Mit Outdoor Leadership Trainings soll an die Führungserfahrungen aus Urwald oder Savanne angeknüpft werden. Die adaptierten Ausgestaltungsformen sind zahlreich und im Rahmen der Führungskräfteentwicklung beliebt. Unmittelbare Wirkungen auf die Teilnehmenden sind nachzuweisen, allerdings bleiben messbare Effekte hinsichtlich eines Transfers auf die Arbeitssituation bislang sehr begrenzt. Diese Unklarheit ist auch Ausfluss eines darniederliegenden Führungscontrollings in den Betrieben.

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Sailing, Climbing, Rafting? Oder doch nur der aus der Jugend vertraute Seilgarten? In der Führungskräfteentwicklung werden zunehmend Formate gesucht, die der belehrenden, frontalen Vermittlung von Inhalten etwas entgegensetzen. Aktives Tun in einem ursprünglichen Umfeld heißt die Alternative. Zurück zu den evolutionären Wurzeln. Auch die Zukunft der Führung braucht Herkunft. Outdoor Leadership Development Trainings versprechen dies. Erfahrungen alleine oder im Team, deren Reflexion, verbunden mit sich (erhofft) anschließenden Generalisierungsprozessen, sollen Naturerlebnisse in Führungskompetenz überführen. Leadership Insiders bilanziert, welcher Impact jenseits des Entertainments bislang nachzuweisen ist.

Hintergrund der Outdoor-Philosophie

Den Hintergrund der Outdoor-Philosophie formulierte Kurt Hahn, der Begründer der Erlebnispädagogik, im unteren Sinne:

Menschen sollen sich viel mehr auf ihre eigenen inneren Ressourcen verlassen, um ihr Potential zu entfalten. Dabei bietet die Natur einen Katalysator, der Wandel ebenso wie Selbstwahrnehmung und ein Verständnis für andere befördert.

Seine erlebnispädagogischen Überlegungen führten zu der sog. „Outward-Bound“- Bewegung der 1950er Jahre. Erste Ansätze der Übertragung in die Personalentwicklung fanden in den 1970er Jahren statt. Ganz neu war das Schöpfen von Kraft aus der Natur dennoch nicht: Man denke nur an den britischen General Robert Baden-Powell und sein erstes Pfadfinderlager in 1907, in dem das Lernen durch Tun in kleinen Gruppen Programm war, ganz zu schweigen vom Reformpädagogen und politischen Theoretiker Jean-Jaques Rousseau, der im 18. Jh. bereits den Naturzustand als den dem Menschen ursprünglichen beschrieb.

Was ist ein Outdoor Leadership Training?

Ein Outdoor Training ist eine handlungsorientierte Form des Lernens, das im Wesentlichen „unter freiem Himmel‘ stattfindet. Ziel ist bei der Ausrichtung auf Leadership der Erwerb oder die Festigung von Führungskompetenzen.

Eine Kompetenz ist idealerweise ein Vermögen, Tun auf Wissen zu basieren, das Gewusste kontextsensitiv zu gestalten, auch fortzuentwickeln, und diesen Prozess in der Praxis zu reflektieren.

Für Führungskräfte werden im Rahmen eines Outdoor Leadership Development Trainings beispielsweise folgende Wirkungen auf die allgemeine Führungskompetenz benannt: Die situationsspezifische Anpassung des Führungsstiles, die effektive Nutzung von Kommunikationskanälen, die treffsichere Entscheidungsfindung unter Zeitdruck (Priest/Gass 2018).

Neben der Bezeichnung als Outdoor Leadership Training finden sich auch Begrifflichkeiten wie das „Erfahrungs- und erlebnisorientierte Training“, das „Outdoor Management Training“, das „Outdoor Management Development“, „Outdoor Development Training“ oder das „Outdoor-based Experiential Training“.

Die Briten Dominic Irvine und John Wilson fassten die konstitutiven Elemente des Outdoor Leadership Development Trainings anschaulich zusammen.

  • Das Training sollte in einer Umwelt stattfinden, die neu für die Teilnehmer ist, und idealerweise neue Aktivitäten.
  • Die Teilnehmer sollten dazu ermutigt werden, psychologische Risiken einzugehen und über Erfahrungslernen zu bewältigen. „Echte“ Gefahren sind dabei nicht gegeben, lediglich wahrgenommene psychologische Risiken sind einzugehen.
  • Die Aktivitäten, aus denen ein Outdoor Leadership Development Training besteht, sollten so gewählt sein, dass das Ausmaß der Herausforderung den individuellen Bedürfnissen der Teilnehmer entspricht.
  • Die Aktivitäten des Trainings sollen idealerweise das Arbeitsumfeld  reflektieren.
  • Die Aktivitäten sollen eher Management- bzw. Führungsfähigkeiten stärken, statt aufgabenspezifische Fähigkeiten zu fördern.
  • Die Reflexion des Gesamtprozesses ist zwingend erforderlich, um die gewünschten Resultate zu erzielen und den Transfer auf den Arbeitskontext zu realisieren.

