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Der Master of Business Administration (MBA) steht in der Kritik. Der Vorwurf lautet vor allem: Zu einseitig würden traditionelle, neoliberal geprägte Wirtschaftsvorstellungen gelehrt (und gelernt) und zu groß sei von daher auch die Fähigkeits- und Motivationslücke der vorwiegend immer noch männlichen Absolventen, Forderungen der Gesellschaft nach einer verantwortlichen Führung ausnahmslos nachzukommen.

MBA – Fakten

Der Master of Business Administration (MBA) ist eine Form der betriebswirtschaftlich orientierten Führungskräfteentwicklung. Genau genommen ist es die Abschlussbezeichnung eines im Vorläuferstatus 1902 erstmals angebotenen und seitdem variantenreich fortentwickelten Studienganges zur Besetzung von Managementpositionen, der gemeinhin auf einem ersten akademischen Abschluss aufsetzt (was allerdings zurzeit merklich aufgeweicht wird). Ursprünglich waren dies gerade nicht-wirtschaftswissenschaftliche Studiengänge (bspw. Maschinenbau, Jura, Mathematik). Angestrebt wurde historisch eine vorwiegend generalistische Weiterbildung, aber seit einigen Jahren finden sich in nennenswerter Zahl branchenspezifische und/oder funktionsspezifische Managementausrichtungen.

Voraussetzung zur Teilnahme an diesem Weiterbildungsstudiengang ist normalerweise zudem eine gewisse Anzahl von Berufsjahren (zwischen 1 und 8 Jahren), die seit dem ersten akademischen Abschluss vergangen sein sollte. Die Art der Berufserfahrung der im Durchschnitt rund 35 Jahre alten Teilnehmerinnen und Teilnehmer kann je nach Programm unterschiedlich qualifiziert werden, ebenso wie der Nachweis weiterer Qualifizierungen (z.B. in den USA der positive Testdurchlauf des Graduate Record Examination).

Der TarGroup Media Report „MBA Studium 2016“, dem statistische Angaben zu entnehmen sind, weist für Deutschland 256 Programme von 130 Anbietern aus. Berücksichtigt man auch Österreich und die Schweiz, so wird man noch eine größere zweistellige Zahl hinzuaddieren dürfen. Andere Zählungen liefern noch höhere Werte, wobei dort gerne auch andere Abschlussbezeichnungen, wie etwa der „Master of Science“ (M.Sc.) einbezogen werden. Anbieter sind überwiegend Fachhochschulen, gefolgt von Universitäten und zuletzt Akademien (diese oft in rechtlich gebotenen Kooperationen). Der Studiengang wird dominant berufsbegleitend und präsenzorientiert, gelegentlich im Fernstudium, in einem Zeitraum von 12-24 Monaten durchgeführt. Die Teilnahmekosten belaufen sich ohne persönliche Infrastrukturkosten etc. im Schnitt auf 17.000 € und können bei den „Spitzenprogrammen“, die einen Executive MBA ausweisen, 70.000 € und mehr betragen.

MBA –  Mythos und Verbreitung

Die Managementlehre bekam in den fünfziger und sechziger Jahren weltweit Aufwind. Und sie war genuin nordamerikanisch, allenfalls britisch. Aus dieser Warte war es nur konsequent, dass der MBA-Abschluss – wie so vieles andere im akademischen Bereich – auch in Deutschland hell strahlend erschien. Alles, was aus den USA das alte Europa erreichte, stand für hartes und effizientes Management, etwas, was man insbesondere nach den wirtschaftlichen Boom-Jahren nun stärker zu benötigen glaubte. Internationale Beratungen, deren Vertreter einen solchen Abschluss überproportional im Vergleich zur deutschen Managementriege besaßen, popularisierten diese Art von Weiterbildung weiter.

Es dauerte aber bis in die Neunzigerjahre, bis erste rein deutsche MBA-Programme auf den Markt kamen. Dies war die Voraussetzung dafür, dass die Absolventenzahlen auch hierzulande allmählich steigen konnten. Die Faszination, die im Übrigen in Deutschland nie das angelsächsische Ausmaß erreicht hat und sich vor allem auf Großorganisationen und die beratende Branche konzentriert, war weniger durch die fachlichen Inhalte und didaktischen Methoden (Fallanalysen, Projektgruppen) geprägt als vielmehr durch die damit scheinbar verbundenen Gehaltssprünge und Karrierechancen. Das Leitbild des kühl kalkulierenden und passenderweise allein an Zahlen, Daten und Fakten (facts and figures) orientierten Managers schien einen Vorsprung gegenüber anderen zu begründen.

