In einer vielfach positiv kommentierten Überblicksstudie zum Thema „Frauen im Management“ habe ich unter anderem verborgene Mechanismen offen gelegt, die eine gleichberechtigte Teilnahme von Frauen im Führungsgeschäft erschweren. Heute zeige ich ergänzend dazu anhand von drei Studien auf, wie verblüffend einfach unsere Urteilskraft aus den Angeln gehoben wird, wenn wir nicht aufpassen. Zum Nachteil von Frauen.
Start-ups: Investoren präferieren attraktive Männer
Start-ups sind Treiber von neuen Geschäftsmodellen und von Wohlstand. In den USA sind sie für fast 20% der neu geschaffenen Arbeitsplätze verantwortlich. In ihrer Anfangsphase sind sie in aller Regel auf zufließendes Geld angewiesen. Dafür gibt es, nun ja, auch Banken. Vorzugsweise wird dieses Hochrisikogeschäft allerdings von beweglicheren Venture Capitalists übernommen. Sie investieren in Projekte, die zu Beginn alle irgendwie erfolgversprechend aussehen, von denen sich am Ende gleichwohl viele als „schwarze Löcher“ erweisen werden. Dieses Risiko ist bekannt und wird bewusst eingegangen. Der spätere Erfolg ist nie und von niemandem im Vorfeld berechenbar. Hinter dem steht dafür immer die Hoffnung, plötzlich mit Anteilen in „Googlequalität“ dazustehen oder doch zumindest mit bedeutsamen Profiten herauszukommen. Das ist Motivation genug.
Aber wem soll man das Geld eher anvertrauen: Einer Entrepreneurin oder einem Entrepreneur? Vermutlich wird kaum ein Investor in dieser Frage ohne Projektkenntnis von vornherein festgelegt sein. Vielmehr wird man auf Nachfrage hören, dass ganz anderes wichtiger sei: die Geschäftsidee, das Team oder gar der Zeitgeist. Aber könnte nicht dennoch das Geschlecht letztendlich den Ausschlag geben, mindestens aber Entscheidungen mitbeeinflussen? Hinweise hierauf gibt es, denn Gründerinnen sind gemessen an ihrem Anteil, auch unter sonst gleichen Bedingungen, erkennbar unterrepräsentiert. Allerdings steigen sie auch weniger stark in Startups als Investor ein. In den USA werden ihnen beispielsweise nur 7% aller Venture Funds verantwortlich übertragen (die Gründe, z.B. Gatekeeper-Effekt oder Eigenmotivation, müssen hier offen bleiben).
Aufschlussreich in diesem Zusammenhang ist die Studie eines Forscherinnenteams um Alison Wood Brooks von der Harvard University (2014), die die Geschlechterfrage in der Start-up Szene in den Mittelpunkt stellt.
In einer Feldstudie interessierten sich die Forscherinnen nicht nur für das Geschlecht als mögliche Größe für eine Investitionsentscheidung allein, sondern auch für den Zusammenhang von Geschlecht und physischer Attraktivität der Präsentierenden. Dazu nutzen sie 90 Videoaufzeichnungen von realen, erfolgreichen wie nicht erfolgreichen Pitches. Ein Pitch ist eine kurze, in diesem Fall ca. fünf- bis achtminütige Präsentationen einer Gründungsidee und ihrer beabsichtigten Weiterverfolgung zur Gewinnung von Investoren. Es zeigte sich, dass Entrepreneure verschiedenster Sektoren im Vergleich zu Entrepreneurinnen eine 60-prozentig höhere Wahrscheinlichkeit hatten, erfolgreich zu sein. Überdies erklärte die persönliche Attraktivität, allerdings nur bei Männern, den überproportionalen Erfolg statistisch signifikant mit, reichte aber nicht an die Geschlechtervariable heran.
In einer anschließenden Experimentalstudie nutzten die Autorinnen abermals Videos über Gründungsvorhaben, diesmal eingereicht im Rahmen eines Universitätswettbewerbes. Eingeladen waren über 500 Erwachsene, die eine Belohnung für ihre Wahl in Abhängigkeit der Einschätzung von Profis zur Qualität der Gründungsvorhaben erhielten. Das Besondere war, dass diese Videos zwar die Idee vorstellten, die Gründerperson jedoch nicht im Bild zeigten. Diese wurde durch eine hinterlegte männliche oder weibliche Stimme mit identischem Text lediglich repräsentiert.
