Dieser Beitrag ist Teil der Serie Motivation/Zielsetzung

Andere Beiträge in dieser Serie:

  1. Zielerreichung durch Zielfixierung – weg mit dem Plan B!
  2. Motivation und Wille – Wann Führungskräfte die Willenskraft stärken müssen
  3. Motivation und Motiv – Wann Führungskräfte das Motiv schärfen müssen
  4. Vom gewohnten Goal Setting zum radikalen Goal Stretching (Teil I)
  5. Vom gewohnten Goal Setting zum radikalen Goal Stretching (Teil II)

Ziele zu haben, ist essenziell. Und ihre Erreichung mitunter existenziell. Das gilt für den Einzelnen im Privaten, aber natürlich auch im Beruflichen. Und es gilt für Organisationen. Jegliches Streben nach Zielerreichung hat dabei ein gemeinsames Moment: Der Erfolg ist unsicher. Um die Erfolgschancen zu vergrößern, wird ein Plan entwickelt, der das Handeln zielkonform ausrichtet. Dieser sieht beispielsweise vermehrte Kundenbesuche zur Erreichung eines Umsatzzieles vor. Das war’s. Oder es wird gleichzeitig darüber nachgedacht, was bei einer Zielverfehlung zu tun ist: Das neue Produkt wird an einen befreundeten ausländischen Partner verkauft, der bereits Interesse signalisiert hat. Das ist dann der Plan B. Reden wir über das „Oder“.

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Andere Beiträge in dieser Serie:

  1. Zielerreichung durch Zielfixierung – weg mit dem Plan B!
  2. Motivation und Wille – Wann Führungskräfte die Willenskraft stärken müssen
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  4. Vom gewohnten Goal Setting zum radikalen Goal Stretching (Teil I)
  5. Vom gewohnten Goal Setting zum radikalen Goal Stretching (Teil II)

Motivationsforschung zeigt Nutzen von Plänen zur Zielerreichung klar auf

In der Motivationsforschung ist es unumstritten, dass das Setzen von Zielen leistungsfördernd wirkt. An die Ausgestaltung der Zielsetzung sind dann gewisse Bedingungen geknüpft (z.B. Zielklarheit). Mit dem Setzen von Zielen ist es allerdings nicht getan. Man muss sich wie angedeutet auch über den Weg Gedanken machen, wie dieses Ziel zu erreichen ist. So haben viele empirische Studien gezeigt, dass das Planen, also die Art und Weise, wann, wo und wie ein gegebenes Ziel, sagen wir ein Karrieresprung, anzugehen ist, die Zielerreichung fördert. Pläne zu entwerfen lernen Führungskräfte bereits in der Ausbildung, im Projektmanagement oder durch Coaching.

Gustavo Frazao / Shutterstock

Gustavo Frazao / Shutterstock

Ziele werden auch dann besser erreicht, wenn die Führungskraft sich verschiedene Wege überlegt, wie das Ziel erreicht werden könnte. Ist das Ziel beispielsweise ein Karrieresprung über die Einnahme einer Projektleitung, kann der gesteckte Plan zunächst vorsehen, sich für die Projektleitung über eine Weiterbildungsmaßnahme zu qualifizieren. Erkennt die Führungskraft, dass dies alleine nicht reicht, versucht sie, die sichtbare Leistung im Aufgabenbereich zu erhöhen. Greift auch dies nicht, übernimmt sie vielleicht die letzte Option, die ihr Plan vorsieht, freiwillig eine ungeliebte Auslandsreise zu tätigen, um die Einsatzbereitschaft augenfällig zu demonstrieren. Scheitert auch dies, wird neu geplant, um den Karrieresprung doch noch zu erreichen. Sie bewirbt sich intern für eine zweijährige Tätigkeit im Ausland.

Offensichtlich ist in diesem Beispiel, dass die Führungskraft an ihrem eigentlichen Ziel, dem Karrieresprung in der jetzigen Organisation, beständig festhält. Ihre Alternativen beziehen sich nur darauf, wie dieses Ziel bestmöglich erreicht werden kann. Ein Plan B existiert nicht.

Der Plan B

Soweit so gut. Jihae Shin und Katherine L. Milkman von den Universitäten Wisconsin-Madison und Pennsylvania (Wharton Business School) haben sich in einer hoch interessanten Experimentalstudie nun gefragt, welchen Einfluss ein Plan B auf die Zielerreichung des ursprünglichen Planes besitzt. Dies ist offensichtlich keine rein akademische Übung. Wie oft hören wir beispielsweise die Frage: „Was machen Sie, wenn…“. Und hören die Antwort: „Ja dann switche ich um, und nun mache was ganz anderes. Ich habe immer einen Plan B“.

Bezogen auf unser obiges Beispiel könnte das Folgendes sein: Wenn die Führungskraft erkennt, dass die Weiterbildungsmaßnahme keine Früchte trägt, der ursprüngliche Plan also misslingt, ist ihr von vornherein klar, dass sie die Organisation verlassen wird. Sie verspricht sich dann größere Chancen für einen Karrieresprung anderenorts. Das ist ihr Plan B, den sie im Kopf hat.

