Wir alle treffen Entscheidungen. Mal gelingen sie, mal nicht. Unterliegen Entscheidungen sogenannten Entscheidungspathologien, führen sie schnell zu sehr ungünstigen Entscheidungen.  Wann aber treten sie auf? Mehrere Gründe wären anzuführen, doch nach der sogenannten Heuristics-and-Biases-Forschung von Amos Tversky und Daniel Kahneman (1974) sowie weiteren Studien dazu vor allem dann, wenn mit Blick auf die vorliegenden Informationen nicht rational entschieden wird, beispielsweise unter Stress oder weil Wahrscheinlichkeiten von Ereignissen nicht richtig in ihrer Bedeutung verstanden werden. Stattdessen greifen Menschen auf Heuristiken zurück – einfache Faustformeln (Daumenregeln) oder mentale Abkürzungen, die die Informationsverarbeitung erleichtern. Diese Heuristiken sind zwar oft nützlich, weil sie den mentalen Aufwand verringern, können jedoch auch zu schweren und systematischen Fehlern führen. Dazu nun mehr.

Entscheidungspathologien durch Nutzung von Heuristiken

Die Erforschung von Entscheidungen im Bereich der Wirtschaftswissenschaften beschränkte sich, im Gegensatz zur Psychologie, lange vor allem auf ein Verständnis von Rationalität als klassischer Logik. Ganz im Sinne des ureigenen Zwecks des Wirtschaftens, der bestmöglichen Verwendung knapper Ressourcen, wurde dabei angestrebt, durch logische Deduktion die jeweils optimale Lösung für ein gegebenes Entscheidungsproblem zu finden. Spätestens seit der Mitte des letzten Jahrhunderts gehört dieser auch unter dem Namen Rational Choice Theorie bekannt gewordene Ansatz zu den dominierenden Paradigmen im Bereich der Entscheidungsforschung.

Mit dem Heuristiken und Biases Ansatz (vgl. grundlegend: Tversky/Kahneman 1974) sind hingegen empirisch zu beobachtende Entscheidungspathologien entschlüsselt worden. Dieser Ansatz bietet einen theoretisch fundierten Zugang zur Erklärung systematischer Abweichungen individueller Entscheidungen vom rational-normativen Entscheidungsoptimum. Menschen nutzen im Entscheidungsprozess aus verschiedenen Gründen Heuristiken, die zu systematisch fehlerhaften, vom rationalen Ideal abweichenden Ergebnissen führen (können). Treten diese ein, spricht man von Entscheidungspathologien (Fehlentscheidungen). Trotz objektiver Fehlerhaftigkeit werden diese Entscheidungen auf der (inter-)subjektiven Ebene regelmäßig als plausibel oder korrekt wahrgenommen.

Solche Entscheidungspathologien durch die Nutzung von Heuristiken lassen sich auf unterschiedliche Mechanismen zurückführen: Zum einen auf kognitive Sparsamkeit als Folge begrenzter Verarbeitungskapazitäten („bounded rationality“), zum anderen auf unbeabsichtigte Nachlässigkeit sowie auf intra- und interpersonale Einflüsse (wie Präferenzen oder affektive Zustände) und situative Variablen (wie Zeit- oder Handlungsdruck). Heuristiken fungieren dabei als kognitive Abkürzungen, welche den rational-analytischen Entscheidungsprozess systematisch verkürzen und ersetzen, um eine effiziente, wenn auch potenziell fehleranfällige Urteilsbildung zu ermöglichen.

Empirisch zeigen sich die Konsequenzen heuristischer Informationsverarbeitung etwa in Stresssituationen oder in Entscheidungskontexten, in denen probabilistische Relationen inadäquat erfasst, jedoch entscheidungswirksam werden. Ein paradigmatisches Beispiel für eine solche Wahrscheinlichkeitsverzerrung ist das Linda-Problem, formuliert vom Forscherduo Tversky/Kahneman einige Jahre später.

In der ursprünglichen Versuchsanordnung, aber auch in weiteren Studien wurde dann gezeigt, dass die große Mehrzahl der Personen es entsprechend der Beschreibung für wahrscheinlicher hielt, dass Linda Bankangestellte und engagierte Feministin als nur Bankangestellte ist. Tatsächlich kann aber nach den Prinzipien der formalen Logik die Wahrscheinlichkeit, dass zwei verknüpfte Merkmale gleichzeitig zutreffen, niemals größer sein als die Wahrscheinlichkeit der einzelnen Ereignisse für sich genommen. Oder anders gesagt: Natürlich sind alle feministischen Bankangestellten zwangsläufig immer auch ein Teil der weitaus größeren Gruppe der Bankangestellten, wobei nicht zwangsläufig alle Bankangestellten automatisch Teil der Gruppe der Feministinnen sind.

