Dankbarkeit ist wie Neid eine tief empfundene Emotion, die am Arbeitsplatz fest verankert ist. Es wird gezeigt, was die Ursachen für ihr Auftreten sind, worum es sich genau handelt und welche Folgen, auch für die Führung, damit verbunden sind.

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Dankbarkeit und Neid treten in sozialen Beziehungen immer wieder auf. Beide Emotionen können uns entgegengebracht werden, beide können wir selber gegenüber anderen signalisieren. Während wir Dankbarkeit normalerweise positiv assoziieren, ist Neid mit der Ausnahme der Umdeutung als Bestätigung des eigenen Erfolgs emotional negativ besetzt. Was steckt hinter diesen beiden Begriffen, wann entsteht was und wie sollen sich Führende dazu verhalten? Leadership Insiders legt hierfür eine Basis, die auch für offenere Diskussionen im Team geeignet ist.

Dankbarkeit

Dankbarkeit (Gratitude), glaubt man den Rückmeldungen aus der Führungspraxis, ist ein rares Gut. Berichtet wird vielmehr über Gier, Konflikte, Minderleistungen, verpasste Karrierechancen, schlechte Führung oder Unhöflichkeit. Und natürlich Undankbarkeit. Eigentlich schade, denn Dankbarkeit, die aus der ausgesprochen realistischen Einsicht entsteht, dass nicht alles unter der eigenen Kontrolle steht und Hilfe von anderen das eigene Wohlbefinden fördert.

Was aber ist Dankbarkeit überhaupt? Ryan Fehr von der University of Washington definiert sie 2019 (in-Ko-Autorenschaft) als ein Gefühl der Wertschätzung. Dieses Gefühl ist als emotionale Antwort auf eine Erfahrung, die für einen selbst vorteilhaft ist, aber nicht eigenen Verdiensten (allein) zuzuschreiben ist, zu verstehen.  Dankbarkeit wird einer anderen Person gezollt wird. Dieser Person wird, wie der Philosoph Martin Seel (2012) es ausdrückt, zuvor ein Gefühl des eigenen Ungenügens ihr gegenüber entgegengebracht. Meistens kennen wir diese Person aus einem direkten  Kontakt heraus, manchmal auch nur indirekt, z.B. aus der Geschichte, aber dann mit Bezug zu unserem Leben. Dankbarkeit kann in einer pathologischen Wendung natürlich auch zur Hörigkeit umschlagen und das per se asymmetrische Verhältnis ins Extreme ziehen. Dass nicht jeder empfundene Dankbarkeit gleich ausdrückt, ist individuellen, sozialen wie interkulturellen Eigenheiten wie Einflüssen geschuldet.

Wir erkennen jedoch sofort, dass es also nicht das Ereignis selbst ist, was zwingend Dankbarkeit auslöst, sondern die Interpretation dieses Ereignisses. Damit ist einerseits eine unabdingbare, zumindest minimal ausgeprägte Reflexionsfähigkeit bei einem selbst angesprochen. Anders formuliert: Wer sich selbst für den Beweger alles Bewegten hält, braucht und wird in der Regel keine Dankbarkeit zeigen, sondern sie bestenfalls irrlichtigt von allen anderen erwarten. Wer kennt sie nicht, diese narzisstischen Aufschneider, bei denen sogar ein hier und da ausgesprochener Dank einer anderen Person gegenüber eigentlich eine Danksagung an sich selbst ist, diese Person erkannt, entwickelt oder eingesetzt oder ihnen einfach nur Zeit geschenkt zu haben. Andererseits wirken Gefühlskälte (und nicht wie oben die Verkennung der Situation) dem Ausdruck von Dankbarkeit ebenso entgegen wie die Vorkehrung, in niemandes Schuld stehen zu wollen. Das Gewissen soll nicht belastet werden, um noch einmal Martin Seel zu Wort kommen zu lassen.

Weitergedacht ist die Dankbarkeit, die  in der Regel Personen aufgrund eines bestimmten Ereignisses geschuldet ist, allerdings nicht nur mit eben diesen Personen verbunden. Dankbarkeit kann sich auch auf eine (länger anhaltende) Lebens- oder Arbeitssituationen beziehen, die einen sogar mit Glück erfüllen kann. Im Arbeitsleben gibt es viele Ereignisse, die Dankbarkeit ermöglichen, sei es gegenüber Kolleginnen und Kollegen, Mitarbeitenden oder Vorgesetzten. Welche haben Sie zuletzt erlebt? War es die Dankbarkeit Ihres Vorgesetzten, die er gegenüber dem Team äußerte und nach Möglichkeit auch konkretisierte? War es eine Abschiedsfeier einer Kollegin, bei der der nächsthöhere Vorgesetzte anwesend war und treffende Worte fand? War es möglicherweise ein Mitarbeitergespräch, in der sich die Mitarbeiterin für ein Coaching bedankte? Oder haben Sie sich gar dafür bedankt, dass Sie von den Teammitgliedern einiges haben lernen dürfen? Vielleicht zeigten Sie sich dem günstigen Schicksal gegenüber dankbar (ggf. „Gott sei Dank“) oder resümierten Sie am Ende frustriert, dass Undank der Welt Lohn sei?

