Dieser Beitrag ist Teil der Serie Gastbeiträge

Andere Beiträge in dieser Serie:

  1. Organizational Growth Mindset: The Key To Culture Change? – Ein Gastbeitrag
  2. Über die Zukunft des Führungskräftetrainings – Ein Gastbeitrag
  3. Change Leadership zwischen zwei Stühlen – Ein Gastbeitrag
  4. Der Ideale Mitarbeiter im Kopf der Führungskraft – Ein Gastbeitrag
  5. Leadership in Game of Thrones: Führung ist Beziehungssache – Ein Gastbeitrag
  6. Führungskräfte als Vermittelnde – Attraktive Rolle oder Vorsicht Falle? – Ein Gastbeitrag
  7. Starke Frauen in Serie: Authentische Führung oder nur schöner Schein? – Ein Gastbeitrag
  8. Sexuelle Belästigung in der Arbeitswelt: Wie Führende sich zu verhalten haben – Ein Gastbeitrag

HQuality/Shutterstock

Jede Führungskraft hat eine Vorstellung davon, wie sie sich den Idealen Mitarbeitenden wünscht. Typischerweise wird dies in Form von Eigenschaften und Verhaltensweisen ausgedrückt. Dieses mentale Bild von prototypischen Angestellten oder Teammitgliedern ist allerdings kaum im Alltag gegenwärtig, sondern drückt sich indirekt durch die Einschätzung und Wertschätzung diesen Mitarbeitenden gegenüber aus. In der Führungsforschung spricht man von impliziten Vorstellungen, die das Führungsverhalten unbewusst prägen. Gleichzeitig wirken sie auf die eigenen Erwartungen dem Gegenüber ein, so dass hier allgemein gilt:

Implizite Erwartungen seitens der Führungskraft können sich positiv oder negativ auf Motivation, Leistung und Führungsbeziehung auswirken.“

Allerdings sind auch operative Managementprozesse wie Leistungsbeurteilungen oder Mitarbeitergespräche, aber auch Personalauswahlverfahren und Einstellungsgespräche im Weiteren davon empfindlich betroffen, denn das implizite Mitarbeiterideal eines Managers wirkt auch hier und kann – dann dysfunktional – tatsächliche Anforderungen einfach „überschreiben“.

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Der Ideale Mitarbeiter: Ja-Sager und Konformist?

Wie sieht denn das ideale Mitarbeiterbild überhaupt aus? Dieser Frage ging Dr. Andrea Derler in einer Studie auf den Grund als sie untersuchte, was sich Führungskräfte am meisten – und am wenigsten – von ihren Teammitgliedern wünschen, und mit welchen Erwartungshaltungen sie den Menschen begegnen, die für sie arbeiten. Das Ziel war es also, die gemeinhin unbewusst vorhandenen Vorstellungen hinsichtlich Inhalt und Bedeutung zum Ausdruck zu bringen.

Die Ergebnisse ihrer Umfrage mit 138 Führungskräften in Deutschland und Österreich [1] lassen grundsätzlich die Aussage zu, dass das Ideale Mitarbeiterbild von Führungskräften eher Konformität zum Ausdruck bringt und an traditionelle Eigenschaften typischer “Untergebener” erinnert, jedoch wenige nicht-konforme Merkmale eigenwilliger, kreativer  Köpfe beschreibt.

Aufgrund der Antworten auf die Frage, welche der gelisteten Merkmale die Befragten am meisten an Mitarbeitern im Arbeitsalltag schätzen, ergab sich die folgende Rangliste von Top-Eigenschaften:[2]

Erwünschteste Eigenschaften

Quelle: “The Ideal Employee: The influence of work context, personality and organizational culture on leaders’ prototypical implicit follower theories”, Dissertation, Andrea Derler, 2016

„Das ideale Mitarbeiterbild bevorzugt Konformismus und erinnert an den typischen ‘Untergebenen’.

Während sich ManagerInnen in deutschen und österreichischen Unternehmen vorwiegend verlässliche, produktive, und loyale Mitarbeitende wünschen, entsprechen jene, welche als „schwer beeinflussbar“ und selbstbewusst gelten, und dazu neigen, „vom Trend abzuweichen“, nicht dem Idealen Mitarbeitertypus:

Unerwünschteste Eigenschaften

Quelle: “The Ideal Employee: The influence of work context, personality and organizational culture on leaders’ prototypical implicit follower theories”, Dissertation, Andrea Derler, 2016

Kontext hat Einfluss auf das Bild des Idealen Mitarbeiters

Natürlich gleichen die impliziten Mitarbeiterbilder von Managern nicht wie ein Ei dem andern. Beispiel: Führungskräfte im mittleren Management wie Bereichs- und AbteilungsleiterInnen wünschen sich Verlässlichkeit in Mitarbeitern mehr als ManagerInnen in Top-Führungsrollen, und Führende größerer Teams schätzen Teamfähigkeit und Selbstlosigkeit bei Mitarbeitern mehr als Manager kleinerer Teams.

