Was eigentlich ist die Leistung, die sich in einer Organisation manifestiert und weithin deren Wohl und Wehe determiniert? Leistung, so die Antwort, ist ein überaus vielschichtiges Phänomen und lässt sich mit Blick auf verschiedene Betrachtungsebenen ganz unterschiedlich bestimmen. Werden diese divergenten Komponenten jedoch verbunden, so ergibt sich das, was quasi als Leistungssystem einer Organisation verstanden werden kann. Im Folgenden werden diese Komponenten entlang einer aktuellen Studie von Jason D. Marshall und seinen Mitstreitern vorgestellt und miteinander verbunden.

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Leistung ist ein zentraler Gradmesser unserer Wirtschaft und Gesellschaft, sie soll sich lohnen, sie muss aber auch gefordert und gefördert werden. So heißt es immer wieder. Und natürlich ist Leistung, häufig konnotiert als Mehr- oder Minderleistung, von höchster Relevanz für Organisationen und es gilt, Strukturen und Kulturen leistungsförderlich zu gestalten. Welche organisationalen Settings begünstigen – oder verhindern – nun aber Leistung und welche Bedeutung haben individuelle Qualifikationen hierbei? Leadership Insiders führt aus, wie dies alles zusammen zu denken ist.

Die verwirrenden Annäherungen an die Leistung im Organisationskontext

Jason Marshall von der Creighton University, einer privaten Universität in Omaha, Nebraska, hat sich mit Mitstreitern der Mühe unterzogen, alle Theorien zu identifizieren und zu analysieren, die die Leistung von und in Organisationen zum Gegenstand haben. Gefunden haben die Forschenden am Ende 239 relevante Theorien! Kaum überraschend ist dabei, dass Leistung extrem unterschiedlich definiert wird, so beispielsweise als ein kritischer Prozess, der auf eine Input-Output-Transformation abzielt (und dann kommt es auf eben diesen Prozess an!) oder als einfach festzustellendes Ergebnis der Unternehmenstätigkeit (z.B. Gewinn) oder als Resultat der Tätigkeit eines Individuums (z.B. in Form einer Zielerreichung).

Die von Marshall und Kollegen jüngst (2024) veröffentlichte Untersuchung zur bestehenden Divergenz sowie auch zur angestrebten Integration der vielfältigen Theorien zum Thema „Leistung“ umfasst Arbeiten aus den Bereichen Management,  Organisation, Strategie, Corporate Finance, Public Administration und andere mehr , wobei es möglich erschien, grundlegend zwischen der Leistung der Organisation (v.a. von Unternehmen) und der Leistung von Individuen zu trennen. So lässt sich dem ersten Bereich beispielsweise die „Dynamic Capabilities Theory“ zuordnen, die die Fähigkeit eines Unternehmens beschreibt, interne und externe Kompetenzen umweltadaptiv aufzubauen (vorhandene oder durch Zukauf/Kooperation) und geschickt zu kombinieren. Exemplarisch für den zweiten Bereich ist die „Affective Events Theory“, welche erklärt, wie Stimmungen und Emotionen auf die Arbeitsleitung wirken und diese beeinflussen. In der Summe war durch eine einfache Draufsicht auf diese Menge an Theorien kein gemeinsamer Nenner zu finden. Deshalb wurden Computeranalysen genutzt, um Zusammenhänge zu finden.

Eine Kombination von Komponenten bestimmt die Leistung im Organisationskontext

Wir haben es natürlich schon geahnt, dass es eine einfache Lösung hier nicht gibt. Das fängt schon bei der Bezeichnung des Verdichtungsergebnisses an: Sechs meta-theoretische Konstrukte wurden generiert, wodurch immerhin eine  gute Übersicht gewonnen wird. Spannend ist aber nun, wie diese Konstrukte benannt werden und vor allem, aus welchen Komponenten sie bestehen. Diese Komponenten sind es nämlich, die uns unmittelbar mit der Arbeitswelt verbinden. Im Folgenden wähle ich hierfür eine Darstellung, die vom Vorgehen der Autoren abweicht, eine reine Theorieclusterung zu betreiben, sondern diese Cluster sofort als Gestaltungscluster ansieht und sie dementsprechend bespricht.