Entscheidungspathologien am Beispiel von CEO-Heuristiken

Auf solche und andere fehlerbehaftete Entscheidungen kommen wir nun also in einer aktuellen Anwendung zu sprechen. Ein Forscherteam um Stevo Pavićević von der Frankfurter Business School hat sich nämlich gefragt, welche Entscheidungspathologien bei strategischen Entscheidungen von CEOs auftreten können.

In der besagten Studie werden zunächst die Entscheidungspathologien (Biases) zu vier Typen gebündelt: in (1) jene bei der Informationsverarbeitung, (2) jene in der Auswahl von Entscheidungsmöglichkeiten, (3) jene bei der Rückführung von Ereignissen auf sie bestimmende Ursachen und (4) jene, die durch Affekte (Stimmungen, Emotionen) verzerrt sind.

  • Informationsverarbeitung: Hier geht es um Verzerrungen in der Informationssuche und Informationsbeschaffung bei CEOs. Es kann gezeigt werden, dass dies leicht in Abhängigkeit vom eigenen Hintergrund, Zielen, Einstellungen und Glaubenssätzen erfolgt. Darunter fällt auch der berühmte Confirmation Bias, wonach Informationen bevorzugt wahrgenommen werden, die die eigene Voreinstellung unterstützen. Aber auch die Verfügbarkeit spielt eine Rolle. Gemeint ist eine kognitive Strategie, bei der die subjektive Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses proportional zur Leichtigkeit des Abrufs entsprechender Informationen aus dem Gedächtnis eingeschätzt wird Je zugänglicher ein Ereignis mental präsent ist, beispielsweise weil es vor kurzem aktiviert wurde oder emotional triggert, desto höher wird seine Auftretenswahrscheinlichkeit subjektiv eingeschätzt – unabhängig von seiner tatsächlichen statistischen Häufigkeit (Availability Bias). Bei der Repräsentationsheuristik erfolgt eine Verzerrung dann, wenn eigentlich zufällige oder sehr begrenzt gültige oder bzw. vorkommende Begebenheiten in ihrer tatsächlichen Verbreitung überschätzt werden (Representativeness Bias). Ungünstig ist als eigenständige Kategorie die falsche Analogie. Hier werden Analogien zwischen Bereichen gezogen, die strukturell viel zu anders sind, beispielsweise die Erziehung von Kleinkindern und die Führung von Mitarbeitenden. Denken wir aber auch an den Rückschaufehler (Hindsight Bias). Er beschreibt die systematische Verzerrung retrospektiver Wahrscheinlichkeitsurteile, bei der Individuen dazu neigen, ein eingetretenes Ereignis im Nachhinein als vorhersehbarer zu bewerten, als es ex ante tatsächlich war. Technisch geschieht das dadurch, dass aufgrund des Wissens um das tatsächliche Ereignis damalige Alternativen unbewusst in ihrer Auftretenswahrscheinlichkeit abgewertet werden. Diese Verzerrung ist in der Praxis meiner Erfahrung nach total unterschätzt: Sie beeinträchtigt sowohl die akkurate Evaluation zurückliegender Entscheidungen (z. B. bei der Ursachenanalyse von Fehlschlägen) als auch das Lernen aus vergangenen Erfahrungen, da systematisch verzerrte Rückschlüsse über den eigenen Prognose- und Entscheidungsprozess gezogen werden.
  • Auswahl von Entscheidungsmöglichkeiten (Wahlentscheidungen): Hier geht es um systematische Fehler von CEOs bei der Bewertung und Rechtfertigung von Entscheidungsoptionen. Der hierzu passende Framing Bias bezeichnet eine systematische Verzerrung in der Entscheidungsfindung, die darauf zurückzuführen ist, dass identische Entscheidungsprobleme unterschiedlich beurteilt werden – abhängig davon, wie sie sprachlich oder kontextuell „gerahmt“ (geframt) werden. Angesprochen ist damit bereits die Problemformulierung. Rational wäre zu erwarten, dass unterschiedliche Darstellungsweisen – bei identischem Informationsgehalt – keine Auswirkungen auf das Entscheidungsergebnis haben. Der empirische Befund zeigt jedoch, dass die kognitive Codierung von Gewinnen oder Verlusten sowie der Referenzpunkt, von dem aus bewertet wird, maßgeblich die Präferenzstruktur beeinflusst. Der Effekt resultiert aus der asymmetrischen Gewichtung von Gewinnen und Verlusten (Loss Aversion) sowie der situativen Etablierung kognitiver Bezugspunkte (Framing). Je nach Rahmung desselben Problems als Gewinn- oder Verlustszenario entscheiden sich Personen systematisch unterschiedlich, obwohl die objektive Ausgangslage