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So werben amerikanische Top-Business Schools mit einer durchschnittlichen Verdopplung der Gehälter in kurzer Zeit und bei McKinsey Deutschland steigt ein MBA-Absolvent oder eine MBA-Absolventin mit einem Gehaltsplus von 50 % gegenüber dem Master ein (Guldner 2014). Gleichzeitig wird aber allerdings ebenfalls berichtet, dass nur 11% der Arbeitgeber diesen Abschluss besonders würdigen. Wer ihn dann auch noch an einer weniger renommierten Hochschule erworben hat, benötigt viel rhetorisches Geschick, um auch nur annähernd den finanziellen Anschluss zu halten.

Aus Studierendensicht sind, und dazu muss man nur den Begriff „Business School“ googeln, der dann gehäuft auf MBA-Programme verweist, auch weitere formale Punkte wie kurze Studienzeiten durch straffes Studium, Internationalität und Rankingpositionen (sofern noch bezahlbar) von Interesse, womöglich aber auch, sich mit Gleichgesinnten und einer „gefühlten“ Elite zu bewegen und anhaltende, karriereförderliche Netzwerke zu knüpfen. Das Streben, Management und Märkte besser zu verstehen und sich operatives Rüstzeug dafür anzueignen, kann und soll dabei niemandem abgesprochen werden.

MBA ­– und plötzlich in der Abseitsfalle?

Historisch gesehen stand bei den einen MBA-Abschluss anbietenden Business Schools die enge Verzahnung von Wirtschaft und Lehre im Vordergrund. Von vornherein waren sie auf Unternehmen bezogen und interessierten sich für andere Organisationsformen, beispielsweise Non-Profit-Organisationen (NPO) eigentlich nur dann, wenn diese einen erfolgsrelevanten Einfluss auf die unternehmerische Tätigkeit ausüben konnten (z.B. im Rahmen der Stakeholderanalyse – oder allenfalls, um sie selbst der Marktlogik unterzuordnen).

Diese Art der Ausbildung geriet aber spätestens im Zuge der manifesten Finanz-und Wirtschaftskrise wesentlich in die Kritik. Nicht wenige sehen gerade diese Art der quantitativ analytischen Fokussierung ursächlich dafür, dass sich auf den Topetagen von Unternehmen eine Mentalität ausgebildet habe, die solche Krisen extrem begünstige. (Wirtschafts-)Geschichte, Soziologie, Politik, Philosophie, um einige Beispiele eines alternativen Curriculums zu nennen, die das wirtschaftliche Geschehen umfassend einbetten und nicht künstlich wie im Fall der Figur des homo oeconomicus reduktionistisch fassen, kämen praktisch nicht vor.

Gegen eine verengte Sicht helfen der intensive Diskurs mit anderen Sozialwissenschaften und ein breites Fundament an Bildung. Idealerweise sollte ein „Meister-Ökonom“ sowohl Mathematiker, Historiker als auch Staatsmann und Philosoph sein, schrieb John Maynard Keynes, einer der einflussreichsten Wirtschaftsdenker. Nobelpreisträger August von Hayek sagte, ein Ökonom, der nur Ökonom wäre, könnte kein guter Ökonom sein, sondern wäre sogar gefährlich (Plickert 2016)

Die Kritik wurde zunächst dominant von einigen sehr prominenten Vertretern der Wissenschaft geführt (z.B. Goshal 2005; Mintzberg 2005) – und nur deshalb gehört, wurde dann aber auch von Top-Managern angesichts fachlicher und charakterlicher Fehlleistungen ihrer Kollegen und wohl auch nicht zu verdrängender Dysfunktionalitäten des Systems aufgenommen (z.B. von Thomas Sattelberger 2012, die wie andere infolge zahlreiche Entgegnungen provozierte). Auch empirische Befunde gaben Anlass zur Sorge:

As predicted, the results suggest that the link between firm size and corporate illegal activity becomes stronger as the percentage of TMT [Top Management Team] members possessing an MBA degree . . . rises (Williams/Barrett/Brabston 2000, S. 706)

Selbstselektionseffekte zur Teilnahme an einem MBA-Programm konkurrieren hier im Übrigen mit Sozialisationseffekten durch das Programm, möchte man diesen unerfreulichen Befund erklären. Vermutlich spielt beides eine Rolle.

