Leistungen bei Mitarbeitenden schwanken oftmals. Wie kann man herausfinden, ob eine Minderleistung am Mitarbeitenden oder an anderen Gründen liegt? Hierfür liefert die Attributionstheorie der Führung eine bemerkenswerte Entscheidungshilfe, die sich verzerrenden Schnellschüssen entgegenstellt.

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Führung kreist um Leistung, und dabei nicht zuletzt natürlich auch um die Leistung der Geführten. Und realistischerweise gehört es zum Führungsalltag, auch mindere oder gar schlechte Leistungen von Mitarbeitenden klar zu erkennen, ihren Ursachen systematisch auf den Grund zu leuchten, um vor diesem Hintergrund sachgerecht hierauf zu reagieren. Wie aber kann eine Analyse von Minderleistungen bei Mitarbeitenden strukturiert und fundiert erfolgen? Leadership Insidern liefert Handlungswissen und erläutert drei grundlegende Möglichkeiten einer solchen Ursachenzuschreibung: die Personen-, Entitäten- oder Situationsattribution.

Was ist die Attributionstheorie?

Die Attributionstheorie ist eine sozialpsychologische Theorie. Sie beschäftigt sich damit, wie Personen Urteile über die Ursachen ihres eigenen Verhaltens bzw. das Verhalten anderer Personen aufgrund vorhandener Informationen bilden und wie Personen Ergebnisse oder Ereignisse, die sie beobachten, auf bestimmte Faktoren zurückführen. Praktisches Beispiel: Eine Fußballmannschaft hat nach einer Niederlagenserie einen neuen Trainer eingestellt. Danach werden die nächsten vier Spiele gewonnen (= Ereignis). Die Presse fragt sich nun, woran das liegt: War es der tatsächlich Trainerwechsel – oder waren schlicht die Gegner, gegen die zuletzt gespielt wurde, einfach leichter als jene aus der Niederlagenserie?

Unter einer Attribution versteht man die subjektive Zuschreibung von bedingenden Ursachen auf bestimmte Geschehnisse. Diese Vorgehensweise stellt insofern eine wichtige Voraussetzung für die individuelle Handlungsfähigkeit dar, als durch Attributionen die Umwelt geordnet, strukturiert und damit subjektiv durchschaubar erscheint. Auf dieser Basis ist es dem Einzelnen möglich, sein Weltbild zu festigen und entsprechend zu agieren. Wie der Kundige bereits richtig geschlossen hat, geht es hier um individuelle Wahrnehmungen und damit um einen Teil dessen, was wir im Allgemeinen als Kognitionen bezeichnen.

Ursachenanalyse von Ereignissen und Ergebnissen

Nun ist es nicht so, als erfolge die uns umtreibende Suche nach den Ursachen von Ereignissen oder Ergebnissen rein zufällig. Als Menschen haben wir nämlich bestimmte Muster herausgebildet, die unseren Alltag bestimmen. Um sich diesen zu nähern, sollten wir uns zunächst fragen, wie wir typischerweise auf Fragen wie „Woran liegt es?“, „Wer trägt die Schuld?“ oder „Wie konnte das passieren?“, die wir uns selber stellen oder andere an uns richten, antworten.

Grundsätzlich können wir bei allen Ereignissen oder Ergebnissen, bei denen Menschen von Bedeutung sind, zwei Ursachenblöcke unterscheiden: die Person und die Situation (vgl. auch überblicksartig Weibler 2016). Im obigen Fußball-Beispiel könnten wir also den neuen Trainer (= Person) für die jüngeren Erfolge verantwortlich halten, oder wir sehen die Ursache im Spielplan, der eben gehäuft leichte Gegner vorsah (= Situation). Bei der Person können wir nun noch differenzierter Ursachen zuschreiben, nämlich dass es entweder die außergewöhnliche Befähigung des Trainers ist, die den Erfolg erbrachte (= stabiler Faktor), oder aber, dass es der außergewöhnliche Einsatz des Trainers war, der tagelang Videoanalysen, Spielergespräche und individuelle Trainingseinheiten durchführte. Dies wäre mithin ein variabler Faktor, der im Gegensatz zur (stabilen) Begabung gut vom Trainer selbst zu steuern ist. Natürlich könnten wir auch beides kombinieren. Dies wäre jedoch schon eine Ursachenanalyse, die empirisch seltener anzutreffen ist. Menschen neigen zur einfachen Lösung – das  zeigt zwar nicht nur, aber eben auch die Attributionstheorie.

