Führung ist vielfältig. Durch die beständige und zunehmende Aufforderung, sich als Organisation, Führungskraft wie Mitarbeiter:in kundenorientierter zu Verhalten, ist es an der Zeit, sich zu fragen, welchen Einfluss dies auf die Führung von Teams haben könnte. Dort, wo Agilität gepredigt wird, drängt sich diese Frage noch mehr auf. Die Führung durch den Kunden wird zukünftig wichtiger. Deutlich zu erkennen ist bereits jetzt, dass sich dadurch in der Teamführung eine neue Perspektive ergibt. Nachfolgend werden erste Überlegungen zur Führung durch den Kunden skizziert, denn die Leadership-Forschung ist in diesem Bereich noch nicht sehr weit gediehen, wenngleich in den Forschungsarbeiten zum Strategischen Management, zum Dienstleistungsmanagement und zum Marketing der Kundeneinfluss seit langem ein Dauerthema ist.

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„Kunden und ihre Wünsche – gepaart mit einem nervösen Verkauf und einer hektischen Geschäftsführung – machen es fast unmöglich, dass man in Ruhe an größeren Projekten arbeitet, weil jedes Husten plötzlich eine Krise auslöst. Man springt dann schnell nur noch von Mini-Thema zu Mini-Thema“, so ein Projektleiter aus der Dienstleistungsbranche kürzlich in einem Gespräch mit mir. Umsichtige Kunden hingegen seien geschätzt, da sie die Entwicklung voranbringen. Wir erahnen bereits, dass die Führung von und in Teams, sofern sie kundenorientiert arbeiten, vom Kundeneinfluss nicht unbeeindruckt sein kann. Folgewirkungen, beispielsweise über andere Teams, treten hinzu. Die Agilitätsdiskussion verschärft diese bislang absolut vernachlässigte Sicht auf die Führung. Leadership Insiders möchte heute für die Führung durch den Kunden sensibilisieren, denn die Produktivität und das Wohlbefinden im Team hängen, so die These, auch von den Einflüssen der Kunden ab.

Digitale Transformation

Die Digitalisierung entwickelt eine Kraft, die Märkte verändert. Die bedeutenden Umschwünge entstehen durch neue Geschäftsmodelle, die im günstigen Fall einen zentralen Bezugspunkt kennen: Kundenbedürfnissen besser zu entsprechen. Dabei spielen Branchengrenzen und singuläre Produkte oder Dienstleistungen zunehmend eine geringere Rolle. Ein digitaler Darwinismus definiert neue Ökosysteme, die der Logik einer Vernetzung denn einer Abgrenzung folgen. Deshalb und wegen der Kurzlebigkeit und Fragilität bestehender Technologien sind die gefundenen Lösungen in einem solchen Setting grundsätzlich temporärer Natur, abhängig vom für den Kunden geschaffenen Mehrwert.

PayPal ist hierfür ein schönes Beispiel. Der aus Sicht des traditionellen Finanzmarktes branchenferne Dienstleister schob sich als Intermediär zwischen Kunde und Anbieter. Das gewachsene Kundenbedürfnis nach Einfachheit, Übersichtlichkeit und Schnelligkeit eines Bezahlvorganges, verbunden mit einer gerade in diesem Bereich erwünschten Rechtssicherheit der geleisteten Zahlungen (Treuhänderleistung), formte eine Position, die den Markt der Bezahlsysteme für Mittel- und Kleinstbeträge im Onlinehandel veränderte. PayPal ist in dieser Stellung inzwischen nicht nur in der Lage, verschiedene Zahlungsformen über sich laufen zu lassen, sondern dem Kunde aufgrund der gewonnenen Daten gleichzeitig neue Produkte oder Dienstleistungen aus verschiedensten Branchen zu offerieren. Es ist vollkommen ausgeschlossen, solche Geschäftsmodelle in den abgeschotteten Silos einer Großorganisation zu entwickeln, in denen Kunden von den Reißbrettstrategen eher als Störgrößen denn als Werttreiber angesehen werden – es sei denn, diese Großorganisationen sind wie Apple strikt am Kunden/an den Kundinnen ausgerichtet, wie eben Apple Pay, um im Beispiel zu bleiben.

