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Die Bedeutung des ersten Arbeitsplatzes nach Abschluss einer Ausbildung, Lehre oder eines Studiums ist unbestreitbar groß. Der Schritt dorthin ist ein Meilenstein im beruflichen Werdegang und prägt die berufliche Identität und Zukunft. Der erste Job ist immer mehr als nur eine berufliche Tätigkeit, denn er fungiert als Wegweiser für die Karriere und legt den Grundstein für die nachfolgende persönliche als auch professionelle Weiterentwicklung. Was viele dabei vergessen: Es ist ein Schritt, der von zahlreichen Erwartungen begleitet wird. Über die meinigen und die meiner Studienkolleg*innen möchte ich hier berichten. Ich schreibe heute auf Leadership Insiders darüber, weil eine kreative, produktive, und motivierte Arbeitsatmosphäre, die wir uns alle wünschen, leider, wie manche bereits im Praktikum erlebten, keine Selbstverständlichkeit ist. Auch wenn ein solcher Idealzustand, wie bereits das Wort verrät, im Alltäglichen nicht zu 100% eingelöst werden kann, ist der Weg dorthin doch ein Muss, damit der erste Arbeitsplatz nicht nur eine kurze Durchgangsstation wird.

Der erste Job stellt für viele junge Erwachsene eine prägende Erfahrung dar, die mit zahlreichen neuen Ansichten und Erlebnissen verbunden ist. In dieser Phase werden Fähigkeiten wie Teamarbeit, Durchhaltevermögen und Motivation auf die Probe gestellt, und der Fokus liegt klar auf der persönlichen Entwicklung und dem individuellen Engagement. Es ist ein Abschnitt in dem sich zeigt, welchen Eindruck man bei Kolleg*innen, Führungskräften und potenziellen Kund*innen hinterlässt. Die Bewältigung berufsspezifischer Aufgaben ermöglicht den Neulingen, ihr in der Ausbildung erworbenes Wissen, in einem geschäftlichen Kontext anzuwenden. Und es zeigt eben auch, was von dem gegenwärtigen Arbeitgeber zu halten ist.

Motivierende Arbeitgeber

Arbeitgeber*innen können eine besonders motivierende Rolle spielen, indem sie mögliche Karrierepfade und berufliche Weiterentwicklungen erläutern und greifbar machen. Transparenz in Bezug auf individuelle Karrieremodelle ist hier entscheidend. Von vielen Anfänger*innen wird eine Leadership-Rolle heute nicht mehr als zwingend notwendig betrachtet. Wer dies ändern möchte, sollte für Führungspositionen und Aufgaben mit hoher Verantwortung frühzeitig begeistern können.

Arbeitskultur

Gerne wird der Generation Z – und zukünftig auch der Generation Alpha – von Eltern, Lehrenden und Firmen nachgesagt, dass sie hohe Ansprüche an ihre Abreitgeber*innen stellen. Während es zweifellos Berufseinsteiger*innen gibt, welche unrealistische und unbegründete Erwartungen an ihren ersten Arbeitgeber stellen, sind einige ihrer Wünsche durchaus verständlich. Hierzu zählen Diversität, Flexibilität, Autonomie, Transparenz, Anerkennung und wie bereits erwähnt Weiterentwicklung. Eine gesunde Arbeitskultur ermöglicht nicht nur Neulingen, sich weiterzuentwickeln, sondern erlaubt es auch, dass sie von den Werten des Unternehmens geprägt werden. In der heutigen Zeit, in der viele Arbeitgeber*innen ihre Arbeitskultur offen kommunizieren, fällt es jungen Erwachsenen leichter, gezielt zu wählen. Besonders herausragend sind dabei Organisationen, die nicht nur kundenorientiert denken, sondern auch ihre Beschäftigten aktiv einbinden. Somit werden Unternehmen, die einen modernen Ansatz zur Personalbindung verkörpern und reflektieren, automatisch für die zukünftige Belegschaft interessant.

Work-Life-Balance

In Zusammenhang mit der gerade angesprochenen Flexibilität, ist eine sogenannte „Work-Life-Balance“ für uns von Interesse, die „die Ausgewogenheit von beruflichem und nicht beruflichem Dasein des Menschen thematisiert und eine wie auch immer im Detail definierte Balance zwischen diesen beiden Lebenswelten anstrebt“ (Leadership Insiders, 2021).