Plan B beruhigt

Ein Plan B hat unbestreitbar einen psychologischen Vorteil. In einer unsicheren Umwelt eröffnet er eine Option, die das Risiko des Scheiterns als nicht mehr so bedrohlich erscheinen lässt. Es beruhigt zu wissen, dass es auch andere Wege gibt, das ursprüngliche Ziel zu erreichen, sollte sich Misserfolg bei dem eigentlich präferierten Weg einstellen. So lebt es sich entspannter. Dies kann jeder gut nachvollziehen

Plan B führt zur Zielverfehlung

Eher überraschend ist deshalb, was Shin und Milkman in ihrer Arbeit, an der knapp 800 Personen teilnahmen, herausgefunden haben – dass ein Plan B nämlich von vornherein die Erfolgswahrscheinlichkeit senkt, das ursprüngliche Ziel zu erreichen. Das Autorengespann hat drei Experimentalstudien durchgeführt, die dies zeigen. Hierbei ging um eine intellektuelle Aufgabe, die bei hoher Leistung einen Bonus vorsah. Während einer Gruppe nur dieser Zusammenhang verdeutlicht wurde, wurde einer anderen Gruppe aufgetragen, schon einmal zu überlegen, wie sie diesen Bonus auf alternativem Weg erreichen könnte (z.B. durch eine Einsparung anderenorts).

Die Ergebnisse lassen aufhorchen. Die Gruppe, die vorab über keine Alternative nachdenken sollte, erbrachte eine höhere Leistung. Warum ist das so? Wir sind hier im komplexen Feld der Motivation und Emotion. Erklärt wird die schlechtere Leistung durch einen Motivationsverlust, der entsteht, wenn eine Ausweichoption vorliegt. Dies führt dazu, dass die Führungskraft nicht mehr die maximale Motivation entwickeln kann, weil sie weiß, dass sie immer noch andere Chancen bei Misserfolg hat. Beim Handeln ohne Plan B entstehen dagegen größere negative Emotionen, die mit der Vorstellung des Scheiterns verbunden sind. Dies nicht, weil man Misserfolg befürchtet, so meine Sicht darauf, sondern eher, weil die Zielerreichung so attraktiv ist und man am Ende mit gar nichts dasteht. Das besitzt Frustrationspotenzial. Diese Vorgehensweise ist natürlich die riskantere, aber sie setzt mehr Kräfte frei und verlängert die Motivationsphase. Man darf empirisch gestützt annehmen, dass Führungskräfte, deren implizite (d.h. nicht von außen erkennbaren, aber im Innersten lebendigen) Motive mit der expliziten (d.h. der selbst bewussten, gar geäußerten) Zielsetzung hoch korrelieren, diese Anstrengung maximal halten können.

Es ist eigentlich ganz hilfreich, wenn man keinen Plan B hat… Es würde ja nichts bringen. Es gibt keine Alternative…

Dirk Darmstaedter, Musiker (2016)

Damit sind wir aber schon mitten bei den Volitionstheorien der Motivation angelangt (siehe dazu Weibler 2016 und die dortigen umfänglichen Motivationsbetrachtungen).

Ziele unbeirrt verfolgen?

Es gilt zu betonen, dass die Studienergebnisse aus wissenschaftlicher Sicht durchaus eindrucksvoll und plausibel sind. Sie müssen aber noch weiter gefestigt und präzisiert werden. Ein erster Blick raus aus dem Labor war jedoch bereits ermutigend. Ich denke jedenfalls, dass Führungskräfte den zentralen Befund durchaus im Kopf behalten sollten. Er korrespondiert mit dem, was erfolgreiche Zeitgenossen, gerade in Extremsituationen, oftmals äußern: „Einen Plan B gab es nie für mich!“. Zudem wissen wir aus der Motivationspsychologie (z.B. Langens 2004), dass eine zu frühe Imagination einer Zielerreichung damit verbundene positive Emotionen abschwächt (z.B. stellt sich erste Zufriedenheit ein), was dann die Zielerreichung gefährdet. Bei der Wahl des richtigen Ziels sieht es im Übrigen deutlich besser mit der Auswirkung der Imagination aus; ebenso bei der Imagination von Wegen zur Zielerreichung etc. Persönlichkeitsfaktoren lassen weitere Differenzierungen zu.So oder so ist es klug, das Ziel erst mit dem Überschreiten der Ziellinie als erreicht anzusehen, gewissermaßen also auch die Nachspielzeit konzentriert zu spielen.

Die wichtigste Einschränkung habe ich jedoch extra bis zum Schluss aufgespart: Der Verzicht auf den Plan B gilt nur für Ziele, die ich im Wesentlichen selbst beeinflussen kann. Soll heißen: Je weniger die erfolgreiche Zielerreichung in meinen Händen (oder auch eines Teams) liegt – sondern in den Händen vieler oder mächtiger Anderer, oder dem völligen Zufall unterliegt – desto besser ist es in diesem Falle, einen Plan B in der Schublade zu wissen. Der Grad dessen, was man persönlich für erreichbar hält, ist also das, wovon die Erstellung eines Plan B theoriegemäß abhängt. Und in dieser Überzeugung bzw. Lagebeurteilung unterscheiden sich Menschen fundamental. Wo sehen Sie sich da eigentlich selbst?

Udo Lindenberg

Udo Lindenberg / Fotografin: Tine Acke

Unternehmer, Gründer, Selbständige oder Innovatoren, so meine erweiterte Interpretation der Studie, sollten sich bei ihrer Initialentscheidung nicht allzu viel gedanklich mit Alternativplänen beschäftigen. Für Musiker gilt dies wohl ebenso…

Ich werde mich nicht ändern, werd’ kein anderer mehr sein. Ich habe tausend Pläne, doch‘n Plan B brauch ich kein

(Udo Lindenberg, zeitlos)

Langens, T.A. (2004): Positive Zielimaginationen: Gefahren und Alternativen. In Wegge, J. & Schmidt, K-H. (Hrsg.), Förderung von Arbeitsmotivation und Gesundheit in Organisationen, Göttingen, S. 65-86

Shin, J./Milkman, K.L. (2016): How backup plans can harm goal pursuit: The unexpected downside of being prepared for failure. In: OBHDP, 135, 1-9

Weibler, J. (2016): Personalführung, 3. Aufl., München

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