Thematisch wird den MBA-Programmen in einem Rundumschlag vorgeworfen (vgl. u.a. Hühn 2014),

  • analytische Brillanz zu fördern und soziale Kompetenzen zu ignorieren bzw. zu instrumentalisieren
  • einseitig das Ziel der Gewinnmaximierung zu predigen, es als unhinterfragbar und damit alternativlos zu deklarieren, und insbesondere die damit verbundenen Kosten auf Arbeitnehmerseite und auf Seiten der Umwelt billigend in Kauf zu nehmen, ebenso wie eine kompromisslose Ausübung von Macht gegenüber Lieferanten und Konsumenten zum Wohle des eigenen Unternehmens (implizit) zu verlangen
  • sich passenderweise dazu nur jenes theoretischen Rüstzeugs zu bedienen, das Gewinnmaximierung voraussetzt oder als Ziel setzt
  • eine Managerriege zu erziehen, die mehr an der eigenen Karriere und der eigenen („leistungsabhängigen“) Vergütung interessiert sei anstatt in gesellschaftlich verantwortungsbewusster Weise zu denken und zu handeln.

Diese überzogene Ökonomisierung des Denkens übertrage sich, befeuert durch die defizitären Haushalte und wachsenden Rechtfertigungsnotwendigkeiten durch interessierte Gruppen, auch auf ursprünglich mit anderen Zielsetzungen gegründete Organisationen (Wohlfahrtsverbände, Museen, Krankenhäuser, Kindergärten, Ausbildungs- wie Weiterbildungsinstitutionen), in der Folge damit auf alle Bereiche der Gesellschaft.

Dadurch drehe sie das Diktum, dass die Wirtschaft für die Menschen da zu sein habe, um 180-Grad – ohne dabei auf größere Widerstände zu treffen. Pikanterweise seien die Ausbildungsinstitutionen selbst durch ihre private Finanzierung genau derselben Logik der Gewinnmaximierung unterworfen – die, die sie akkreditieren, ebenfalls. Eben ein perfekter Markt. Für die Gewinner der Entwicklung, zu denen auch vielfach die Absolventen gehörten, gebe es am Ende viel zu verteilen. So schließe sich der Kreis und verfestige die vorherrschende Logik noch weiter.

MBA – berechtigte Kritik, aber kein Alleinstellungsmerkmal

Diese übergreifende Kritik an der einseitigen Vermittlung der Wirtschaftslogik bzw. der Untergewichtung der (dann zu akzeptierenden) Folgen, die uns interessiert, ist nicht von der Hand zu weisen und entspricht im Grundsatz auch meinen eigenen (Lehr-)Erfahrungen. Natürlich, dies muss auch gesagt werden, ist die Programmwelt vielgestaltig. Der Kern der allgemeinen Unternehmensführung, wie man das Weiterbildungsprogramm eines MBA nennen könnte, ist jedoch mehr oder minder in der Stoßrichtung fix. Demnach verfängt die Kritik zunächst flächendeckend.

Die problematische Ausrichtung ist aber nicht so MBA-spezifisch, wie sich dies die Kritiker vielleicht wünschen würden. Dies setzte nämlich voraus, dass die grundständige, im deutschsprachigen Raum vorwiegend staatliche wirtschaftswissenschaftliche Ausbildung ein grundlegend anderes Bild abgeben würde. Das tut sie aber mitnichten, was in jüngeren Jahren auch immer wieder einmal zu Protesten von Studierenden (z.B. sog. „Arbeitskreis für postautistische Ökonomie“; vgl. „Warum bringt uns keiner Krise bei?“) wie auch von Lehrenden (z.B. Memorandum besorgter Wirtschaftswissenschaftlerinnen und Wirtschaftswissenschaftler 2012) geführt hat.

Wenn man so möchte, verkörpert das durchschnittliche MBA-Studium also nur in konzentrierterer und deutlich sichtbarerer Form das, was auch an der großen Mehrheit anderer diesbezüglicher Ausbildungseinrichtungen im Wesentlichen gelehrt und gelernt wird. Danach gilt weiterhin:

Gewinnmaximierung ist nicht nur faktisch alternativlos, sondern auch prinzipiell richtig! – was der Börsenspekulant Gordon Gekko (für den im Übrigen der US-Börsenmakler Ivan Boesky Pate stand) in Oliver Stones Meisterwerk „Wall Street“ in die berühmten kurzen Worte fasste: „Gier ist gut!“.

Hieran ändert erst einmal auch wenig, dass Business Schools ihren Kritikern durch das hastige Auflegen von Ethikkursen versucht haben, zu begegnen. Denn es gilt: Zum einen ist eine separate Abhandlung von ethischen Fragestellungen in speziellen, nicht selten nur freiwillig zu absolvierenden Kursen und in wenigen Unterrichtsstunden kaum verhaltensrelevant, zumindest was das Geschäftsverständnis angeht. Zum anderen ist Ethik nicht gleich Ethik, will heißen, dass man sich sehr genau anschauen muss, ob der Status quo nicht gerade noch durch eine Ökonomisierung der Ethik eine weitere Bestätigung erfährt und ein ergebnisoffenes Denken verschließt.