Wir alle unterliegen der Gefahr, das muss zugestanden werden, dass wir uns an die für uns günstige Situation sehr leicht gewöhnen und keine besondere Emotion mehr damit verbinden. Da hilft es manchmal, über den eigenen Tellerrand zu schauen und das Positive der eigenen Situation erneut zu erkennen.

Neid (Envy)

Über Laster spricht man nicht gerne, und am Arbeitsplatz ist das nicht anders. Das mag erklären, warum Neid sich eher im Verborgenen abspielt. Es ist eine schmerzhafte Emotion, die einen bewegt, weil sie die Erkenntnisse zutage fördert, dass man etwas begehrt, was man nicht hat, beispielsweise die Kompetenzen oder allgemeiner, Qualitäten, einer anderen Person, deren leistungsbedingte Erfolge oder einfach das, was jemand anderes materiell oder immateriell besitzt (Duff u.a. 2012).

Der empfundene soziale Schmerz bewirkt ein Gefühl der Unterlegenheit, des Grolls oder der Feindschaft. Meistens. Können die Energien allerdings ins Positive gewendet werden, dienen sie als Antrieb, sich weiter zu verbessern, und das Neidgefühl verschwindet.

Die Forschung hat inzwischen verschiedene Fragebögen entwickelt, um Neidgefühle zu erfassen. Michelle Duffy hat hier mit einem Forschungsteam eine aussagefähige Übersicht geliefert (2021). Dort finden sich innerhalb umfassender Abfragen Formulierungen wie „Die meisten meiner Kollegen haben es besser als ich“, „Ich denke nicht, dass ich einen Job habe, der so gut ist wie manche, die ich schon gesehen habe“, „Ich fühle mich frustriert“ oder direkter: „Ich werde kontinuierlich von Neidgefühlen gequält“ bzw. aggressiv: „Ich hoffe, dass die Person, die ich beneide, an irgendetwas scheitert“. Eine durchschnittliche Bewertung hinsichtlich Neiderfahrungen liegt einer Metaanalyse zufolge bei einer skalenbezogenen, theoretischen Maximalausprägung von 100 bei bemerkenswerten knapp 38 – mit sehr großer Schwankungsbreite zwischen den Studien.

Bei den zurate gezogenen Studien ist am auffälligsten, dass Neid destruktive Effekte provoziert und vergleichsweise seltener die auch möglichen positiven Effekte erkennen lässt, beispielsweise das Suchen von Rat, Lernen durch das Beobachten erfolgreicher Modelle oder eine erhöhte Anstrengung, auch wenn es das immer wieder gibt. Wenig überraschend dominieren das Verletzen der anderen Person, die eigene Leistungszurückhaltung im Team, die Reduktion freiwilliger Leistungen auf der Arbeit, weitere negative Verhaltensweisen wie Ausgrenzung  und das Untergraben sozialer Beziehungen, das Empfinden und Verbreiten negativer Emotionen oder auch Fluktuationsabsichten und moralisches Disengagement (vgl. Li u.a. 2021).

Dass eine eigene Enttäuschung in Neid mündet, ist nicht zwangsläufig. Dies hängt auf der individuellen Seite unter anderem vom eigenen Selbstwertgefühl und der wahrgenommenen Kompetenz ab. Je höher diese ausgeprägt sind, umso weniger entwickelt sich Neid. Gleiches gilt dann, wenn die Beziehung zu dem potentiellen Neidobjekt an sich eine gute ist. Hier ist die Chance gegeben, dass diese Person dann als Rollenmodell fungiert. Insgesamt scheint eine enge soziale Verflechtung Neid einfacher die Stirn zu bieten, da dann moralische Verpflichtungen als gewichtiger wahrgenommen werden. Auch können Signale, die darauf hindeuten, dass es in der Gruppe oder in der Organisation fair zugeht, das Entstehen von solchen Gefühlen wenn nicht verhindern, doch zumindest minimieren. Allerdings scheint dies nicht ganz sicher zu sein, denn besteht nicht mehr die Möglichkeit, das eigene Misslingen auf die Situation zu schieben, bleibt manchmal nur der Ausweg, dies einer anderen Person zuzuschreiben, soll der eigene Selbstwert nicht beeinträchtigt werden. Zeitdruck und Arbeitsdruck scheinen des Weiteren das Entstehen von Neid zu begünstigen.