Während meiner Zeit in Spanien habe ich häufig von Einheimischen gehört, dass sie arbeiten gehen, um sich nach dem Feierabend zu vergnügen. Die Zeit nach der Arbeit wird genutzt, um Freunde zu treffen, Sport zu treiben, zu tanzen, zu entspannen, usw. Im Gegensatz dazu scheint es in Deutschland, zumindest in der Wahrnehmung der Generation meiner Eltern, so zu sein, dass die Menschen leben, um zu arbeiten. Abendessen gibt es um 18:00 Uhr, Krimi um 20:15 Uhr, und Bettruhe um 22:00 Uhr.

Das entspricht aber nicht mehr dem Leben der jungen Generation. Die Work-Life-Balance hat hier einen neuen Stellenwert erhalten. Krisen und Katstrophen, die unser Jahrhundert prägen, mögen dafür verantwortlich sein, die Freizeit bestmöglich zu nutzen. Vielleicht resultiert dieser Wandel aber auch bloß aus einem veränderten Verständnis eines gesunden Lebens mit weniger Stress und viel Freude. Wenn ein Arbeitgeber keine Möglichkeit zur Ausgewogenheit bietet, rücken automatisch solche Arbeitgeber in den Fokus, die das Konzept der Work-Life-Balance integrieren.

Innovations- und Gestaltungsmöglichkeiten

Eine weitere Erwartung spiegelt sich darin wider, dass Unternehmen offen gegenüber Veränderungen sind. Der Arbeitsmarkt steht unter ständigem Wandel auf Grund verschiedener politischen, sozialen, wirtschaftlichen, oder ökologischen Einflussfaktoren. Dementsprechend bilden sich auch für Unternehmen neue Ansätze, um ihre Geschäftsmodelle zu gestalten und wettbewerbsfähig zu bleiben. Hierbei spielen Berufseinsteiger*innen eine wichtige Rolle, da sie eine frische Perspektive und innovative Ideen mitbringen. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass Unternehmen diese Dynamik nicht nur erkennen, sondern auch schätzen und fördern. Die heutige Arbeitswelt erfordert eine Anpassungsfähigkeit und Offenheit für Veränderungen seitens der Unternehmen. Diese Bereitschaft zur Transformation ermöglicht nicht nur eine erfolgreiche Anpassung an die wandelnden Marktbedingungen, sondern auch eine positive Unternehmenskultur, die von Innovation und Kreativität geprägt ist. Berufseinsteiger*innen erhoffen sich, dass Unternehmen eine offene Kommunikation und Zusammenarbeit fördern, um gemeinsam mit anderen Mitarbeiter*innen Lösungen zu erarbeiten und sich kontinuierlich weiterzuentwickeln. Eigene Ideen und Anregungen sollten anerkannt und umgesetzt werden. Dies bedeutet keineswegs, dass unsere Meinung mehr Wert ist als die der älteren Belegschaft. Im Gegenteil, die erfahrenen Arbeitnehmer*innen können den Neulingen wertvolle Einsichten vermitteln. Ein wechselseitiger Austausch ist entscheidend, da die Schaffung von Neuem möglich wird, wenn verschiedene Ansichten, Ideen, und Herangehensweisen miteinander kombiniert werden. Prüfstein ist nicht die Deklaration, sondern das, was gelebt wird.

Nachhaltigkeit

Das Bewusstsein für die Klimakrise ist heute weitverbreitet. Mit steigenden CO2-Emissionen schreitet der Klimawandel voran und beeinflusst unser Leben auf der Erde. Wetterextreme, Naturkatastrophen, Ressourcenknappheit und gefährdete Biodiversität sind nur einige der Folgen. Da staatliche Regulierungen bisher nicht ausreichend sind, liegt die Verantwortung nun bei den Hauptverursachern der hohen CO2-Emissionen – den Unternehmen. Maßnahmen zum Klimaschutz entwickeln sich firmenintern ständig weiter, wobei Begriffe wie CSR (Corporate Social Responsibility) und ESG (Environmental, Social, and Governance) eine entscheidende Rolle spielen. CSR bezieht sich auf die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen, ihre wirtschaftlichen Aktivitäten nachhaltig zu gestalten. ESG hingegen beschreibt die Verantwortungsbereiche Umwelt, Soziales und Unternehmensführung. Unternehmen gelten erst als nachhaltig und regelkonform, wenn sie diese Maßstäbe erfüllen. Der Wunsch an den ersten Arbeitgeber spiegelt somit die Erwartung wider, dass dieser Eigeninitiative im nachhaltigen Wirtschaften zeigt. Führungspositionen, die ihr Geschäftsmodell ESG-konform gestalten und sich ihrer Umwelteinflüsse bewusst sind, erfüllen eine der unverzichtbaren Charakteristiken des ersten Arbeitgebers. In einer Zeit, in der die Zukunft bezüglich des Einflusses der Klimakrise für junge Erwachsene unsicher ist, gewinnen gut kommunizierte und tatkräftige Klimaschutzmaßnahmen an Bedeutung.