Und sie zeigt noch ein weiteres: Menschen neigen bevorzugt dazu, andere Personen (statt Situationen) für beobachtete oder berichtete Ereignisse oder Ergebnisse verantwortlich zu machen. Sie ersparen sich damit eine komplizierte, sozusagen multikausale Ursachenanalyse. Dieses Phänomen wird als „fundamentaler Attributionsfehler“ bezeichnet (Ross 1977). Aber warum ist das so? Nun, zum einen bleiben uns situationale Faktoren im Alltag als Beobachter oftmals verschlossen. Zum anderen verschafft uns eine solche (personenbezogene) Attribution Sicherheit, denn wir haben damit immer jemanden, den wir – im Guten wie im Schlechten – für etwas verantwortlich machen können. Die Situation hat dagegen etwas Schicksalhaftes, was uns ohnmächtig macht und verunsichert.

Das zeigt sich auch bei einer weiteren Differenzierung der Situation: Hier ist schlicht Zufall (Glück oder Pech) die (variable) Ursache, auf die wir Ergebnisse zurückführen. Oder es ist in Leistungssituationen so etwas wie der Schwierigkeitsgrad der Aufgabe, der (stabil) in der Situation (und für diese Situation typisch) verankert ist. Dies würde am obigen Beispiel gesprochen bedeuten: Nehmen wir tatsächlich keine personenbezogene, sondern eine situationsbezogene Attribution vor, dann können wir die geringe Spielstärke der gegnerischen Mannschaft für die vier Siege in Folge verantwortlich machen, die dann wohl auch der alte Trainer bei dieser vergleichsweise leichten Aufgaben hätte einfahren können. Oder es war schlicht Glück – das kommt und geht, wie es (der Zufall) will.

Attributionen bei schlechten Leistungen eines Mitarbeitenden

Allgemein ist damit festzustellen, dass Attributionen enorme Bedeutung bei Beurteilungs- und darauf aufbauenden Entscheidungsprozessen besitzen – was uns nun auch zum Umgang mit Minderleistung von Mitarbeitenden führt. Nehmen wir also an, sie werden mit der schlechten Leistung eines Mitarbeitenden konfrontiert. Und nehmen wir ferner an, sie unterliegen nicht dem „fundamentalen Attributionsfehler“. Kurzum: Sie bemühen sich um eine sachgerechte Problemanalyse. In dem Falle hat der Sozialpsychologe Harold Kelley für Sie bereits im Jahr 1973 ein Analyseschema entwickelt, das ihnen eine größere Sicherheit bei der Urteilsfindung ermöglicht. Auf den ersten Blick ist es vielleicht etwas kompliziert, aber einmal verstanden, ausgesprochen hilfreich.

Kelley unterscheidet zunächst drei Begrifflichkeiten, ohne die man nicht weiter kommt: das sind Entitäten, Personen und Situationsbedingungen. Eine Entität ist das, worauf ich schaue, was ich beobachte. Beispielsweise eine Aufgabe, die bearbeitet wird, das Handeln anderer Personen, ein Ereignis, das ich beobachte. Nehmen wir hier einen Projektbericht als Handlungsresultat an. Personen sind diejenigen, die mit diesen Entitäten in Verbindung stehen, beispielsweise neben dem Mitarbeitenden seine Kolleginnen und Kollegen. Situationsbedingungen sind die Umstände zu verschiedenen Zeitpunkten, in denen ein Kontakt zwischen Personen und Entität stattfindet. Beispielsweise die Bearbeitung von Projekten des betreffenden Mitarbeiters in den letzten neun Monaten. Sie sehen also, wir unterstellen hier mehrere Beobachtungspunkte. Natürlich könnten Sie auch andere Aufgaben des gleichen Kalibers dem Projekt gleichstellen, um mehrere Vergleichspunkte zu haben. Sie ahnen vermutlich schon, dass Sie wie ein Wissenschaftler vorgehen und versuchen, die Wirkung derjenigen Ursache aus der Menge möglicher Ursachen herauszufinden, mit der diese Wirkung über die Zeit gemeinsam auftritt (kovariiert). Sie nehmen also eine kognitive Varianzanalyse vor und möchten die abhängige Variable, das schlechte Mitarbeiterverhalten, nach Möglichkeit einer einzigen Ursache zuordnen. Natürlich hängt das Zutreffen ihrer Analyse sehr stark davon ab, wie viele Informationen sie besitzen. Je mehr Informationen, desto besser. Und merke: Von der identifizierten Ursache hängt es ab, welche Schlüsse Sie daraus für den Mitarbeitenden (Unzufriedenheit kurz ansprechen, engere Führung, Trainingsmaßnahme, Versetzung, Entlassung) und sein Verhältnis zu ihm oder ihr ziehen (Wechsel von Ingroup in Outgroup oder eben nicht).

