Die intrinsische Motivation einer Person bezieht sich auf die Art der Motivation, sich für eine bestimmte Aufgabe um ihrer selbst willen zu engagieren und Zufriedenheit aus ihrer Bewältigung zu erzielen. Eine Fülle von Studien zeigt, dass eine intrinsische Motivation als eine positive Erfahrung erlebt wird, dementsprechend positive Emotionen generiert, bessere Leistungen bewirkt und nicht zuletzt auch prosoziales Verhalten unterstützt. Führungskräfte unterstützen diese Personen, etwa über Leistungsbewertungen. Und Organisationen nehmen in ihren Stellenausschreibungen zunehmend Attribute auf, die sich auf die intrinsische Motivation beziehen. Was aber nun, wenn intrinsisch Motivierte nur Gleichgesinnte im Team freiwillig unterstützen möchten, weil sie ihnen eine höhere Moral attestieren? Diesem Problem widmet sich Leadership Insiders heute.
Intrinsische Motivation
Motivation ist ein Dauerthema der Führungsforschung. Man kann diese Diskussion lesen als etwas, sofern es fehlt, was erzeugt werden oder als etwas, sofern es vorhanden ist, was stabilisiert und jedenfalls nicht vernichtet werden soll. Letzteres begegnet uns dann als Zustand unter dem Stichwort „Demotivation“. „Erreicht“ werden solche Zustände aufgrund demotivierender Umstände der Führungssituation oder durch eine demotivierende Führungskraft selbst.
In der Motivationsforschung ist es üblich, zwischen intrinsischer und extrinsischer Motivation zu unterscheiden. Intrinsisch motivierte Personen konzentrieren sich auf in der Tätigkeit liegende Anreize und finden sie auch, sodass die Tätigkeit um ihrer selbst willen (und daher gern) und nicht der Ergebnisse willen ausgeführt wird – schon gar nicht, weil andere das gut finden. Extrinsisch motivierte Personen führen eine Tätigkeit aus, weil die Ergebnisse, die damit erreicht werden, von anderen erwartet und indirekt oder direkt belohnt werden und sie diese Belohnung schätzen.
Mit Blick auf intrinsisch motivierende Anreize spricht man theoriegemäß und unter Bezugnahme auf Edward Deci und Richard Ryan (vgl. dazu aktuell Deci/Olafsen/Ryan 2017) von Situationen, die Neugier, Kompetenz und das Gefühl einer Kontrolle über die Umwelt sowie Selbstbestimmung und Selbstentfaltung ermöglichen. Diese Anreize treffen auf die in einer Person liegenden Motive, die je nach Ausprägung zu mehr oder weniger intrinsischer Motivation führen. Eine Motivation ist also das Ergebnis eines Matches von tätigkeitsinhärenten Anreizen und persönlichkeitsbedingten Motiven und kann unterschiedliche Intensitätsgrade annehmen. Man geht davon aus, dass die gerade genannten Anreize wie das Erleben von Neugier entsprechende Motive bei Personen im Allgemeinen hervorrufen. Im Detail ist es natürlich komplizierter und differenzierter, aber das sei hier vernachlässigt. Gut gesichert ist allerdings, dass die positiven Auswirkungen einer intrinsischen Motivation nicht nur die Zufriedenheit und positiven Gefühle der betreffenden Person betreffen, sondern dass diese Person auch als leistungsstärker, engagierter und lernwilliger wahrgenommen wird, was sie in den Augen einer Führungskraft ausgesprochen positiv erscheinen lässt. In diesem Zusammenhang ist überdies auf einen allgemeinen Befund hinzuweisen, der ebenfalls von großer Bedeutung ist: Intrinsisch Motivierte zeigen ein prosoziales, d.h. wenig egoistisches Verhalten anderen gegenüber und werden deshalb, so die naheliegende Vermutung, auch im Team überdurchschnittlich geschätzt. Eine aktuelle Studie differenziert diese Vermutung jedoch dahingehend, dass das prosoziale Verhalten der intrinsisch Motivierten stärker als bisher vermutet von der jeweiligen Motivation der anderen Teammitglieder abhängig ist.
Intrinsische Motivation und Moral
In der besagten Studie haben Kwon/Cunningham/Jachimowicz (2023) nachgewiesen, dass unter bestimmten Umständen die positiven Ergebnisse einer intrinsischen Motivation für das Team bzw. die Organisation gefährdet sind. Sie nehmen mit Bezug auf die sogenannte Moralisierungstheorie (vgl. für einen Überblick Rhee/Schein/Bastian 2019) an, dass intrinsisch motivierte Mitarbeitende eher als extrinsisch motivierte dazu neigen, intrinsische Motivation moralisch aufzuladen. Aus diesem Prozess einer Moralisierung der intrinsischen Motivation resultiert die individuell mehr oder minder ausgeprägte Überzeugung, dass es richtig sei, bei der Arbeit intrinsisch motiviert zu sein. Die bisherige Sichtweise, wonach intrinsische Motivation stets positiv mit prosozialen Verhalten korreliere, bedarf nach Einschätzung der Forschenden folglich einer differenzierten Betrachtung.
Der Clou bei dieser Differenzierung besteht nun darin, dass intrinsisch Motivierte andere Personen, beispielsweise Teammitglieder, hinsichtlich deren intrinsischer Motivation einstufen und sie bei entsprechender Zuschreibung als moralischer wahrnehmen. Moralisch höherstehende Personen verdienen in dieser Logik mehr freiwillige Unterstützung und entsprechend wird ein prosoziales Verhalten ihnen gegenüber stärker gezeigt.