Wie steht es aber mit der Führung (Leadership) als ein vorausgehender Faktor für das Entstehen von Neid? Zunächst einmal muss festgehalten werden, dass (1) Führungskräfte selbst neidisch auf Mitarbeitende werden können, nämlich dann, wenn sie beobachten, dass diese hervorragende Leistung erbringen, die mittelfristig ihren eigenen Status schwächen könnten. (2) Führungskräfte selbst können Neid in ihren Teams vermutlich dann gut entgegentreten, wenn eine ethische Führung praktiziert wird, die sehr großen Wert auf Gerechtigkeit legt. (3) Schaffen es Führungskräfte, ein Zugehörigkeitsgefühl in ihren Gruppen entstehen zu lassen, ist ebenfalls ein gewisser Schutz gegeben. (4) Handeln hingegen Führungskräfte verletzend einzelnen Teammitgliedern gegenüber, können diese Neidgefühle auf diejenigen entwickeln, die das unethische Verhalten der Führungskraft nicht trifft. (5) Thiel und andere weisen in 2020 allerdings auch darauf hin, dass man nicht nur vertikal in diesem Zusammenhang denken muss. Das unethische Verhalten von Kollegen kann ebenfalls Neid hervorrufen. Dieses Verhalten wird dann als Wettbewerbsvorteil um rare Ressourcen erachtet, die ein neidförderndes Konkurrenzklima provoziert.(6) Scott und andere konnten hier schon 2015 zeigen, dass Personen, die Neid bei anderen Kolleginnen und Kollegen wahrnehmen, selbst unter Spannungen, Depressionen und Abwanderungsgedanken leiden oder aber, alternativ ins Positive gewandt, sich veranlasst sehen, den leidenden Kollegen stärker durch hilfreiches Verhalten zu unterstützen.

Fazit

Dankbarkeit und Neid am Arbeitsplatz bedürfen der weiteren Erforschung, da viele Befunde noch nicht hinreichend abgesichert oder ambivalent sind und andere Zusammenhänge noch gar nicht untersucht wurden. Führungskräften sollte allerdings klar sein, dass diese Emotionen in Teams potenziell allgegenwärtig sind und sie durch ihr Verhalten in der Lage sind, die Emotion Dankbarkeit zu befördern und die des Neids zu minimieren. Gefragt ist zuvorderst das eigene Verhalten, nämlich wie man selbst mit Erfolgen und Misserfolgen umgeht. Dann ein kluges Führungsverhalten, das selbst Dankbarkeit vermittelt und Dankbarkeit im Team als natürliche Verhaltensäußerung anregt. Hier können alle nur gewinnen. Dieses Gewinnen-Können ist bei Neid differenzierter zu sehen, denn Neid entsteht ja gerade daraus, dass man etwas gegenüber einer anderen Person (auch gegenüber einer Mehrzahl von Personen) nicht hat, aber glaubt, es verdient zu haben, und der Neid dann ein Ventil ist, damit umzugehen. Hier müsste verdeutlicht werden, dass dieses Ventil kein Ausweg ist, sondern – gelingt keine eigene Transformation in eine für sich und das Team positive Aktivität – nur negative Energien bindet, die selbstzerstörerisch sind und die die Gemeinschaft gefährdet. Dies generell zu thematisieren und Gespräche mit denjenigen zu führen, die dies (subtil) erkennen lassen, sollte von einer Führungskraft erwartet werden dürfen.

Fehr, R. / Fulmer, A. / Awtrey, E. / Miller, J. A. (2017): The grateful workplace: a multilevel model of gratitude in organizations, in: Academy of Management Review, 42(2), 361-381

Duffy, M.K. /   Lee, K. / Adair, E. A.  (2021): Workplace Envy, in: Annual Review of Organizational Psychology and Organizational Behavior, 8, 19-44

Li, M. / Xu, X. / Kwan, H. (2021): The antecedents and consequences of workplace envy: A meta-analytic review, in: Asia Pacific Journal of Management, https://doi.org/10.1007/s10490-021-09772-y

Scott, K. L. u.a. (2015): Opening the black box: why and when workplace exclusion affects social reconnection behaviour, health, and attitudes, in: European Journal of work and Organizational Psychology, 24, 239-255

Seel, M. (2012): 111 Tugenden, 111 Laster, 3. Aufl., Frankfurt am Main

Thiel, C. E. u.a. (2020): Rationalize or reappraise? How envy and cognitive reappraisal shape unethical contagion, in: Personnel Psychology, 74(2), 237-263