aufl., München