Weiterentwickelte Organisationen sind kundengetrieben

Immer deutlicher wird nun, dass Organisationen im Zuge der Digitalisierung nicht nur von Informations- und Kommunikationstechnik durchdrungen sind, sondern gleichsam von dieser umkonfiguriert werden. Dadurch entstehen vielfältige Misch- oder Hybridformen (Eckert 2018), in denen klassische hierarchische Elemente mit neueren Prinzipien des Organisierens (z. B. Modularisierung, Vernetzung) verbunden werden. Beschreibungen für dieses Nebeneinander von organisatorischen Lösungen in einem Haus wie hybrid-modulare Organisationen, aber auch polyzentrisch-agile oder digital-vernetzte Hybridorganisationen, machen die Runde. Es sei hier vernachlässigt, wie originär diese Formen im Einzelnen sind. Für die, die dies radikal umsetzen und im Vergleich zu ihren Konkurrenten auf höchstem Niveau reüssieren (eine mindestens zehnfache Steigerung des Outputs über vier bis fünf Jahre: Börsenwert, Geschwindigkeit Produktentwicklung, Kunde/Mitarbeiter, Kosten/Fahrzeugmodell etc.), haben Ismail/Malone/van Geest (2017) den Terminus „Exponentielle Organisation“ reserviert.

Kunden verschieben die Macht in Organisationen und im Team

Von einer zunehmenden Machtverschiebung zugunsten des Kunden kann natürlich nur dort gesprochen werden, wo der Kunde ernst genommen wird. Bei garantierten Monopolen und Oligopolen ist dies solange unwichtig, bis mächtigeren Akteuren der Kragen platzt bzw. muss dies nicht über die Maßnahmen der Konkurrenz hinausgehen, solange keiner überambitioniert ist; bei Start-ups ist dies indes zwingend, möchten sie sich zur Lebensfähigkeit entwickeln. Damit sind die Extrema benannt.

Sicherlich wird durch die Agilitätsdiskussion der Kunde bereits konzeptionell in den Vordergrund gerückt und je mehr Organisationen sich dazu bekennen, umso mehr Teams werden damit konfrontiert. Kurzgetaktete Interaktionen mit Kunden sind Standard.  Wie es schon dem Agilen Manifest entnommen werden kann (Beck u. a. 2001), ist der Kunde eben nicht Empfänger eines fertig ausgereiften Produkts, sondern aktiver Teil des Prozesses dorthin.

Aber was bedeutet das am Ende? Der Kunde ist da und möchte Einfluss haben. Wenn er schon so eng mitarbeitet, manchmal auch im Team als Mitglied integriert ist, entstehen Wünsche, die sich in Ansprüchen manifestieren. Und das galt schon vor der Agilitätsdebatte, nur ist es hier einfacher. Führt er aber dann automatisch auch? Wir werden dies noch sehen.

Zunächst ist eine fundamentale, aber so von den Akteuren anscheinend de facto nicht unbedingt wahrgenommene Machtverschiebung zu konstatieren und zwar hin zum Kunden und nicht nur abstrakt zu den Teams, wie im Kontext der Rede von der (agilen) Selbstorganisation gemeinhin suggeriert wird. Offensichtlich sind seine Machtbasen: Belohnungs- und Bestrafungsmacht, manchmal vielleicht auch die Überzeugung durch seine Persönlichkeit, nicht selten Expertise, verbunden mit Informationen, über die nur er verfügt.

Das heißt, anstelle von hierarchischen Strukturen sowie (formal) Vorgesetzten als Einfluss- und Machtquelle, treten Macht und Einfluss des Kunden – und zwar je nach Umsetzung mehr oder weniger ungepuffert – dem Team gegenüber. Sofern wir von agilen Teams reden, erinnern wir uns sofort, dass ja ein Gradmesser der Agilität die Direktheit der Kundeninteraktion ist, die möglichst ungefiltert durch anderweitige Instanzen oder Stellen ablaufen soll (siehe Sieroux/Roock/Wolf 2020, S. 5). Es ist so wie anderswo: die Organisation sucht Personal, es kommen Persönlichkeiten. Das Team sucht einen Informationsgeber, es kommen Anspruchssteller, die zu allem Überfluss die anderen auch noch (indirekt) bezahlen. Nahezu fahrlässig, anzunehmen, das geschähe zum Nulltarif. Je näher die Kunden am Team sind, umso mehr möchten sie natürlich Einfluss nehmen bzw. werden mit solch einem Auftrag in die Zusammenarbeit geschickt.