Outdoor Leadership Trainings kreisen direkt oder  indirekt um Alltagsprobleme einer Führungskraft.  Zentrale Annahme ist, dass Wachstum erst durch Erfahrung entsteht. Die Besonderheit liegt darin, dies einerseits in einem Setting zu tun, das die Natur zum Raum der Problembewältigung definiert und andererseits dieser Problembewältigung keine Vorsteuerung durch z.B. formale Hierarchien beifügt. Evolutionspsychologisch gesehen sollen natürlich entstehende Formen der Führung und Zusammenarbeit  angeregt werden. Neurowissenschaftlich formuliert werden dadurch Gehirnregionen aktiviert, die im normalen Büroalltag zwar abstrakt eine sehr wichtige Rolle spielen, aber keine körperliche Entsprechung mehr erfahren wie beispielsweise die Koordination.

Wichtig zu wissen, ist, dass Outdoor Trainings nicht per se ausschließlich in der Natur stattfinden. Es besteht eine gewisse Formenvielfalt (Kern/Schmidt 2001). So finden beispielsweise die Wilderness-Programme nahezu ausschließlich in der Natur statt, sodass die Teilnehmer sogar in Zelten, Iglus, Biwaks, Booten oder im Wildschutz schlafen. Die Mehrzahl der durchgeführten Leadership Outdoor Trainings sind jedoch sogenannte Outdoor-basierte Programme, bei denen die Aufgaben sowohl Indoor als auch Outdoor stattfinden. Ersteres gilt häufig für die einführenden Kennlern-Aktivitäten, für Aufgaben zum Vertrauensaufbau sowie für die abschließende Gesamtreflexion. In der Wahrnehmung sind es jedoch die Outdoor-Übungen, die die Aufmerksamkeit für dieses Weiterbildungsgenre generieren. Was am Ende daraus gewählt wird, sollte von der Zielsetzung und der Konstitution der Teilnehmer abhängen – nicht zuletzt wird es auch vom Budget determiniert. Eine Auflistung gängiger Formen der Outdoor-Aktivitäten sehen wir nachfolgend.

 

Outdoor-Aktivitäten: Problemlösungsaufgaben und Aufgaben
mit Übernahme sozialer Verantwortung
Alpine Aktivitäten Aktivitäten auf dem Wasser Aktivitäten unterwegs
     
– Bergtour – Kanu fahren – Wandern
– Klettern – Schlauchbootfahren – Radtouren
– Abseilen – Segeln – Biwak
– Schneeschuhwanderung – Floßbau – Schluchtüberquerung
– Skitour – Rafting
     

Tabelle: Beispielhafte Aktivitäten in einem Outdoor Training als Personalentwicklungsmaßnahme (Eigene Darstellung in Anlehnung an Kölsch/Wagner 2004).

Meistens sind diese Aktivitäten Bestandteil eines mehrtägigen Programms, dessen idealtypischer Ablauf nun skizziert wird.

Typischer Ablauf eines Outdoor Leadership Trainings

Nach einer Vorbereitungsphase, in der Erwartungen, Ziele und Regeln erklärt werden, wird in einem Warming-Up mittels einiger Spiele die Gruppe miteinander vertraut gemacht. Bekannt geworden ist hier der „Vertrauenslauf“, bei dem ein Teilnehmer mit verbundenen Augen von einem anderen Teilnehmer durch einen Parcours geführt werden muss. Um Führungsfragen, oftmals eingebunden in einen Kommunikationskontext anzugehen, werden Problemlöse- und Initiativaufgaben mit variierendem Schwierigkeitsgrad gestellt. Weiterführende Aufgaben bedingen die Übernahme sozialer Verantwortung unter gegenseitiger Abhängigkeit. Nachfolgend kann eine erfolgreiche Bewährung in Aufgabensituationen innerhalb größerer Projekte bzw. Touren realisiert werden. Dies sind vor allem die vielfach umworbenen, medial wirksamen Aufgaben, wie das Bezwingen eines Eisgletschers oder das Wildwasserrafting. Eingebettet ist das Geschehen stets in Instruktions- und Reflexionsphasen. Das Training schließt mit einer Phase der umfassenden Selbstreflexion, unterstützt durch gezieltes Feedback und Erfahrungsaustausch. Da dies leichter gesagt als umgesetzt ist, hilft idealerweise ein so genannter „Facilitator“ den Teilnehmenden, „Beobachter ihres eigenen Lernens“ (Holmes 2015) zu werden. Beabsichtigt ist, dadurch auf der Reflexionsebene voranzuschreiten.

