Dieser Beitrag ist Teil der Serie HR und Führung

Andere Beiträge in dieser Serie:

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  2. Unethische Arbeitgeber – Folgen einer fragwürdigen Reputation
  3. Coaching in Organisationen – Fakten und Bewertung
  4. Auswahl von Führungskräften – Lücken im Lebenslauf kein Ausschlusskriterium
  5. Rekrutierung von Führungskräften – Was nützt hier Controlling?
  6. Die Crux der Leistungsbewertung
  7. Sabbaticals – Eine Studie zum Change der etwas anderen Art

Dieser Beitrag ist Teil der Serie Führungs-Controlling

Andere Beiträge in dieser Serie:

  1. Führungs-Controlling – Ranking von Führungskräften?
  2. Führungs-Controlling: Was ist Weiterbildung wert?
  3. Rekrutierung von Führungskräften – Was nützt hier Controlling?
Die Besetzung von Führungspositionen ist ein kritischer, kostenintensiver Vorgang. Umso mehr fragt man sich, warum dieser Prozess in der Praxis nicht systematisch durchdrungen wird. Leadership Insiders konzentriert sich heute dabei auf das Problem, wie ein Controlling der Rekrutierungskanäle gelingen kann. Dabei wird sich zeigen, dass die Wahl des geeigneten Rekrutierungskanals gezielt angegangen werden kann, sofern Anfangsinvestitionen nicht gescheut werden.

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Recruiting von Führungskräften ist schwierig und kostenträchtig. Fehlbesetzungen bleiben nicht aus, was dann neben Frustration und ggf. Reputationsschäden zu weiteren Kosten führt. Erstaunlich, dass Entscheider selten ein systematisches Controlling zur Rekrutierung durchführen. Ginge das nicht besser? Leadership Insiders veranschaulicht eine Methode, die die Effektivität und Effizienz der Rekrutierungsquellen verbessern kann. Dieses Führungskräfterekrutierungs-Controlling („Leader-Recruiting-Controlling“, kurz: LRC) gewinnt angesichts erweiterter Kanäle der Rekrutierung – etwa über Künstliche Intelligenz („Robot Recruiting“) oder Online-Spiele – zunehmend an Bedeutung.

Bedeutungsgewinn des Leader-Recruiting-Controllings (LRC)

Wissen Sie, was der Besetzungsprozess eines Ihrer Teammitglieder kostet? Oder wie teuer es käme, wenn Sie Ihre Organisation verlassen würden? Nun, sofern man Sie nicht über derartige Kosten orientiert hat oder gar Ihr Budget damit belastet wird, normalerweise nicht. Die Sache wird nicht besser, wenn wir Ihnen sagen, dass auch diejenigen, die es wissen müssten, also die Geschäftsführung und die Personalverantwortlichen, allzu oft ebenfalls keine genaue Vorstellung diesbezüglich besitzen. Falls sich der Dienste eines Externen versichert wird, oder Provisionszahlungen an Plattformen zu leisten sind, wird dies gerne als Anhaltspunkt genommen. Aber das ist selbstredend zu kurz gesprungen. Erstens werden die eigenen Aktivitäten für die Besetzung nicht bepreist, zum anderen werden – und das ist ja der Regelfall – die Kosten bei der Wiederbesetzung einer Position systematisch ignoriert. Während eine allfällige Abfindung bei einem (erzwungenen) Weggang wohl noch auf dem Schirm ist, werden hingegen

  • die (mögliche) Minderleistung des Stelleninhabers in der Vergangenheit
  • Teamminderleistungen
  • verlorenes Vertrauen bei den Kunden
  • entgangener Umsatz durch eine Stellenvakanz (abzgl. Gehaltseinbehaltung) sowie
  • die unproduktivere Einarbeitungsphase des/der Neuen

selten bis nie kalkulatorisch geschätzt. Aber die entsprechenden Kosten fallen ggf. an, auch wenn niemand darüber spricht. Wird ehrlich gerechnet, ist bei Führungskräften eine bis zu Verzehnfachung der dokumentierten oder angenommenen Kosten (besonders im Vertrieb) keine Ausnahme mehr.

Recruitingkanäle bewerten

Deshalb lohnt es sich, einmal zu überlegen, ob nicht zumindest mehr Transparenz durch Controlling bei den Beschaffungswegen zu erreichen ist. Denn diese sind nicht nur selbst kostenrelevant, sondern wirken sich nachweislich auch auf die Qualität der neu eingestellten Führungskräfte und deren Verweildauer aus.