Kunden führen in Teams – Eventuell auch das Team?

Konzeptionell ist diese Machtverschiebung allerdings nicht ganz so einfach zu fassen, da kaum wissenschaftliche Analysen einer kundenorientierten Führung auf der Teamebene oder der kundenbezogenen Machtbasen vorliegen und Wissen zu ihrer Materialisierung im Team fehlen. Dies betrifft die Wege des Einflusses des Kunden wie die Stoßrichtung oder seine Intensität (vgl. dazu jedoch Maas/Graf 2004).

Wie kann man sich dem also nähern? Um über Führung zu reden, benötigen wir ein Führungsverständnis und eine Führungstheorie. Haben wir dies nicht, wird die Kommunikation darüber schwierig. Gemünzt auf Führungsfragen bietet sich sofort für die zu startende Analyse eine bewährte führungstheoretische Unterteilung in einen aufgabenbezogenen und einen mitarbeiterbezogenen bzw. beziehungsbezogenen Einfluss an, die der Kunde auszuüben vermag. Diese Einteilung, die sich auf das Führungsverhalten bezieht, ist seit der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg in bewusster Abkehr zu eigenschaftstheoretischen Ansätzen der Klassiker in der Führungsforschung. Derivate finden sich viele, u.a. gehört die in der Praxis bekannte Reifegradtheorie der Führung mit eigener Erweiterung dazu (Weibler 2016). Falls wir noch hinzufügen, dass dieser Einfluss Akzeptanz finden muss, wie ich es selbst definiere, wäre die Basis gelegt. Dies könnten wir allerdings nur empirisch weiterfolgen und stellen es zurück. Der Ansatz hat seine Stärken, aber auch seine Schwächen. Für den Moment reicht uns dies aber, da wir explorieren.

Insgesamt sind also zwei Richtungen des Einflusses über das Verhalten des Kunden zu unterscheiden. Des Weiteren hätten wir zu bedenken, dass sie oder er den Einfluss zum einen auf Teamleitung ausüben kann, die wiederum das Team nun verändert anspricht, oder sich unmittelbar auf die Teammitglieder kapriziert, was wiederum nicht ohne Einfluss auf die Teamleitung bleiben dürfte. Prinzipiell sind alle Organisationseinheiten betroffen, die Kunden direkt oder indirekt integrieren und darüber – begrenzt – einen Einfluss auf andere Teams ausüben können. Im Eingangszitat war es die Verkaufsabteilung, die wiederum intern auf die Entwicklungsabteilung einwirkte. Sitzen in der Entwicklungsabteilung die Kunden aber mit am Tisch, könnte man sich auch einen direkten Einfluss vorstellen. Dass Kunden über Befragungen, Testzentren oder initiierte Spiele einwirken können, ist natürlich ebenfalls richtig (detailliert und mit Beispielen Volgmann 2019; 2018), aber hier handelt es sich doch eher um allgemeine Impulse als um eine Führung im üblichen Verständnis. Grenzfälle sind Social Media und Bewertungsplattformen, die eine indirekte Einwirkung, allerdings eher auf die Gesamtorganisation und/oder deren Brand – mit all den möglichen Folgen – erlauben.

Bleiben wir beim Führungsverhalten. Um die beiden obigen Verhaltensdimensionen zu operationalisieren, hat Verlage (2015) eine Aktualisierung der Standardskalen vorgelegt, deren Items beispielsweise bei der Aufgabenorientierung „definiert klare Leistungsstandards“, „strukturiert Aufgaben“ und bei der Mitarbeiterorientierung „kompromissbereit“, „bleibt auch in Stresssituationen freundlich“, lauten.

