Ausgangssituation
Wir wissen, dass die Akzeptanz von Vorgesetzten entscheidend ist, um von der reinen Leitung (ohne Akzeptanz) in die vieles mehr ermöglichende Führung (mit Akzeptanz) zu wechseln. Akzeptanz macht also einen enormen Unterschied – und hierüber entscheiden natürlich die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des oder der Vorgesetzten.
Eine spannende Frage für den Führungsnachwuchs lautet vor diesem Hintergrund: Inwieweit ist Akzeptanz durch das Alter der Führungskraft / die Führungserfahrung bestimmt? Oder konkret: Kann bereits eine Führungsnachwuchskraft hohe Akzeptanz finden?
Theorie
Es wird davon ausgegangen, dass es ein Zusammenspiel von Führungsverhalten, Alter der Führungskraft und Anerkennung der Führungskraft gibt. Dies wird damit begründet, dass das Alter auf Erfahrung und Status als Führungskraft schließen lässt. Besonders gravierend müsste dies sein, wenn darüber hinaus keine weiteren Informationen für den Beurteiler vorliegen.
„Führung entwickelt sich“
In der nachfolgend beschriebenen Studie wird, wie ich es selbst auch sehe, postuliert, dass Führung durch Interaktionen ihr Gesicht gewinnt. Abstrakt könnte man dies unter dem Sammelbegriff des Führungsverhaltens verbuchen. Konkret handelt es sich um gemeinsam erlebte Ereignisse, miteinander geführte Gespräche, Einbeziehung der Mitarbeiter in Entscheidungen oder Rückmeldungen der Führungskraft mit Blick auf das Mitarbeiterverhalten.
Unter Rückgriff auf implizite Führungstheorien wird unterstellt, dass das gleiche Verhalten in Abhängigkeit des Alters der Führungskraft unterschiedliche Folgen zeitigt: Zum einen hinsichtlich der Akzeptanz der Person als Führungsperson und zum anderen auf die damit verbundenen Effekte. In diesem Fall war es die freiwillige und unfreiwillige Kündigung. Die Ursache dafür ist, dass jüngere Menschen in verantwortlicher Person als nicht so typisch für eine Führungskraft gesehen werden wie ältere. Jungsein wirkt hier von der Wahrnehmungslogik her ähnlich erschwerend wie Frausein (siehe hierzu meine Ausarbeitung „Frauen als Fremdkörper im Management?“).
Die Forschergruppe untersucht nun zwei Arten von Führungsverhalten, die in der Führungsforschung immer wieder betrachtet werden: Zum einen ist dies ein klares Belohnungs- wie Bestrafungsverhalten des Vorgesetzten, das abhängig von zuvor definierten Leistungserwartungen ist. Zum anderen ist es die Einbindung des Mitarbeiters in Entscheidungsprozesse (partizipatives Verhalten).
„Führung muss mit Macht umgehen“
Mit Blick auf diese Arten des Führungsverhaltens erkennt man sofort: Während Belohnung wie Bestrafung für Machtzentralisierung stehen, kreist die Einbindung um Machtteilung. Hier vermuten die drei Forscherinnen und Forscher nun, dass eine Machtzentralisierung bei jüngeren Vorgesetzten führungs- und statuserhöhend wirkt. Dies, weil es den Blick der Mitarbeiter auf die mit einer Führungsposition verbundenen Sanktionspotenziale lenkt. Eine Machtteilung durch Einbindung lässt hingegen bei den Mitarbeitern das Gefühl aufkommen, dass der junge Chef oder die junge Vorgesetzte doch nur einer von ihnen ist („der kann auch mal alleine sehen, dass er oder sie fertig wird“). Dieses Gefühl, um es mit Bezug auf den sich auch auf dieser Seite hinterlegten Charisma-Text zu zu erläutern, ist nur dann positiv, wenn es von einer erkennbar und nicht hinterfragten statushöheren Person gezeigt wird.
Empirie
Die Forschergruppe der Amsterdamer Business School und der Jacobs Universität Bremen befragte nach zwei Pilotstudien 773 Mitarbeitende und Führungskräfte aus 83 Teams im Bereich Kundenservice und Verkauf. Der Fokus wurde dabei auf Teams der unteren Hierarchieebene gelegt, die arbeitsbezogen eng kooperieren mussten.