„Nicht alle Manager haben dasselbe Bild eines idealen Mitarbeiters: Position und Organisationskultur spielen eine Rolle in der Vorliebe für bestimme Eigenschaften.“

Wie Andrea Derler und Jürgen Weibler in einer Publikation im Leadership & Organization Development  Journal (2014) ausgewiesen haben, hat auch der Arbeitskontext Einfluss auf die Präferenzen für bestimmte Mitarbeitermerkmale. Insbesondere die Organisationskultur spielt eine wichtige Rolle: so haben ManagerInnen in sogenannten Konzernkulturen, in denen Zielerreichung und Wettbewerbsfähigkeit wichtige Wertsetzungen bilden, ein ausgeprägt komplexes und umfangreiches Bild darüber, wie “ideale Mitarbeiter” aussehen: diese sollten am besten alles können, nur besser. Deshalb stehen Produktivität, Fleiß und Schnelligkeit an höchster Stelle der idealen Mitarbeiterqualitäten. Im Gegenteil dazu haben Führungskräfte in Flexiblen Organisationsformen, in denen ständiger Wechsel und Ambiguität am Arbeitsplatz vorherrschen, keine bevorzugten Eigenschaften idealer Mitarbeiter angegeben.

Der Ideale Mitarbeiter und Diversität: Wie passt das?

Die Ergebnisse machen deutlich, dass Führungskräfte eher Mitarbeiter bevorzugen, welche den traditionellen Normen im Unternehmen entsprechen als davon abzuweichen oder sie in einer Andersartigkeit zu ergänzen. Dies ist weniger abzuleiten von der Präferenz der zu erwartenden Merkmale wie Verlässlichkeit und Produktivität, als von der relative Abneigung gegen Mitarbeitende, die schwer beeinflussbar sind, oder es wagen, vom Trend abzuweichen.  Diese implizite Präferenz für ‘passende’ Mitarbeiter wirken sich auf tägliche Interaktionen mit Teammitgliedern aus – zu denen, die ‘passen’ und anderen gegenüber, die ‘nicht passen’. Das hat, um es erneut zu betonen, potenziell weitreichende Folgen für Managementprozesse wie Einstellungsgespräche („Selbstähnlichkeit“), Leistungsbeurteilungen (einseitige Wahrnehmung) und Beförderungsentscheidungen (mehr vom Gleichen).

Was also, wenn Andere nicht dem Bild des idealen Mitarbeiters entsprechen? Welche Konsequenzen ergeben sich aus rigiden, konformistischen impliziten Vorstellungen über Mitarbeiter für die Diversität im Unternehmen und damit nicht selten für unternehmerische Wettbewerbsfähigkeit? Inwieweit ist wahre Inklusion in Organisationen überhaupt möglich, wenn sich Führungskräfte diesen Voreingenommenheiten nicht bewusst sind, oder Organisationen ihnen nicht entgegenwirken?

Einseitige Präferenzen bedrohen Kreativität und Innovation in Organisationen

Kreativität und Innovation sind bedroht, wenn die Vielfalt im Denken und Handeln abnimmt, wie die Unternehmensberatung McKinsey (2018) mittels einer korrelativen Analyse hervorhob. Danach seien Unternehmen mit höherem Diversitätsgrad letztendlich auch erfolgreicher. Diese Umsetzung gelingt bei weitem nicht allen, leicht ist zudem nie, bis eine offenere Organisationskultur greift.

Denn aufgrund der hier beschriebenen Studienergebnisse muss man annehmen, dass Menschen auf der Arbeit dazu neigen, an bekannten Denkmustern und emotionalen Vorlieben gegenüber anderen Menschen festzuhalten – und diese Präferenzen sind selbst wenig originell. Diese Sehnsucht nach der ‚ewigen Wiederkehr des Gleichen‘ gefährdet potenziell organisatorischen Wandel, damit die Innovation und langfristig die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen. Aber gerade auch Verwaltungen, deren DNA aus festgezurrten bürokratischen Regelungen besteht, sind mehr als gefährdet und ob NPOs hier anders agieren, muss zwar offen bleiben, erscheint aber bei den (strikt) wertorientierten NPOs nicht besonders wahrscheinlich.

Wenn eine Reflexion dieses Beharrungsvermögens intern nicht gelingt – wobei das Top-Management und HR hier besonders gefordert sind – müssen entsprechende Impulse, ggf. Vorgaben, von den Aufsichtsgremien oder Dritten (z. B. Beratungen) gegeben werden.

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[1] An dieser quantitativen Studie, deren Daten in Form eines online-Fragebogens erhoben und statistisch analysiert wurden, nahmen insgesamt 138 Personen teil: 66.7% der teilnehmenden Führungskräfte sind männlich, durchschnittlich 42 Jahre alt, mit 10 Jahren Führungserfahrung und alle arbeiteten zum Zeitpunkt der Umfrage aktiv in Führungspositionen. Repräsentierte Branchen: Dienstleistung (31.2%), Autobranche (14.5%), Informationstechnologie (5.8%), Ingenieurwesen (12.3%), sonstige (36.2%); Unternehmensgrößen: > 2000 Angestellte (39.1%), 200-2000 Angestellte (31.9%), 51-200 Angestellte (17.4%), 6-50 Angestellte (8%) und 5 oder weniger Angestellte (3.6%).

[2] Alle Eigenschaften wurden mit einer 5-stelligen Skala bewertet wobei galt: 1= gar nicht bedeutsam bis 5=sehr bedeutsam

Derler A. /Weibler, J. (2014): The ideal employee: context and leaders’ implicit follower theories. In: Leadership & Organization Development Journal, 2014, 35(5), 386-409.

McKinsey (2018): Neue Studie belegt Zusammenhang zwischen Diversität und Geschäftserfolg. Press Release 24.01.2018, abgerufen am 31.01.2020, https://www.mckinsey.com/de/news/presse/neue-studie-belegt-zusammenhang-zwischen-diversitat-und-geschaftserfolg

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