Fallstudie

Um das Gemeinte zu verdeutlichen, berichte ich für viele denkbare Konstellation einmal einen Fall, der mir freundlicherweise von einem Ingenieur in höherer Position zur Verfügung gestellt wurde:

Dass Kunden Einfluss durch Führung von Teams oder Teammitgliedern beim Auftragnehmer nehmen, beobachtete ich regelmäßig bei einem großen Französisch-Belgischem Entwicklungsdienstleister. Das Unternehmen mit mehr als 20.000 Mitarbeitern weltweit, wovon etwa 4000 in Deutschland tätig sind, ist schwerpunktmäßig für Kunden in der Mobilitätsindustrie tätig, v.a. Automobil und Luftfahrt, sowie für Life Science und Unternehmen in der Energietechnologie. Konkret geht es dabei um die Entwicklung von Systemen, Komponenten, Derivaten oder zuweilen auch kompletten Fahrzeugen. Entwickelt werden sowohl Mechanik als auch Elektronik und Software. Auch planerische Tätigkeiten in der Produktion gehören zum Portfolio. In Deutschland werden die Dienstleistungen vornehmlich in Form von Gewerken erbracht: Der Kunde erstellt ein Lastenheft und eingekauft wird dann zu einem verhandelten Gesamtpreis. Die Abrechnung erfolgt i.d.R. nach Entwicklungsmeilensteinen oder anders strukturierten Teilabnahmen. Die Entwicklerteams des Dienstleisters sind meistens zwischen 5 und 30 Personen groß, während an der Spitze der Teams ein Projektleiter benannt wird, der die Verantwortung trägt, das Gewerk – zumeist als klassisches Projekt – mit Blick auf Termine, Kosten und Qualität zu führen. Der Kunde erhält regelmäßig über Projektmeetings und Fortschrittsberichte Einblick in den Fertigstellungsgrad und nimmt die Leistung ab – oder eben auch nicht.

Änderungen werden im Rahmen eines definierten Changeprozesses bearbeitet. Die Führung der Mitarbeiter ist dienstleisterseitig meistens schon zweidimensional, indem fachliche Führung (z.B. Projektleiter) und disziplinarische Führung (z.B. Teamleiter) voneinander getrennt sind. Nun kommt oft noch der Kunde als dritte Komponente hinzu, der vor allem fachlich unmittelbar Einfluss auf einzelne Teammitglieder nimmt oder auf das ganze Team über den Projektleiter. Letzterer Fall ist weniger kritisch, weil der Projektleiter derweil die Kontrolle über die Arbeiten der einzelnen Teammitglieder behält. Wenn jedoch einzelne Projektmitarbeiter von Kundenmitarbeitern direkt kontaktiert und für kurzfristig anfallende Themen in Beschlag genommen werden – ohne Kenntnisnahme des Leiters, so gerät schnell die eigentliche Projektplanung durcheinander: Aufwände steigen und Lieferzeitpunkte geraten in Verzug. Fraglich ist dann, wer die Verantwortung und die Mehrkosten trägt. Darüber hinaus ergeben sich auch rechtliche Risiken insofern, als die unmittelbare Steuerung von im Gewerk beauftragten Mitarbeitern untersagt ist, da es sich ansonsten um verdeckte Arbeitnehmerüberlassung handeln könnte. Weiterhin sind die Mitarbeiter des Dienstleisters verunsichert und in der Folge auch geringer motiviert, wenn die Frage der Führung verwässert wird. Die Identifikation mit dem eigentlichen Arbeitgeber und der eigenen Führungskraft ist ebenfalls schwieriger.

Am Beispiel eines Projektes im Rahmen der Infotainment-Entwicklung bei einem großen Automobilhersteller lässt sich ablesen, welche Folgen sich daraus ergeben können.