Dem Unternehmen stehen für die Rekrutierung verschiedene Kanäle zur Verfügung. Neben Printmedien, Headhuntern, Stellenbörsen oder Jobmessen spielen das Social Recruiting (Social Hiring), also die Suche nach Talenten via XING, Facebook, LinkedIN etc. sowie die Empfehlung durch Mitarbeiter eine wachsende Rolle (vgl. z.B. Bärmann 2012)

Aber welcher Recruitingkanal oder welche Kombination aus Recruitingkanälen ist optimal. Sicherlich besitzt die Personalabteilung hierüber eine bestimmte Auffassung, aber dieses Wissen ist im Allgemeinen weder dokumentiert oder spezifiziert noch wirklich systematisch nachgehalten.

Hier setzt das LRC an. Der Charme: Es kann von der jeweiligen Organisation selbst durchgeführt werden. Was ist dazu notwendig?

Zum einen kann ein Unternehmen intern die notwendigen Rekrutierungs-Daten generieren, etwa im Zuge eines Bewerbermanagementsystems, das den gesamten Weg einer Führungskraft von Anfang bis zum Ende des Rekrutierungsprozesses überwacht und abbildet. Hier geht es um Prozesstreue und das genaue Tracking von Daten zur Gewinnung präziser Informationen. Von großer Bedeutung sind dabei die sogenannten Quelldaten einer Bewerberdatenbank, die Auskunft darüber geben, woher die jeweilige Bewerberin stammt (vgl. Indeed 2017, S. 4/6).

Zum anderen kann ein Unternehmen auch auf unternehmensexterne Daten zur Informationsgewinnung zurückgreifen. Dies ist insbesondere dann geboten, wenn keine unternehmensinternen Daten zur Verfügung stehen. Dann könnten verfügbare Daten etwa von Lieferanten und Wettbewerbern, Beratungsunternehmen, Marktforschungsinstituten oder wissenschaftlichen Institutionen herangezogen werden. Im Zusammenhang mit dem letztgenannten Punkt kann beispielsweise die Betrachtung von Metastudien hilfreich sein, die die Ergebnisse durchgeführter empirischer Studien in der Rekrutierungsforschung vergleichen und als Kollektiv auswerten. Hierauf basierend könnten dann Schlussfolgerungen für die eigene Rekrutierungsstrategie abgeleitet werden.

Welche Kennzahlen nutzt ein Leader-Recruiting-Controlling?

Ein belastbares Set sogenannter Key Performance Indikatoren (kurz: KPIs) bildet den Kernbestand eines effizienten LRC. Kennzahlen gibt es viele und diese können je nach Unternehmen, Art der Position oder Branche variieren. Zentrale KPIs in der Rekrutierung lassen sich aber zumindest grob in die Bereiche Zeit, Effizienz und Qualität einordnen.

Die folgende Tabelle 1 (in Anlehnung an Indeed 2017 und Personalwirtschaft 2017) stellt überblicksartig relevante Kennzahlen dar.

Zeitkennzahl Effizienzkennzahl Qualitätskennzahl
Zeit bis zur Besetzung (Time to Fill): Die Zeit, die es braucht, um eine interne oder externe Führungskraft zu finden und zu rekrutieren, um eine Führungsposition im Unternehmen zu besetzen. Zeit bis zum Interview: Wie lange dauert es, eine Anfrage zu einem Vorstellungsgespräch aufzugreifen?

Fehlerraten: Wie oft treten Fehler bei Terminvereinbarungen für Interviews auf?

Führungskräfte pro Neueinstellung: Wie viele Führungskräfte werden gescreent und interviewt, bis es zur Neueinstellung kommt?

Cost per Hire: Kosten pro Neueinstellung durch Nutzung einer bestimmten Quelle (z.B. durch Rekrutierung über Personalberater)

Applications per Vacancy: Durchschnittliche Bewerbungszahl je freier Stelle

Channel Effectiveness: Anzahl qualifizierter Führungskräfte je Rekrutierungskanal

Cost of Vacancy: Kosten einer nicht besetzten Führungsposition

Leader Conversion Rate: Anteil der (Karriere-) Besucher, die sich bewerben

Quality of Hire: Qualität und Leistung der neu eingestellten Führungskraft (z.B. Bewertung des Führungsverhaltens durch die Mitarbeiter und Abgleich mit dem im Excecutive Assesment ermittelten Daten)