Wirkung (Impact) eines Outdoor Leadership Trainings

Der Nutzen eines erfahrungsgestützten Lernens steht außerhalb jeder Diskussion. Auch gibt es überzeugende pädagogische Vorstellungen über die Entwicklungsfähigkeit der Persönlichkeit oder eines Teams durch Erfahrungslernen. Dies ist in der Regel aber mit dem unmittelbaren Anwendungsfeld verknüpft.

Auch für den Nutzen des Outdoor Führungstraining liegen gute, allerdings nicht immer taufrische Belege vor. Untersuchte Effekte (u.a. in Metastudien) wiesen einen mittleren positiven Zusammenhang auf. Zentral: Selbstregulation und hier insbesondere die Selbstwirksamkeit und das Selbstvertrauen. Für traditionell mit Leadership verbundene Erfolgsmaße (Gewissenhaftigkeit, Entscheidungsfindung, Zeitmanagement, Zielerreichung, etc.) konnte ebenfalls eine nennenswerte Effektstärke, vergleichbar mit anderen Maßnahmen der Personalentwicklung, aufgezeigt werden.

Die Stärkung neuerer Erfolgsmaße der Führung, wie beispielsweise der Achtsamkeit, konnte ebenso belegt werden. Eng hiermit verbunden zeigte jüngst eine Studie von van Droffelaar und Jacobs (2017), dass Führungskräfte, die an einem Outdoor Leadership Training teilnahmen, einschneidende Erfahrungen berichteten, die mit der Absicht zu einer stärker authentischen Führung einhergingen. Die Inhaltsanalyse der persönlichen Erfahrungsberichte der Teilnehmer legte insbesondere offen, dass die Teilnehmer des Trainings ihr zukünftiges Führungsverhalten mehr auf Grundlage einer stärker forcierten Selbsterkenntnis und dem Folgen ihrer internalen Werte und Überzeugungen fußen lassen möchten. Ebenfalls beabsichtigen sie das Zuhören und die Entscheidungsfindung durch ein höheres Bewusstsein und eine stärkere Achtsamkeit positiv zu beeinflussen.

Eine vernünftige Einschätzung für den betriebliche Kontext verlangt aber nicht nur ein Bekenntnis zu Absichten, sondern auch einen direkten Transfernachweis,  sprich: die Erfahrungen auf dem Feld A (Outdoor, z.B. gekennzeichnet durch eine Gleichstellung der Gruppenmitglieder) müssen das Verhalten im Feld B (Arbeitsteam, z.B. gekennzeichnet durch eine Über- und Unterordnung der Gruppenmitglieder) gemessen an der Ausgangssituation verbessern.

Aktuelle empirische Evaluationsstudien dazu sind allerdings rar gesät. Zur Arbeitseffektivität gibt es leider nur wenige Befunde – von denen einige eine moderate positive Wirksamkeit herausstellen (vgl. Felfe/Franke 2014). Sehr erfreulich ist deshalb eine Studie, die einen ersten Schritt zur Erhöhung der Messqualität ging, indem subjektive Selbsteinschätzungen mit objektiven Maßen der Effektivität verglichen wurden.  Die gemeinsame Studie eines Forscherteams der Universität von Tennesse in den USA und der Universität Kyungnam aus Korea demonstrierte hier, dass die subjektive Selbsteinschätzung des Stressniveaus parallel zu den objektiven Maßen des Elektroenzephalogramms (EEG) bzw. des Fitnesstrackers verlief (Bailey/Johann/Kang 2017). Inwieweit diese Korrelation auch für nicht körperliche Einschätzungen gilt, wäre weiter zu erforschen.

Jenseits der subjektiven und objektiven Messung sind Einflussgrößen nicht zu vergessen, die die Wirksamkeit generell berühren. Einer der stabilsten Befunde ist hier, dass die Möglichkeit, von Outdoor Leadership Trainings zu profitieren, nicht unwesentlich vom Individuum selbst abhängt. So konnte ein Forscherteam um Scott de DeRue von der School of Business der University of Michigan 2012 nach 9 Monaten „Einwirkungszeit“ zeigen, dass insbesondere Führende, die sehr gewissenhaft, offen für neue Erfahrungen und emotional stabil sind, stark und auch langfristig profitieren. Ebenfalls wirken sich hohe kognitive Fähigkeiten begünstigend aus. Ergo: Wer bereits in der Richtung des Programms innerlich auf dem Weg ist oder günstige Voraussetzungen dafür mitbringt, profitiert besonders – ein grundsätzlicher Eindruck bei Personalentwicklungsprogrammen.