Zunächst würden Sie sich zweckmäßigerweise mit der Frage beschäftigen: Ist das, was ich hier beobachte, in dieser Form einzigartig? Ist also die Minderleistung nur bei der Bearbeitung dieses bestimmten Projektes aufgetreten und bei anderen Aufgabenbearbeitungen folglich nicht zu beobachten? Liefert der Mitarbeitende also ansonsten normale oder gar gute Ergebnisse ab? Hier könnte man über mehrere Projekte/Aufgaben, die man betrachtet, zu einer Art Durchschnittswert kommen. Am klarsten ist es natürlich, wenn in diesem Fall eine Einzigartigkeit bestünde oder aber sich eine bekannte Reihe fortsetzte. Dann würden Sie prüfen, wie es anderen Personen bei der Bearbeitung von solchen Projekten ergeht. Gelingt es den anderen, vergleichbare Projekt erfolgreich abzuschließen – oder tatsächlich kaum jemandem? Als Letztes prüfen Sie, inwiefern sich zu unterschiedlichen Zeiten und auch unter anderen Umständen bei dieser Person das zu betrachtende Ergebnis (Misserfolg/Erfolg) eingestellt hat.

Wenn Sie nun alle diese Informationen zusammennehmen, ergibt sich folgendes Bild:

  • Sie kämen zu einer Personenattribution, wenn (1) der Mitarbeitende nicht nur an einem solchen oder vergleichbaren Projekt scheitert, (2) wenn es (fast) allen anderen normalerweise gelingt, ihre Erwartungen zu erfüllen und Sie (3) beobachten, dass der Mitarbeitende durchgängig und auch unter anderen Umständen Probleme mit der Bewältigung seiner Arbeitsaufgabe besitzt.
  • Sie kämen zu einer Entitätenattribution (hier das Projekt), wenn (1) der Mitarbeitende nur an diesem Projekt scheitert, und (2) es anderen nicht anders erging und (3) der Mitarbeitende immer und auch unter anderen Umständen keinen Erfolg einfahren konnte.
  • Sie kämen zu einer Situationsattribution, wenn (1) der Mitarbeitende nur an diesem Projekt scheitert, (2) es (fast) allen anderen nicht besser erging (oder parallel ergeht) und (3) der Mitarbeitende erstmals ein solches Projekt auch eingedenk anderer Rahmenbedingungen nicht erfolgreich abgeschlossen hat.

Sofern es sich um ein erfolgreich oder gar herausragend abgeschlossenes Projekt handeln sollte, blieben alle Prüfschritte der Kausalattribution mit umgekehrten Vorzeichen identisch. Beispielsweise läge eine Personenattribution im Erfolgsfall dann vor, wenn Sie feststellen würden, dass eine Mitarbeiterin bei allen Aufgaben (Entwicklung von Marktstudien, Auswertung von Marktstudien) im Gegensatz zu ihren Kolleginnen und Kollegen und zu allen Zeitpunkten unter verschiedenen Rahmenbedingungen (Stress im Umfeld, Zeitdruck, entspannte Arbeitsatmosphäre etc.) diese Leistung erbringt.

Die Führungskraft sollte sich selbst reflektieren

Nehmen wir einmal an, sie kämen auch bei sorgfältiger Analyse der obigen Kriterien zu dem Schluss, dass der Mitarbeitende für den Misserfolg im Projekt verantwortlich ist (Personenattribution). Damit ist jedoch  noch nicht definitiv geklärt, ob es sich um ein stabiles Defizit beim Mitarbeitenden handelt (grundlegende Fähigkeit)   oder ob es an der variablen Größe „Anstrengung“ liegt (Desinteresse, Demotivation).