unverändert bleibt. So ist die Entscheidung bei unveränderter Aussage zur Wahrscheinlichkeit des Erfolgs möglicherweise eine ganz andere, wenn ein Drittel des Umsatzes erhalten bleibt (Kommunikation: Erhalt. Entscheidung wird risikoavers) als wenn zwei Drittel des Umsatzes damit verloren gehen (Kommunikation: Verlust: Entscheidung wird risikofreudig). Hierunter fällt ebenfalls der Anchoring Bias, der aufgrund eines unpassenden (z. B. „Was haben die Konkurrenten bezahlt“) oder eher zufälligen Ankers (eine damals gerade verfügbare Erfolgszahl) eine Entscheidung beim Entscheider provoziert (beim Schätzen eines Ereignisses) oder die Vorteilhaftigkeit einer Entscheidung an dem einstigen Ausgangspunkt trotz neuer, auch besserer Information weiterhin bemisst. Daneben kennen wir auch den Sunk Cost Bias: Aus Angst vor endgültigem Verlust oder Ansehen, aufgrund von blindem Vertrauen oder der Gefährdung persönlicher Beziehungen wird an einer Entscheidung festgehalten, in die bereits viele Ressourcen flossen, deren Scheitern für Dritte aber schon offensichtlich ist. Statt beispielsweise aus einem Projekt auszusteigen, wird weiter, ggf. sogar noch mehr („escalation of commitment), investiert. Wohl dem, der klare Ausstiegsregeln im Vorhinein definiert hat (analog zum Besuch einer Spielbank im Privaten) oder ein objektives Audit vorgesehen hat. Und nicht zuletzt: der Staus quo Bias. „Es ist doch alles so schön, es läuft doch bislang so gut, wir haben Erfolg und jetzt nicht schon wieder ein Aktionismus…“ Wer in der Praxis Wandelprojekte mitmacht, kennt dies in- und auswendig.
  • Ursachenanalyse: Hier geht es um systematische Fehler durch CEOs bei der Bewertung oder Rechtfertigung von Verhalten. Recht gut aus anderen, allgemeineren Analysen bekannt sind Verzerrungen der Realität, die aufgrund des Selbstschutzes einer Person für falsche Entscheidungen oder zur Vermeidung von das Wohlbefinden irritierenden Dissonanzen zustandekommen. So wird an Strategien im Erfolgsfall festgehalten, weil man es den internen, also eigenen Fähigkeiten zuschreibt, obwohl es eigentlich nur gut lief, weil eine Zeitlang der Markt es durch das danach erfolgte überraschende Ausscheidens eines Konkurrenten hergab. Misserfolge werden dann auf andere geschoben, beispielsweise die Beratung, oder die Verkettung unglücklicher Umstände, die andere aber damals schon vorausgesehen haben.
  • Gefühle, Affekte, Emotionen: Hier treten kognitive Beurteilungen der wahrgenommen Realität gegenüber Affekten usw. in den Hintergrund. Verantwortlich dafür ist u. a. der Overoptimism Bias. Ein guter Ausgang der Entscheidung wird – unbegründet – gegenüber einem schlechteren Ausgang als wahrscheinlicher angenommen. Risiken werden auch von Executives untergewichtet, gerne auch, weil sie von ihrem Umfeld aus Angst oder ungerechtfertigter Überzeugung in ihrem Vorgehen bestärkt werden. Im Unternehmen betrifft es die zeitliche Fertigstellung von Projekten ebenso wie die Einschätzung der Bereitschaft zum leidenschaftlichem Mitwirken aller am Wandel. Paradoxerweise muss auch gesagt werden, dass bei manchen Entscheidungen dieser Bias Voraussetzung für den Erfolg ist. Wer nicht daran glaubt, einen Marktführer aus dem Nichts heraus kommend zu schlagen, wird schnell all denjenigen folgen, die ihn oder sie für verrückt halten. Und wer selbst rational alles durchdenkt, gründet angesichts der Raten des Scheiterns selbst kein Unternehmen. Hierzu passt sehr gut der Control Bias. Es handelt sich um die falsche Auffassung darüber, wie stark ich von meiner Umwelt beeinflusst werde und inwieweit ich sie selbst beeinflussen kann. Stichwort hier: Kontrollillusion. Dies führt beispielsweise zur Untergewichtig von Risiken. Während die Kontrollillusion auf die Umwelt abzielt, zielt der Overconfidence Bias auf die Übergewichtung der inneren Stärken als solche ab. Einer hierfür spezifisch durchgeführten  Metaanalyse folgend, unterteilt sich dieser Bias in die Überbewertung der Präzision der Korrektheit der eigenen Auffassungen, der Überschätzung der eigenen Fähigkeiten sowie der Erhöhung der eigenen Stellung im Vergleich zu relevanten Anderen, beispielsweise der Mitbewerber.