Fazit

Jeffrey Pfeffer

Jeffrey Pfeffer

Monatlich finden sich neue Angebote am Markt, andere verschwinden, weil sie die Kosten nicht einspielen. Es herrscht reger Verdrängungswettbewerb.

Die MBA-Ausbildung ist aus Sicht eines klugen Geschäftsverständnisses sowie aus ethischer Sicht sicher nicht besser als das herkömmliche Studium der Betriebswirtschaftslehre – aber auch nicht so viel schlechter, wie es seit der Finanzmarktkrise oftmals unterstellt wird. Insofern gilt es auch weiterhin jene „Bad Management Theories“ (Ghoshal 2005) kritisch zu hinterfragen, die Gewinnmaximierung, Eigennutz und Gier undifferenziert propagieren (und glorifizieren) – und dies an allen wirtschaftswissenschaftlichen Ausbildungs- wie Weiterbildungsinstitutionen. Vielleicht könnten es ja diesmal einige der Business Schools und ihre MBA-Programme sein, die hier eine Vorreiter-Funktion ausüben. Hierauf sollte man sich aber nicht verlassen, wie einer der weltweit am höchsten dekorierten Managementforscher mit Recht formuliert (2016, S. 668f.):

Human dignity, separate from seeing people as human capital or a factor of production, suggests that well-being and life matter. Only when these sentiments are implemented in research and public policy will there be any hope of changing the harmful work practices that are all too frequent in contemporary life and the status we accord to both companies and leaders whose success comes literally at the cost of the lives of others.
Jeffrey Pfeffer, Thomas D. Dee II Professor of Organizational Behavior at the Graduate School of Business Stanford University

Ohne die Eigenverantwortung der Business Schools beiseite schieben zu wollen, benötigt man für substantielle und weitflächige Änderungen voraussichtlich eine der Ausbildung vorgelagerte Entwicklung in den und im Umfeld von v.a. Unternehmen, die nachfolgend in den Ausbildungs- wie Weiterbildungsprogrammen aufgrund veränderter mentaler und struktureller „Rahmenbedingungen“ aufgegriffen wird. In diesem Sinn sind Gesellschaft und Wirtschaft wieder zusammen zu denken.

Literatur

Ghoshal, S. (2005): Bad management theories are destroying good management practices. In: Academy of Management Learning & Education, 4(1), 75-91

Guldner, J. (2014): Bonus für den Abschluss. In: Die Zeit, Nr. 5, 23.01. 2014, http://www.zeit.de/2014/05/mba-abschluss-mehr-gehalt

Hühn, M. P. (2014): You reap what you sow: How MBA programs undermine ethics. In: Journal of Business Ethics, 121(4), S. 527-541

Memorandum besorgter Wirtschaftswissenschaftler und Wirtschaftswissenschaftler (2012): Eine Initiative von Ulrich ThielemannTanja von Egan-Krieger und Sebastian Thieme. http://www.mem-wirtschaftsethik.de/memorandum-2012/

Mintzberg, H. (2005): Manager statt MBAs: Eine kritische Analyse, Frankfurt/M.

Schwertfeger, B. (2012): „Die großen Business Schools sind lebendige Leichen“. Interview mit Thomas Sattelberger; http://www.spiegel.de/karriere/managerausbildung-die-grossen-business-schools-sind-lebendige-leichen-a-813654.html)

Olbrisch, M./Schießl, M. (2011): Warum bringt uns keiner Krise bei? In: Spiegel online, 28.12.2011, http://www.spiegel.de/lebenundlernen/uni/versagen-der-uni-oekonomen-warum-bringt-uns-keiner-krise-bei-a-803953.html

Pfeffer, J. (2016): Why the assholes are winning: Money trumps all. In: Journal of Management Studies, 53(4), S. 663-669

Plickert, P. (2016): Frust mit der Volkswirtschaftslehre. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24.09.2016, abgerufen am 29.09.2016
http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/volkswirtschaftslehre-ist-kein-beliebtes-studienfach-14448359.html#GEPC;s6

TarGroup Media (Hrsg.) (2016): Report MBA Studium 2016. Aktuelle Daten und Statistiken, Köln

Williams, R. J./Barrett, J. D./Brabston, M. (2000): Managers‘ business school education and military service: Possible links to corporate criminal activity. In: Human Relations. 53(5), S. 691-712