Denn selbst wenn zu verschiedenen Beobachtungszeitpunkten Leistungsversagen ausgemacht werden kann, ist eine stabile Personenattribution noch nicht gerechtfertigt, wiewohl natürlich wahrscheinlicher als beim Feststellen eines ersten Misserfolgs. Bevor Sie ein klärendes Gespräch mit dem Mitarbeitenden suchen, um seine Meinung zum Projekt und zu anderen Leistungen in Erfahrung zu bringen, sollten Sie sich selbstkritisch fragen, inwieweit der Misserfolg auch Sie selbst betrifft, beispielsweise aufgrund des Versäumnisses, vergangene Leistungen, mit denen Sie nicht zufrieden gewesen sind, aufzuarbeiten, Sie selbst bei der Übertragung der Aufgabe ein Anspruchsniveau wählten, dass aufgrund der Erfahrung und der bisherigen Qualifikation des Mitarbeitenden unangemessen war oder Sie aber bei ihrer Kausalanalyse Tatbestände unterstellten, die sich bei genauerem Hinsehen gar nicht so ausnehmen würden. Denken Sie daran, dass Sie möglicherweise das Resultat von der Mitarbeiterin A von vornherein immer mit einer größeren Strahlkraft betrachten wie das des Mitarbeiters B, obwohl das Team zwischen beiden überhaupt keine Leistungsunterschiede sieht. Sun/Anderson (2012) empfehlen daher, dass Führungskräfte mit niedrig ausgeprägter attributionaler Komplexität besondere Trainings zur Erhöhung der Komplexität und Differenziertheit ihres Attributionsstils erhalten sollten, um insgesamt die Qualität von Führungsprozessen zu verbessern. Angesichts der mitarbeiterbezogenen Folgen Ihrer Entscheidung: bedenkenswert!

Und ein Letztes: Der fundamentale Attributionsfehler, den wir eingangs erwähnten, gilt bezogen auf die eigene Person nicht in dieser Form. Zunächst einmal neigen wir selbst dazu, situationale Faktoren überzugewichten.  Das wird aber durch die Neigung zu selbstwertdienlichen Attributionen relativiert, deren Bedeutung und Ausmaß von der Persönlichkeitsstruktur und bisherigen eigenen Erfahrungen abhängig ist.  Hier ist es dann sehr wohl so, dass bei normal selbstbewussten Menschen Erfolge gerne auf die eigene Person attribuiert werden – das stimmt also noch überein  –, dass aber Misserfolge wiederum schnell der Situation zugerechnet werden. In einem gewissen Rahmen ist dies positiv zu bewerten und wie gesagt dem Selbstwert dienlich, da dadurch die eigene Handlungsfähigkeit stabilisiert wird.

Verzagte Zeitgenossen zeichnen sich hingegen dadurch aus, dass Sie Erfolge der Situation und Misserfolge der eigenen Person zurechnen. Das geht auf Dauer natürlich nicht gut aus und führt zu einem defensiven Verhalten, nur noch Misserfolge vermeiden zu wollen (z.B. durch eine Präferenz für leichte Aufgaben, die jeder hinbekommt oder scheinbar paradoxerweise extrem schwierige zu wählen, bei denen dann jedoch eine Scheitern niemanden verwundert), ohne Hoffnung, wirkliche Erfolge durch die Bewältigung herausfordernder, aber machbarer Aufgaben einfahren zu können.

Am Ende ist also für die meisten Jobs eine realitätsgerechte Attribution, die das Ego ein wenig mehr als streng genommen zulässig, strahlen lässt, wohl für sich der beste Weg, auf die eigene Leistung zurückzublicken. Bei dem gewohnt kritischeren Blick auf die der anderen sollte der Einfluss der Situation auf ihr Handeln intensiver geprüft werden. Damit wird man auch ihnen besser gerecht. Und Gerechtigkeit ist das, was von Führungskräften unbedingt erwartet wird.

Kelley, H.H. (1973): The process of causal attribution. In: American Psychologist 28(2), S. 107–128

Ross, L. (1977b): The intuitive psychologist and his shortcomings: Distortions in the attribution process. In: Berkowitz, L. (Hrsg.): Advances in Experimental Social Psychology. Vol. 10, New York, S. 173–220

Sun, P.Y./Anderson, M.H. (2012): The importance of attributional complexity for transformational leadership studies. In: Journal of

Weibler, J. (2016): Personalführung, 3. Aufl., München