Fazit Outdoor Leadership Trainings: Spaß ist meistens garantiert, betrieblicher Nutzen offen

Outdoor-Aktivitäten sind eine in sich variante Möglichkeit, mehr über sich selbst und andere zu erfahren. Lerneffekte sind zweifelsfrei gegeben. Dies betrifft beispielsweise den Effekt auf die Selbstwirksamkeitsüberzeugung („Mit meinen Fähigkeiten kann ich etwas erreichen“). Ob sich diese bislang untersuchten Effekte aber auf die Arbeitssituation – gar langfristig anhaltend – transferieren lassen, muss wissenschaftlich betrachtet offenbleiben. Hier wären aber spezifische Aussagen je nach betrachtendem Effekt zu erwarten. Das Führungscontrolling ist also wieder einmal kein großes Thema, schon gar nicht in der Praxis. Dort überwiegen Anmutung und persönliche Überzeugung der Entscheider. Die Bereitschaft, die nicht geringe finanzielle Investition belegbar zu rechtfertigen, ist kaum gegeben. Das Knowhow, dies zu leisten, ist vermutlich ebenso entwicklungsbedürftig. Die typischen Stimmungsabfragen nach dem Ende des Trainings in dem Stile des fleißig ausdifferenzierten „Wie war‘s?“ sind für diesen Zweck vollkommen untauglich. Da darf man sich nicht wundern, wenn diese Trainings in angespannten Zeiten mit als erstes gestrichen werden, auch wenn die Entscheidung falsch sein könnte.

Jenseits aller gefundenen oder noch abzuklärenden Effekte auf die Personalentwicklung ist festzuhalten: Die Aktivitäten machen den Meisten wohl Spaß. Führungskräften Momente der Freude und Selbsterfahrung zu gönnen, ist ein ehrenwertes Ziel. Dafür liegt man mit einem passenden Outdoor Leadership Training als Option goldrichtig.

Bailey, A. W./Johann, J./Kang, H.-K. (2017): Cognitive and Physiological Impacts of Adventure Activities: Beyond Self-Report Data. In: Journal of Experiential Education, 40(2), S. 153-169

DeRue, D. S./Nahrgang, J. D./Hollenbeck, J. R./Workman, K. (2012): A quasi-experimental study of after-event reviews and leadership development. In: Journal of Applied Psychology, 97(5), S. 997–1015

Felfe, J./Franke, F. (2014): Führungskräftetrainings, Hogrefe, Göttingen

Gillis, H. L./Speelman, E. (2000): Are Challenge (Ropes) Courses an Effective Tool? A Meta-Analysis. In: Journal of Experiential Education, 31(2), S. 111-135

Hattie, J./Marsh, H. W./Neill, J. T./Richards, G. E. (1997): Adventure Education and Outward Bound: Out-of-Class Experiences That Make a Lasting Difference. In: Review of Educational Research, 67(1), S. 43-87

Holmes, P. (2015): Vocational training and higher education. Using outdoor education as a lens. In: Robertson, M./Lawrence, R./Heath, G. (Hrsg.): Experiencing the outdoors. Enhancing strategies for wellbeing, SensePublishers, Rotterdam, Boston, Taipeh, S. 207-221

Irvine, D./Wilson, J. P. (1994): Outdoor Management Development – Reality or Illusion? In: Journal of Management, 13(5), S. 25-37

Kern, H./Schmidt, D. (2001): Nutzen und Chancen des Outdoor Trainings. Eine Methodentriangulation zur Überprüfung des Praxistransfers im betrieblichen Kontext, Diss., Universität Bielefeld, Bielefeld

Kölsch, H./Wagner, F. J. (2004): Erlebnispädagogik in der Natur. Ein Praxishandbuch für Einsteiger, 2. Aufl., Ernst Reinhardt Verlag, München

Priest, S./Gass, M. (2018): Effective Leadership in Adventure Programming, 3. Aufl., University of Hempshire, Human Kinetics, Champaign, IL.

Van Droffelaar, B./Jacobs, M. (2017): The role of wilderness experiences in leaders‘ development toward authentic leadership. In: Leadership & Organization Development Journal, 38(8), S. 1144-1156