Fazit

Der Wert der durch die Nutzung von Heuristiken bewirkten Entscheidungspathologien liegt weniger in der Neuheit der Erkenntnisse an sich als vielmehr in der systematischen Aufbereitung bekannter kognitiver Verzerrungen. Diese Phänomene betreffen nicht nur CEOs – sie spielen ebenso bei Entscheidungen auf Teamleitungsebene und sogar im privaten Bereich eine Rolle. Besonders relevant ist für uns die strukturierte Darstellung. Sie bietet eine fundierte Reflexionsgrundlage für die Praxis. Zugleich kann unterstrichen werden: Entscheidungspathologien machen eben auch vor CEOs nicht halt – und, was nahe liegt, auch nicht vor beratungsbasierten Entscheidungen (vgl. Kämmer, Choshen-Hillel, Müller-Trede, Black & Weibler, 2023), denen u. a. Top-Führungskräfte gerne vertrauen.

Gerade in Spitzenpositionen können bestimmte Verzerrungen sogar verstärkt auftreten: etwa durch ein Umfeld, das Widerspruch vermeidet, durch die soziale Distanz zu Mitarbeitenden mit anderen Biografien – oder durch situative Faktoren wie die Vielzahl wichtiger Entscheidungen unter Zeitdruck, selbst auf strategischer Ebene. Als Ergänzung zu den dargestellten Befunden empfiehlt sich neben der Reflexion dieser möglichen Verzerrungen ein Blick in die Dilemmata- und Paradoxienforschung. Sie sensibilisiert für die Grenzen rationaler Steuerung und schärft das Bewusstsein für die eigene Rolle im Entscheidungsprozess.

Anmerkungen: Mein Beitrag geht nicht auf die erstaunlichen Vorteile von sogenannten adaptiven Heuristiken ein. Adaptive Heuristiken sind anpassungsfähige Entscheidungsregeln oder Vorgehensweisen, die sich dynamisch an neue Informationen oder Situationen anpassen, um Probleme effizient zu lösen – besonders wenn keine perfekte Lösung möglich ist oder nicht genug Zeit oder Ressourcen vorhanden sind (z. B. die „Take the Best Heuristik: Das mir wichtigste Kriterium bestimmt die Auswahl ohne Einbezug weiterer Kriterien). Solche adaptiven Heuristiken werden von meinen Forscherkollegen und mir anderenorts eingehend beschrieben (Florian Artinger; Malte Petersen; Gerd Gigerenzer; Jürgen WeiblerHeuristics as adaptive decision strategies in management, in Journal of Organizational Behavior, 2015, 36, 33-52).

Kämmer, J./Choshen-Hillel, S./Müller-Trede, J./Black, S./Weibler, J. (2023) A systematic review of empirical studies on advice-based decisions in behavioral and organizational research. In: Decision, 10(2), 107-137

Pavićević, S./Keil, T./McNamara, G. (2025): Debiasing the Literature on Executive Decision-

Making Biases. In: Academy of Management Annals, Vol. 19 (2), 440-475

Tversky, A./Kahneman, D. (1974): Judgment under uncertainty: Heuristics and biases. In: Science, Vol. 185 (4157), S. 1124-1131, doi: 10.1126/science.185.4157.1124