Hier nahmen immer wieder einzelne Mitarbeiter des Kunden unmittelbaren Einfluss auf diverse Mitarbeitende des Dienstleisters, weil der Kunde es so gewohnt war und die Ansicht vertrat, es diene der effizienten Abstimmung zwischen den Entwicklerteams auf Kundenseite und auf Seite des Auftragnehmers. U.a. dadurch konnte der Auftrag nicht „On-Time and On-Quality“ geliefert werden. Bei jeder Teilabnahme wurde heftig gestritten, wer die Verantwortung für den Verzug trage. Die Aufwände für das Projekt waren, wie berichtet wurde, ins unermessliche gestiegen, an Geld verdienen war nicht mehr zu denken. Eine gestiegene Unzufriedenheit auf Seiten der Mitarbeitenden hat zu massiv ansteigender Fluktuation geführt, was erneut Herausforderungen in der Projektabwicklung zur Folge hatte. Ein Abbruch des Projektes kam nicht in Frage, verweist es für den Dienstleister doch auf das Risiko, vom Kunden keine weiteren Aufträge zu erhalten und Kundenmitarbeiter drohten regelmäßig unverhohlen mit eben dieser Konsequenz. Der Auftraggeber hat weiterhin klar gemacht, dass er direkt Einfluss auf die Mitarbeitenden nehmen müsse, denn schließlich würde ja das Projekt nicht gut laufen, was ja vermutlich auch mit der Führung zusammenhinge. Nach zwei Jahren Quälerei konnte man sich auf ein anderes Vertragsmodell einigen, wonach nun nicht mehr nach Teilabnahmen und Entwicklungsmeilensteinen, sondern nach Aufwand abgerechnet wurde. Dadurch konnten zwar die finanziellen Verluste des Projektes gestoppt werden, die Fluktuation auf Seiten der Mitarbeitenden war aber nach wie vor hoch.

Offensichtlich werden Bereiche einer aufgabenorientierten Führung (graduell im Detail abzustufen) berührt: Durch das Lastenheft sind bereits im vorherigen Prozess Abnahmekriterien der erbrachten Leistungen definiert. Im Rahmen der Abnahme der Leistungen wird überprüft, inwiefern die erbrachten Leistungen die Abnahmekriterien erfüllen. Regelmäßig nahmen Kunden Einfluss auf die Einhaltung von Fristen. Die Kunden geben i.d.R. das finale Lieferdatum für das Gesamtgewerk und auch für Teillieferungen vor. Durch direkte Einflussnahme auf die Teammitglieder des Dienstleisters könnte auch noch granularer „gesteuert“ werden, indem, was vorkam, Teammitgliedern nach Treffen noch intensiver spezifischere Aufgaben zugewiesen wurden, eine typische Führungsaufgabe der Teamleitung selbstredend, sofern es sich nicht um selbststeuernde Teams handelt. Bemerkenswert, dass sich auch Folgen einstellten, die sich im Negativfall einer mitarbeiterorientierten Führung typischerweise ergeben: Unzufriedenheit, Motivationsverlust, Abwanderung. Im o.g. Fall ist der Kunde durch die Schieflage des Projektes schlussendlich selbst in Bedrängnis geraten, da der Produktionsstart eines neuen Massenmodells stark gefährdet wurde, und er dann kaum noch Rücksicht auf die persönlichen Belange der Mitarbeitenden des Dienstleisters nahm, wie die Gewährsperson wortwörtlich berichtete.

Neues Forschungsfeld: Führung durch den Kunden – intensive Befassung notwendig

Im obigen Praxisbeispiel wurde anschaulich gezeigt, warum die Führung durch den Kunden für die Praxis von Belang ist. Führungstheoretisch sind wir damit bei der Substitutionstheorie der Führung angelangt. Diese erklärt, wann und wodurch die Führungsleistung der formal zuständigen Führungskraft neutralisiert oder konkurrenziert wird bzw. unnötig ist. Im Beispiel war der Kunde, der ein solches Substitut wäre,  noch nicht einmal Teammitglied, sondern wirkte in einer Außenposition auf das Team und die Teamleitung ein. Dies vor allem über eine aufgabenorientierte Führung. Das muss nicht immer in dieser Ausschließlichkeit sein. Beiträge zur Kohärenz des Teams, persönlicher Austausch oder eine Konfliktlösung sind ebenso denkbar. Auch muss der aufgabenorientierte Einfluss mitnichten nur negativ sein, wie der mitarbeiterorientiere auch Misslingen, Missgunst und moralisch verwerfliches Verhalten kennt. Vieles muss noch analysiert und transferiert werden. Fragen der Identifikation mit dem Kunden seitens der Teammitglieder oder des Kunden mit dem Auftraggeber wurden noch gar nicht gestellt, ebenso wenig wie sich Führungsprozesse entwickeln, wann es gelingt und wann es scheitert und warum. Das Thema fängt gerade erst an, interessant zu werden.