Erneut zeigte sich ein signifikanter Geschlechtseffekt. Knapp 70% der Befragten wählte ein Vorhaben aus, das durch eine männliche Stimme begleitet wurde und nur gut 30% entschieden sich für eine Idee, die von einer Frauenstimme erläutert wurde.
In einer dritten, wiederum experimentellen Studie wurde der Attraktivitätseffekt nochmals gesondert fokussiert. Einem Video für einen Pitch wurde ergänzend ein weibliches bzw. männliches Porträtfoto beigeschnitten. Auch hier zeigte sich zunächst einmal der Effekt, dass statistisch überzufällig das Video gewählt wurde, was mit einer männlichen Stimme hinterlegt wurde. Die Teilnehmenden stuften das identische Vorhaben zusätzlich als überzeugender, faktenbasierter und logischer ein – alles Adjektive, die dem männlichen Geschlechterstereotyp entsprechen (Weibler 2016a, b).
Die Bereitschaft, zu investieren, stieg zudem deutlich, wenn die Fotografie des Mannes als attraktiv erlebt wurde. Hier fanden sich bei dem weiblichen Bild keine statistisch abgesicherten Unterschiede, doch wurden die nach Einschätzung der Teilnehmenden unattraktiveren Frauen leicht – bezogen auf den Mittelwert – bevorzugt. Ich erwähne dies trotz des nicht signifikanten Befundes, weil es anderen, dort abgesicherten Befunden entspricht, die den Aufstieg von Frauen in höchste Führungspositionen durch deren zunehmende physische Attraktivität erschwert sehen (The Beauty is the Beast).
Non-Profit-Organisationen: Die Macht liegt in den Händen von Männern und Universitäten bevorzugen Leitungen von Laboratorien durch Männer
Dass sich geschlechterbezogene Effekte nicht nur in privaten Unternehmen zeigen, verwundert manchen vielleicht. Wie eine kürzlich von mir durchgeführte Zusammenschau von Studien darlegt, liegt die Macht tatsächlich aber auch bei Non-Profit-Organisationen (NPO) in Deutschland ebenso wie in der Schweiz bei höheren und höchsten Führungspositionen dominant in der Hand von Männern. Dieser Effekt ist mit wachsender Größe der Organisation und ihrer Wirtschaftsnähe gravierender (Weibler 2017).
Eine Studie der Yale-Promovendin Corinne Moss-Racusin u.a. (2012) hat bei forschungsstarken US-Universitäten hinsichtlich der Besetzung von studentischen Leitungen naturwissenschaftlicher Laboratorien offenbart, dass selbst Universitäten bei gleicher Qualifikation von Frau und Mann Gefahr laufen, einen Geschlechterbias zu praktizieren. Ausgetauscht wurden bei dieser Untersuchung lediglich die Namen der Lebensläufe und Qualifikationen (Jennifer und John, beide gleichermaßen bekannt). Hierbei spielten die Größen Kompetenz, Befähigung für die Anstellung, Gehalt und die Bereitschaft, eine mentorielle Position einzunehmen, eine Rolle. 127 Professorinnen und Professoren aus den Fachbereichen Chemie, Physik und Biologie sollten sich hierzu äußern. Jeder bekam einen der beiden Studierenden zur Beurteilung.
In allen der untersuchten Größen fanden sich für die Studenten signifikant bessere Werte als für die Studentinnen. Dieser Effekt war unabhängig davon, ob es sich beim Beurteilenden um eine Professorin oder einen Professor handelte. Diese Unterschiedslosigkeit war nicht zwingend zu erwarten, entspricht aber durchaus der gemischten Befundlage im Managementbereich bezüglich der Frage, ob eine Bewertung durch Frauen Kandidatinnen besser abschneiden lässt als eine reine Bewertung durch Männer.