Dass das vor allem jene Teammitglieder, die nicht intrinsisch motiviert sind, irritieren und teamintern Spannungen auslösen kann, ist evident. Denn die zuvorderst extrinsisch Motivierten wissen erstens nichts von den Beweggründen der Zurückhaltung intrinsisch motivierter Teammitglieder ihnen gegenüber und sehen zweitens nur, dass sie bei identischen Verhalten (Leistungsverhalten, Sozialverhalten) nicht gleichermaßen Unterstützung erfahren. Für die Unterstützungsleistung von Führungskräften gegenüber Mitarbeitenden kann Ähnliches gleichermaßen angenommen werden. Damit besitzt der Prozess der Moralisierung der intrinsischen Motivation durchaus eine explosive Brisanz für Teams, ggf. die Führungsbeziehung sowie auch für zwischenmenschliche Beziehungen auf der Arbeit an sich.
Mittels einer groß angelegten Feldstudie der obigen Autorenschaft auf Teamebene, diverser Online-Studien und eines Experiments konnte empirisch gezeigt werden, dass Mitarbeiter mit höherer intrinsischer Motivation eher dazu neigen, ihre eigene Motivation zu moralisieren und dementsprechend auch die Motivationsart anderer als ein moralisches Signal zu verstehen, die ihre Entscheidung beeinflusst, selektiv zu helfen.
Führungskräfte müssen sensibler mit Motivationsfragen umgehen
Motivation ist zwar ein ständig bewegendes Thema bei Führungskräften, wird aber in seiner Differenziertheit ungern intensiver reflektiert. Eher überwiegen sogenannte „Hinterkopftheorien“, die aber unterkomplex sind. Schade eigentlich, denn Wissen dazu, was Menschen bei der Arbeit inhaltlich motiviert, wie sich der Prozess der Motivation gestaltet und welche Bedeutung der Wille in diesem Zusammenhang besitzt, liegen vor. Zugegeben, es ist nicht einfach, dies alles präsent zu haben, wie etwa auch die hier dargelegte Gefahr der intrinsischen Motivation als Teamsprenger.
Was sollten wir uns auch unter Wiedergabe der Einlassungen der obigen Autorenschaft besonders merken?
Erstens sollten sich Führungskräfte und Organisationen darüber im Klaren sein, welche Auswirkungen Äußerungen über intrinsische Motivation auf Mitarbeitende haben können. Grund: Mitarbeitende nehmen solche Aussagen sehr sensibel auf und fällen Werturteile über andere, selbst dann, wenn sie diese (noch) gar nicht kennen, ihnen diese Information neu ist oder diese Information plötzlich bisherige Einschätzungen überlagert. Folgerichtig können kommunizierte Werturteile nicht nur die vielleicht erhoffte Modellwirkung verfehlen, sondern für diejenigen, die nicht genannt werden oder die als rein extrinsisch motiviert gelten, auch zu nachteiligen Ergebnissen wie Wertediskrepanzen und Konflikten zwischen Teamkollegen und Teamkolleginnen führen.
Zweitens sollten Mitarbeitende lernen zu erkennen, welche Rolle ihre intrinsische Motivation für ihre eigene Moralausprägung besitzt. Sie könnten zudem dieses Wissen für ihre Imagebildung nutzen, indem sie durch die Signalisierung ihrer intrinsischen Motivation das Bild eines „guten“ Arbeitnehmers vermitteln, um die Unterstützung ihres Teams und ihrer Führungskräfte gewinnen.
Drittens wäre zu erkennen, dass möglicherweise jene Teammitglieder ein Problem haben, die sich in ihrer Tätigkeit selbst nicht als intrinsisch motiviert wahrnehmen. Sie könnten zur Abwendung möglicher Karrierenachteile (z. B. dauerhaft ausbleibende Beförderung) versucht sein, in eine „Emotionsarbeit“ zu investieren, die nur vortäuscht, was nicht vorhanden ist. Die Nachteile dessen sind nicht nur aus dem Bereich des Service und der Pflege hinlänglich bekannt. Hier muss es aus Sicht der Führenden darum gehen, zu verdeutlichen, dass die Motivationsart nicht kurzschlüssig mit Moralität verknüpft werden sollte, sondern dass alle Personen es gleichermaßen wert sind, Unterstützung von anderen im Team zu erfahren bzw. Personen nicht einfach deshalb zu bevorzugen sind, weil sie intrinsisch motiviert sind – oder womöglich ja auch nur so wirken.
Weiten wir den Blick abschließend kurz. Die Gefahr einer Moralisierung der intrinsischen Motivation sollte Führungskräfte darauf aufmerksam machen, dass die intrinsische Motivation insofern kein Selbstläufer ist, weil auch sie durch äußere Eingriffe in die Art und Weise der Ausübung der Tätigkeit (z. B. den Führungsstil) oder durch extrinsische Steuerungsversuche (z. B. Incentivierung) gefährdet ist oder sogar vernichtet werden kann. Wer hoch steigt, kann dann umso tiefer fallen. Deshalb gilt für Führungskräfte, zu wissen, was genau die intrinsische Motivation bei einer Person auslöst, um sie nicht unbedacht zu beeinträchtigen. Dann sollte klar sein, dass die Motivation eine prägende Voraussetzung für eine ansprechende Leistung ist, aber beileibe nicht die einzige. Fähigkeiten seien beispielhaft dafür angeführt. Das Suchfeld in der Führungspraxis zur Förderung und zur Bewertung eines erwünschten Verhaltens sollte also nicht zu eng ausgelegt werden. Selbst das Glück hat seinen Platz.