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Forschungsstudie

Ich würde gerne Fragestellungen zur Führung durch den Kunden näher nachgehen. Wer mich mit Praxisbeispielen unterstützen möchte, ist eingeladen, seine Kundengeschichte per E-Mail zu schildern.

wiwi.weibler@fernuni-hagen.de

Ihre Geschichte bleibt namensgebend anonym, sofern Sie nicht ausdrücklich auf die Nennung Ihres Namens (mit Position nach Möglichkeit) verweisen. Achten Sie darauf, in Ihrer Schilderung Namen des Unternehmens und die von Personen zu anonymisieren. Gut sind natürlich ergänzende Informationen zur Kundengeschichte Ihrerseits zur Branche, Teamgröße, Kunde im Team oder nur damit kooperierend, agile oder nicht agile Teams, eigener Funktionsbereich und eigene Position (unteres/mittleres/oberes Management) etc.

Wenn ich genug Material haben sollte, werde ich berichten. Aufschlussreich weiter geht es aber schon bald. Mein Kollege, Prof. Dr. Peter Maas, wird sich dann an diesem Ort der Frage des Kundeneinflusses auf der strategischen Ebene widmen.

Anmerkung: Mein Dank geht an die Person, die die Fallstudie nach Erinnerung formulierte.

Beck, K.; Beedle, M.; Bennekum, A.v.; Cockburn, A.; Cunningham, W.; Fowler, M.; Grenning, J.; Highsmith, J.; Hunt, A.; Jeffries, R.; Kern, J.; Marick, B.; Martin, R.C.; Mellor, S.; Schwaber, K.; Sutherland, J.; Thomas, D. (2001): Manifest für agile Softwareentwicklung (https://agilemanifesto.org/iso/de/manifesto.html, abgerufen am 16.05.2022)

Eckhard, R. (2018): Intelligente Echtzeitunternehmen im Hyperwettbewerb: Multiple Geschäftsmodelle – Hybride Organisationsmodelle – Vernetzte Ökosysteme. Wiesbaden

Ismail, S./Malone, M. S./van Geest, Y. (2017): Exponentielle Organisationen, 2. Aufl., München

Maas, P./Graf, A. (2004): Leadership by customers? New roles roles of service companies’ customers. In: Zeitschrift für Personalforschung / German Journal of Research in Human Resource Management /(heute:  German Journal of Human Resource Management), 18(3), 329-345 (Schwerpunktheft, New Perspectives on Leadership Research hrsg. v. J. Weibler)

Sieroux, S.; Roock, S.; Wolf, H. (2020): Agile Leadership: Führungsmodelle, Führungsstile und das richtige Handwerkszeug für die agile Arbeitswelt. Heidelberg

Verlage, H. (2015):  Aufgabeorientierung und Mitarbeiterorientierung. Psychometrische Erfassung essentieller Führungsstile, München

Volgmann, K. (2018): Integration des Kunden in den Neuproduktentwicklungsprozess unter besonderer Berücksichtigung von Social Media – Eine systematische Darstellung und kritische Würdigung. Bachelorarbeit, TU Dortmund

Volgmann, K. (2019): Neuproduktentwicklung durch Kundenintegration – Hintergrundwissen für Führungskräfte. https://www.leadership-insiders.de/neuproduktentwicklung-durch-kundenintegration-hintergrundwissen-fuer-fuehrungskraefte/ abgerufen am 18.06.2022

Weibler. J. (2016): Personalführung, 3. A., München