Das Führungsverhalten wurde mittels Fragebogen erfasst. Zum Alter der Führungskraft und zu den Kündigungsraten im Team lagen entsprechende Informationen aus der Personalabteilung vor. Zwei experimentelle Vorstudien untermauerten die Annahme, dass jüngere Führungskräfte (vorgegeben: 23 Jahre) weniger akzeptiert sind als ältere (vorgegeben: 48 Jahre).
Die Ergebnisse fielen wie folgt aus. Das Alter einer Führungskraft lässt das gleiche Führungsverhalten in einem anderen Licht erscheinen. Älteren Führungskräften wird Akzeptanz zugeschrieben, ungeachtet dessen, ob sie ihre Macht nutzen oder teilen. Jüngeren Führungskräften bietet sich die zweite Option (Machtteilung) hingegen kaum bis gar nicht.
Ein akzeptiertes Verhalten wirkt sich positiv auf den Verbleib im Unternehmen von (dort) geschätzten Teammitgliedern aus und erhöht die Zahl forcierter Abgänge.
Zu beachten ist, dass es sich (1) um statistische Zusammenhänge und nicht um nachgewiesene, aber immerhin zu plausibilisierende Kausalitäten handelt und (2) die statistisch ermittelten Beziehungen nur einen kleineren Teil des Gesamteffektes (Verbleib/Abgänge) erklären können, aber immerhin einen nachweisbaren.
Folgerungen
Junge Führungskräfte laufen ohne weitere Kenntnis ihrer Person Gefahr, Neid, Misstrauen und Skepsis hinsichtlich ihrer Leistungsfähigkeit hervorzurufen. Um als Führungsnachwuchskraft an Boden (Akzeptanz) zu gewinnen, empfiehlt es sich nach dieser Studie, sich prototypisch zu verhalten. Prototypisches Führungsverhalten schafft Normalität. Man sollte also das tun, was von einer Führungskraft in ihrer Bezugsgruppe erwartet wird. Gefordert ist, wenn man so möchte, ein konservatives Führungsverhalten, das zur eigenen Imagebildung beiträgt.
„Sanktionsgewalt ist für Führungskräfte lang nicht alles“
Aber allein auf die mit der Position verbundenen Sanktionsmöglichkeiten abzuheben, wird meines Erachtens nicht reichen. Erstens ist die Gefahr zu überziehen sehr hoch. Zweitens wird von einem Führenden ebenfalls erwartet, die Werte und Normen der Bezugsgruppe beispielhaft vorzuleben. Führungskräfte sollten also nicht monothematisch unterwegs sein.
Hier hat einer der bedeutendsten Führungsforscher, Edwin Hollander, bereits gezeigt, dass aus der Kraft eines Reputationskredites, der durch Kompetenz und Wertorientierung getragen wird, auch Abweichungen von der Norm, z.B. um Innovation voranzubringen, möglich sind – aber eben erst, wenn ein Kredit aufgebaut und vorhanden ist. Jüngere Führungskräfte sollten also an einem solchen Kredit, der ihnen zugeschrieben werden muss, arbeiten.
„Führungserfahrung und Erfolge sind Marker für Führung“
Alles in allem sollten Führungsnachwuchskräfte am Anfang also wenig experimentieren, bemüht sein, Vertrauen gewinnen, um dann freier, auch unkonventioneller agieren zu können. Verstellen muss man sich dazu nicht, denn es wäre vermessen, anzunehmen, ohne Führungserfahrung dieselbe Souveränität und Anerkennung zu besitzen wie mit.
Diese Bemerkung zeigt aber auch, dass das Alter streng genommen nur eine Ersatzkategorie für Außenstehende ist. Wer dokumentieren kann, auch in jungen Jahren schon viel Führungserfahrung zu besitzen oder wer überdurchschnittliche, gar überragende Erfolge mit beruflichem Bezug ausweisen kann, hat tatsächliche Substanz, die einen Anspruch auf Führerschaft mit guter Chance auf Einlösung nach sich zieht.