Leader Satisfaction: Zufriedenheit der Führungskräfte mit dem Rekrutierungskanal

Frühfluktuation (bis sechs Monate): Zahl der neu eingestellten Führungskräfte, die weniger als sechs Monate im Unternehmen verbleiben

Hiring Manager Satisfaction: Zufriedenheit der Fachabteilung mit dem Rekrutierungsprozess

Tabelle 1: Ausgewählte Kennzahlen im LRC

Anwendungsbeispiel zur Berechnung des Return on Leader Recruiting (ROLR)

Im Folgenden wollen wir uns nun etwas spezialisieren und die Aufmerksamkeit auf die Frage richten, wie sich die Effektivität und Effizienz einer bestehenden Rekrutierungsquelle berechnen lässt. Analog zum Return on Leadership Development (RODI) im Weiterbildungscontrolling kann auch ein Return on Investment (ROI) der Rekrutierungsstrategie abgeleitet werden (vgl. Indeed 2017, S. 14/18ff.). Bezogen auf Führungskräfte wollen wir hier vom Return on Leader Recruiting (ROLR) sprechen.

Betrachten wir ein fiktives Beispiel zur möglichen Anwendung des ROLR unter Rückgriff auf die besonders wichtigen Kennzahlen

  • Time to Fill (Rekrutierungsdauer)
  • Cost per Hire und (Rekrutierungskosten pro Fall)
  • Quality of Hire (Rekrutierungsqualität).

Nehmen wir an, das Unternehmen hatte im letzten Jahr einen Bedarf an zwei neuen Führungskräften. Da intern keine passenden Nachbesetzungen möglich waren, nutzte das Unternehmen die externe Rekrutierung. Diese lief einerseits über einen Headhunter, der als einzige Quelle die Direktansprache wählte und dem Unternehmen drei Kandidaten vorschlug (Quelle A), andererseits über das Unternehmen selbst (Stellenanzeige in einer Online-Jobbörse; Quelle B). Tatsächlich konnten so die benötigten zwei Führungskräfte eingestellt werden.

Was war aber nun effektiver? Um eine Antwort zu finden, implementierte das Unternehmen erstmalig ein LRC. Für die Berechnung ermittelten die Verantwortlichen den Durchschnitt jeder der drei Kennzahlen (entweder unternehmensintern oder durch Referenzunternehmen bzw. -statistiken bekannt) und verglichen diesen mit den Ausprägungen der Kennzahlen bei den beiden Neueinstellungen. Unsere eigene Abbildung 1 gibt einen beispielhaften Überblick zu diesem Sachverhalt:

Abbildung 1: Beispielhafte Berechnung des ROLR der Quellen Direktansprache (Quelle A) und Online-Jobbörse (Quelle B) (eigene Darstellung nach Indeed 2017, S. 18f.)

Ergebnis ist dann ein sogenanntes Quellen-Scoring, das Aussagen über die Qualität einer Quelle sowie den Quellenwert ermöglicht. Dies funktioniert wie folgt:

Die Quelle A hat zur Neueinstellung einer Führungskraft 20 Tage benötigt. Da eine Neubesetzung externer Daten zu Folge im Durchschnitt 35 Tage dauert, besitzt die Quelle A hier Vorteile. Es wird daher ein Wert von 3 „niedriger als der Durchschnitt“ angesetzt. Die Kosten für die Neueinstellung liegen mit 20.000 Euro im unternehmensinternen Durchschnitt (Wert 2). Eine Befragung 12 Monate nach der Neueinstellung hat ergeben, dass Mitarbeiter das Führungsverhalten der Führungskraft schlechter bewerten als das von anderen Führungskräften der gleichen Hierarchiestufe (Wert 2 auf einer Skala von 1 bis 6; Durchschnitt 4), weshalb das Unternehmen die Quality of Hire hier mit einem Wert von 1 („niedriger als der Durchschnitt“) ausweist. Der Quellenwert für Quelle A ergibt sich dann aus der Multiplikation der einzelnen Bewertungen (Quellenqualität) unter Berücksichtigung der Anzahl der Neueinstellungen:

Quellenqualität Quelle A: 3*2*1 = 6

Anzahl der Neueinstellungen Quelle A: 1

Quellenwert Quelle A: 6*1 = 6

Quelle A hat also einen Quellenwert von 6. Wie sieht es nun mit der Quelle B aus?