Flexible Arbeitsbedingungen – Homeoffice

Durch die COVID-19 Pandemie hat sich die Arbeitsweise vieler Unternehmen erheblich verändert. Das Homeoffice hat an Bedeutung gewonnen und den Arbeitsalltag vieler Beschäftigten nachhaltig beeinflusst. Für Familien ist dies sicherlich ein positiver Effekt gewesen, da der Arbeitsalltag mit den üblichen Tätigkeiten eines Elternteils flexibel vereint wurde. Auch für junge Menschen war es zunächst aufregend und vorteilhaft, da der Wecker später klingelte, der Weg zum Arbeitsplatz verkürzt wurde und legere Arbeitskleidung an der Tagesordnung war. Jedoch habe zumindest ich schnell festgestellt, dass insbesondere für Berufseinsteiger der Lerneffekt und die Motivation abnahmen. Meine ersten praktischen Berufserfahrungen haben gezeigt, dass die Kommunikation zwischen Mitarbeitenden sowie das Verhältnis zu Arbeitskolleg*innen unter den Bedingungen leiden. Die Kommunikation ist stark von der Online-Verfügbarkeit der jeweiligen Kontaktperson abhängig. Fragen müssen in einen Chat geschickt werden, was dazu führt, dass sie leichter übersehen oder ignoriert werden können. Auch das Führen und Pflegen zwischenmenschlicher Beziehungen gestaltet sich im Homeoffice schwieriger. Eine Mittagspause gemeinsam zu verbringen und jegliche Themen zu besprechen erschwert sich. Natürlich gibt es bereits Lösungsansätze und Alternativen wie Online-Mittagspausen, wöchentliche Meetings und Update-Gespräche. Können diese jedoch den persönlichen Kontakt und den damit verbundenen Lerneffekt wirklich ersetzen?

Gerade junge Erwachsene können sich vor Ort besser und auch tatkräftiger einbringen. Es ist also erfreulich zu sehen, wenn Firmen klare Grenzen setzen, beispielsweise durch die Verpflichtung, 3 bis 4 Tage pro Woche im Büro zu arbeiten, während die restlichen Tage von zu Hause zu gestalten sind. „Hybride Arbeitsmodelle“ gewinnen hier an Stellenwert. Dieses Modell führt nicht nur zu einer Bereicherung, sondern auch zu einer Stärkung der Führungsebene, da Beziehungen aufrechterhalten werden und das Bewusstsein gestärkt wird, dass man mit realen Menschen – und nicht mit einem Bildschirm – zusammenarbeitet. Somit entsteht eine positive Wechselwirkung, die zu einer optimalen Wochengestaltung für alle Beteiligten führt und die Berufseinsteiger*innen gekonnt der Arbeitswelt näherbringt.

Fazit

Zusammenfassend lässt sich also feststellen, dass die Erwartungen an den ersten Arbeitsplatz groß sind. Mit dem Wandel der Marktbedingungen gehen Änderungen in dem Verhalten der Arbeitnehmer*innen einher. Wie und ob Arbeitgeber auf diesen Umbruch reagieren, ist den Unternehmen überlassen. Welchen Arbeitgeber die Berufseinsteig*innen wählen, aber auch.

Klar ist, dass sich Erwartungen im Laufe der Zeit ausformen und entwickeln. Darüber hinaus bin ich mir mit anderen bewusst, dass es in der Arbeitswelt oft erforderlich ist – besonders zu Beginn einer Karriere – Kompromisse einzugehen und flexibel zu sein, um Fortschritte zu erzielen und prägende berufliche Erfahrungen zu sammeln. Nur man muss eben wissen, was die Beweggründe sind und welche Ziele alle verfolgen. Wenn man das dann teilt, ist vieles möglich.