Den sechs Konstrukten werden je drei organisationsbezogene und drei individuumsbezogene Leistungsdimensionen zugeordnet. Zu den organisationsbezogen zählen die Fähigkeiten (Capabilities), die Strukturen (Structures) und die Transaktionen (Transactions). Zu den individuumsbezogenen zählen Rollen (Roles), Beziehungen (Relationsships) sowie das Akronym „KSAOs“, welche v.a. die Aspekte Wissen, Fertigkeiten und Fähigkeiten umfasst.

Glücklicherweise erfahren wir auch noch mehr Einzelheiten:

Bei den Capabilities geht es darum, wie flexibel die vorhandenen Ressourcen in der Organisation genutzt werden können. Am Ende steht dahinter Anpassung und Innovation. Bei Strukturen denken wir an die formale Konfiguration von Aufgaben, Routinen und Prozessen, also mehr oder minder dem, was wir als Aufbau- und Ablauforganisation verstehen. Funktionsbereiche, Standardisierungen, Bürokratie, Hierarchie usw. fallen uns da direkt ein. Bei den Transaktionen geht es darum, wie Güter, Services und Finanzströme innerhalb der Organisation und außerhalb mit ihren Partnern getauscht werden, welche Rollen die Kosten für solche Transaktionen spielen, wie Vertrauen diese beeinflusst und vieles mehr.

Bei den KSAQs wird unsere Aufmerksamkeit auf das gelenkt, was wir bereits bei der Ausschreibung und im Einstellungsprozess beachten: hartes Wissen, spezifische Fertigkeiten und Begabungen sowie ein empathisches Wesen, intrinsische Motivation, Identitätsvorstellungen und mehr. Aber auch, wie die Organisation Rollen definiert und die Vielfalt von Erwartungen praktisch zu koordinieren versteht, ebenso wie die Aktivierung von Eigenschaften, beispielsweise durch die Gestaltung von Arbeitssituationen. Erfolgskritisch auch, welchen Stellenwert Beziehungen besitzen, welche Prozesse genutzt werden, um beispielsweise Führungsbeziehungen zu formen usw.

Interessant ist schließlich die Beobachtung, dass sich organisations- und individuumsbezogene Konstrukte spiegeln, was für die Autoren Anlass ist, Leistung von  einer noch höheren Warte aus zu beschreiben, indem sie von einer CORE-Performance sprechen (Performance, Capacity, Opportunity, Relevant Exchanges):

P = C+O+RE

Folgerung

Dieses große Bild sollte man nach der Überlegung der Autoren vor Augen haben, um sich mit der Leistung von und in Organisationen zu beschäftigen. Es zeigt uns allen, dass Leistung integrativ gedacht werden sollte und unterschiedliche Konfigurationen innerhalb einer Organisation und in der Sicht auf die Organisationsgrenzen annehmen kann. Für Führungskräfte heißt dies, selbst den Blick zu weiten und Leistung, wie an einer anderen Stelle einmal näher ausgeführt, integral in Richtung eines Leistungssystems zu denken. Strategie, Organisation, Kultur und das individuelle Vermögen von einem selbst und das der Mitarbeitenden sollten zusammenhängend und dynamisch gedacht werden, um ein Leistungsoptimum aus Organisationssicht zu bilden. Natürlich kann das alles eine Führungskraft, selbst auf der CEO-Ebene, nicht allein herbeiführen, aber es ist für eine angemessene Sicht der Dinge unerlässlich und beugt sowohl falschen Allmachtsphantasien wie unbegründeten Frustrationen vor. Und dann wissen wir aus vielen Praxisschilderungen sehr gut, dass das Glück ein nicht unerheblicher, ungern thematisierter Faktor ist, um Leistung zu erzielen.

Marshall, J.D. /Aguinis, H. /Beltran, J. B. (2024): Theories of performance: A review and integration. In: Academy of Management Annals (online first)