Die Quelle B hat ebenfalls nur zu einer Neueinstellung geführt, allerdings dauerte es bis zur Besetzung mit 40 Tagen wesentlich länger als bei Quelle A und lag damit über dem unternehmensexternen Durchschnitt von 35 Tagen. Es wird daher ein Wert von 1 „höher als der Durchschnitt“ vom Unternehmen angesetzt. Die Kosten für die Neueinstellung liegen mit nur 10.000 Euro unter dem unternehmensinternen Durchschnitt (Wert 3). Eine Befragung wiederum 12 Monate nach der Besetzung hat ergeben, dass Mitarbeiter das Führungsverhalten der Führungskraft diesmal besser bewerten als das von anderen Führungskräften gleicher Hierarchiestufe (Wert 6 auf einer Skala von 1 bis 6; Durchschnitt 4). Die Quality of Hire wird hier deshalb mit einem Wert von 3 („höher als der Durchschnitt“) ausgewiesen. Der Quellenwert für Quelle B ergibt sich dann analog zu Quelle A:

Quellenqualität Quelle B: 1*3*3 = 9

Anzahl der Neueinstellungen Quelle B: 1

Quellenwert Quelle B: 9*1 = 9

Die Quelle B ist in unserem Beispiel somit diejenige Quelle, die am besten funktioniert. Sie besitzt einen höheren Quellenwert als die Quelle A und liefert die höherwertige Neueinstellung. Das Unternehmen sollte im Rahmen der Rekrutierung von Führungskräften zukünftig folglich verstärkt diese Quelle nutzen, sofern der Headhunter seine Performance nicht nachweislich verbessert oder die Online-Plattform überproportional an Kraft verliert. Unberücksichtigt bleiben hier mögliche finanzielle Auswirkungen aufgrund divergierender Besetzungszeitpunkte, die realiter eh mittelfristiger i.d.R. wegen der Kündigungsfristen zu veranschlagen sind. Aber intern ist schon wichtig, den Prozess abgeschlossen zu haben. Es steht Unternehmen im Übrigen frei, eigene Key Performance Indikatoren zu wählen und ggf. auch zu gewichten!

Controlling des Leadership Recruitment: Möglichkeiten und Grenzen

Falls im Rahmen eines Führungs-Controllings die Rekrutierungsmaßnahmen bewertet werden sollen, so gibt es mehrere Möglichkeiten. Die Berechnung des Quellenwertes besitzt hohes Potenzial und stellt eine praktikable Methode dar. Und unserer Ansicht nach ist grundsätzlich auch jede Organisation in der Lage, den ROLR zu ermitteln und ein LRC zu implementieren.

Der Aufbau einer unternehmensinternen Bewerberdatenbank ist dafür jedoch vermutlich unverzichtbar. Denn externe Daten sind häufig nur schwer verfügbar. Dass man dann im Rahmen eines LRC durchaus auch mit begründeten Schätzungen Vorlieb nehmen muss, ist offensichtlich. Auch sollte man vor einer Implementierung eines LRC nicht zurückschrecken, weil dieser Prozess – wie etwa auch das bereits vorgestellte Weiterbildungscontrolling oder die Data Envelopment-Analysis Methode (DEA-Methode) – in der Entwicklung und Implementation anfängliche, aber begrenzte v.a. zeitliche Investitionen erfordert. Technische Probleme stellen sich nicht, eine Standardsoftware reicht erst einmal aus. Mit zunehmender Dauer sollten die Prozesse erfahrungsbedingt einfacher werden und der Nutzen die Kosten übersteigen. Dies dürfte insbesondere dann der Fall sein, wenn aufbauend auf dem LRC weiterführende Diskussionen und Reflexionsprozesse über den Rekrutierungsprozess von Führungskräften angestoßen werden und das LRC als Teil des organisationalen Lernens (vgl. Weibler 2016, S. 234ff.) die Führungsqualität nachhaltig erhöht.

Bärmann (2012): Social Media im Personalmanagement: Facebook, Xing, Blogs, Mobile Recruiting und Co. Erfolgreich umsetzen, 1. Auf., Heidelberg u.a.

Indeed (2017): Entdecken Sie den Return-on-Investment (ROI) Ihrer Personalbeschaffungsstrategie. http://offers.indeed.com/DE_ROI_ebook.html; zugegriffen am 11.05.2017

Personalwirtschaft (2017): Recruiting-KPIs – Auf diese Zahlen kommt es an https://www.personalwirtschaft.de/recruiting/recruiting-kpis-auf-diese-zahlen-kommt-es-an.html#3787; zugegriffen am 15.05.2017

Weibler, J. (2016): Personalführung, 3. Aufl., München

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