Dareios I. (um 500 v. Chr.) war ein Großkönig des persischen Achämenidenreichs. Ob seiner Bedeutung wurde er auch „der Große“ genannt. Berühmt wurde sein Tatenbericht. Dieser ist in den Reliefs der altpersischen Stadt Persepolis verewigt. Bezüge bestehen zur vielleicht ersten monotheistischen Religion, dem weit früher entstandenen Zoroastrismus (bekannt im deutschen Sprachraum durch Nietzsches „Also sprach Zarathustra“). Seine hierauf referenzierende zentrale Botschaft ist, das Recht zu lieben und das Unrecht zu hassen. Entsprechend: Das Gute zu wählen und das Böse zu verdammen. Spätestens jetzt war der für alle nun in Stein gemeißelte und nicht nur mündlich überlieferte Auftrag eines guten, weil gerechten Herrschers nicht mehr ohne Gesichtsverlust zu hintergehen.

Gerechtigkeit als Topos und Maßstab ist in frühesten Gemeinschaften also bereits das zentrale soziale Thema. Seitdem wird sie breit und explizit aufgegriffen. Nennen wir hier allein die griechische Tugendlehre, für die Aristoteles in seiner Nikomachischen Ethik mit Blick auf die Gerechtigkeit gleich ein ganzes Buch vorsah und damit deren Bedeutung als wichtigste (moralische) Kardinaltugend, die eine andere Person mitdenkt, einstufte. Oder denken wir an die christliche Heilslehre („Denn ich bin der HERR, der das Recht liebt und Raub und Unrecht hasst“; Jesaja 61, 8; Lutherbibel 2017), die für die europäische Tradition politisch wie gesellschaftlich formend gewesen ist.

Angesichts des Wissens um diese Bedeutung muss es eigentlich verwundern, dass die Bedeutung von Gerechtigkeit in Führungsbeziehungen in der Führungspraxis weder hinreichend erkannt, thematisiert noch gelebt wird. Es ist sicher, dass eine Führungsbeziehung wie jede soziale Beziehung von einer (permanenten) Ungerechtigkeitserfahrung negativ berührt wird, ebenso wie die Tatsache, dass als gerecht wahrgenommene Prozesse und Verteilungen wie ein gerechtes Miteinander eine Führungsbeziehung positiv beeinflussen. Die empirische Forschung hat die Auswirkungen von Gerechtigkeitsurteilen sehr gut dokumentiert und kann als instrumenteller Ansporn dienen, Gerechtigkeit in seinem Verantwortungsbereich anzustreben.

Sicher, im Konkreten ist das, was einem zusteht, was also auf Basis berechtigter Ansprüche idealerweise zu erfüllen wäre, oftmals strittig, doch ist hier bereits mit gesundem Menschenverstand vieles zu erreichen und gröbste Fehler können vermieden werden. Deshalb empfehle ich Führungskräften, noch mehr als bisher auf ein gerechtes Verhalte zu achten, abzuwägen und zu bedenken, dass Menschen sich bei ihrer Gerechtigkeitsbeurteilung auch daran orientieren, was anderen (z. B. Teammitgliedern) widerfährt.

Leadership Insiders lieferte auch in 2023 wieder wissenschaftlich fundierte Impulse, von denen Führungskräfte für die Entwicklung einer gelingenden Führungsbeziehung profitieren können. Drei Texte lege ich hierfür zur (erneuten) Lektüre nahe. Gerechtigkeit ist zwar nicht ihr expliziter Gegenstand, doch das dort niedergelegte Führungswissen trägt dazu bei, sein Verhalten daran gezielter ausrichten zu können:

  • Im Interview „Personalführung ist nicht so easy – Teil II“ – äußere ich mich zu grundlegenden wie aktuellen Führungsfragen. Gut geeignet, um bei Führungsfragen noch fundierter mitreden zu können. Wer eine resonante Führungsbeziehung sodann anstrebt, strebt gerechte Führungsbeziehungen an.
  • Im Beitrag „Arbeit, Gesundheit und Wohlbefinden“ referiere und kommentiere ich Befunde, die eine nachhaltige Führung im Blick haben. Nachhaltigkeit wird zunehmend mit Gerechtigkeit verknüpft.
  • In der Ausarbeitung „Quiet Quitting“ wird von mir die Frage nach dem Verhältnis von Arbeit und Nicht-Arbeit und der jeweiligen Relevanz für Person und System gestellt, was das individuelle wie gesellschaftliche Gerechtigkeitsverständnis berührt und dadurch Wirtschaft und Gesellschaft aufeinander bezieht.

Wir alle wissen, dass dort, wo Führungskräfte eigene Machtvorstellungen rücksichtslos verwirklichen wollen, tradierte Gerechtigkeitsvorstellungen oftmals auf der Strecke bleiben. Interessanterweise sind aber auch diese Personen (Regime) weiterhin bemüht, ihr Verhalten als „gerecht“ darzustellen. Und wir wissen ebenfalls, dass in Organisationen das eigene, um Gerechtigkeit bemühte Verhalten nicht zwingend in der Hierarchie goutiert wird. Nichts steht eben in der Führungspraxis für sich allein, selbst die Gerechtigkeit nicht, aber sie ist schon ein Pfund für eine gelingende Führungsbeziehung.

Die Frage an sich ist jedoch: Was wollen Sie selbst? Wofür stehen Sie? Welche Wahrnehmung der eigenen Person erfreut Sie? Deshalb, meine Empfehlung, sollten Sie für sich als Führungskraft von vornherein eindeutig Ihre Position zur Gerechtigkeit formulieren, die – möchten Sie sich an Weisheitstraditionen orientieren – wie folgt lauten könnte:

Ich handle gerecht, nicht weil ich erfolgreich sein will, sondern weil ich anständig sein möchte