Mensch-Maschine-Interaktion: Selbst „weibliche“ Computer kosten weniger
Eine recht originelle Erweiterung der Überprüfung von Geschlechterstereotypen lieferte jüngst Marek Posard von der University of Maryland (2014). Er ließ Studierende mit einem Computer interagieren. Vordergründig ging es um das Austesten von zukünftigen Prüfungsfragen. Gaben die Studierenden eine Antwort ab, bezifferte der Computer die Wahrscheinlichkeit des Zutreffens dieser Antwort. Am Ende wurden die Studierenden zunächst aufgefordert, einige Fragen zur Charakterisierung des Computers, wie man es aus menschlichen Interaktionen kennt, zu beantworten. Dann wurden die beiden entscheidenden Fragen gestellt. Die Studierenden sollten angeben, als wie leistungsfähig sie die Computer erachteten und welche Kosten der Universität wohl entstehen würden, sollte diese den Computer erwerben. Hier gab es nur einen einzigen Unterschied: Einem Teil der Studierenden wurde bei der Einführung zum Experiment mitgeteilt, dass der Name des Computers „James“ sei (symbolisiert durch eine blaue Harddisk), einem anderen Teil, dass es sich um eine „Julie“ handelt (symbolisiert durch eine pinke Harddisk). Die Personalisierung wurde im Verlauf bei Computerrückmeldungen verstärkt („James / „Julie“ – „He“ / „She“).
Während die Studierenden keinen signifikanten Unterschied bei der Bewertung der Leistungsfähigkeit des Computers angaben, lässt ihre Antwort zu den Anschaffungskosten von „James“ vs. „Julie“ allerdings aufhorchen. Der „männliche“ Computer wurde als deutlich teurer eingeschätzt und zwar um bemerkenswerte 1.490 $ (5.870$ vs. 4.380 $). Sogar eine „weibliche“ Maschine ist demnach weniger wert als ihr ansonsten völlig identischer „männlicher“ Counterpart. Sage da noch einer, Maschinen seien leblose Wesen.
Fazit
Die Studien unterstreichen noch einmal, teilweise recht illustrativ, in jedem Fall aber sehr deutlich, die faktische Problematik der Chancengleichheit von Frauen im Management. Und dies ist nicht nur moralisch bitter, sondern auch ökonomisch ineffizient.
So kommt eine aktuelle Studie von Benjamin Artz (2017), Department for Economics an der University of Wisconsin, zum Erfolg von Gründerinnen und Gründern beispielsweise zum Ergebnis, dass unter Konstanthaltung der Faktoren Risikopräferenz, Intelligenz, Start-up Kapital, vorherige Industrieerfahrung und Arbeitsstunden pro Woche keinerlei Unterschiede zwischen Männern und Frauen im späteren Erfolg des Unternehmens auszumachen sind.
Anders interpretiert: Ja, es ist angesichts weiterer Zahlen richtig, dass Frauen weniger gründen, gerade auch im schillernden Technologiesektor, dass sie aber dann, wenn sie gleiche Voraussetzungen mitbringen und vor allem gleichermaßen (finanziell) unterstützt werden, überall problemlos mitspielen können.
Eine zumindest halbwegs positive Nachricht dann aber doch noch zum Schluss: Lisa Leslie und ihre Kolleginnen haben im renommierten Academy of Management Journal gerade einen Befund zum Reverse Gender Pay Gap vorgelegt (2017). Diesen beobachteten sie in Organisationen, die Diversity-Werte realisieren wollen und Praktiken zur Geschlechtervielfalt gerade auch auf obersten Hierarchieebenen umsetzen. Dort werden hochtalentierte Frauen besser als gleichstark gerankte Männer für diese allerdings wenigen infrage kommenden Managementpositionen vergütet.
„Halbwegs“ verwende ich salopp deshalb, weil das Ziel ein Equal Pay für gleichwertige Positionen bei gleichwertigen Voraussetzungen sein muss. Systematische Ungleichgewichte, egal zu welcher Seite sich die Waage neigt, sind nach Kräften zu vermeiden. Aber die Bezahlung ist letztendlich nur das nachgelagerte Problem. Wie wir gesehen haben, sind es das Mindset und eingeschliffene Praktiken.