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Immer mehr «Quality-TV»- Serien stellen «starke» Frauen in den Mittelpunkt der Handlung und zeigen Frauen in Führungspositionen. Die Gleichstellung der Geschlechter scheint sich, so der erste Eindruck, zumindest auf den Bildschirmen langsam, aber sicher abzuzeichnen. Ist dem jedoch wirklich so? Und was meint denn das, eine «starke»  Frau zu sein?

Eine erste Annäherung: Frauenbild in populären Filmen

Forschungsergebnisse zeigen, dass die beliebtesten Filme der Welt immer noch die Botschaft an Mädchen und junge Frauen senden, dass Führung vor allem für Männer ist. Eine Studie der Entwicklungsorganisation Plan International und des Geena Davis Institute on Gender in Media, die die 56 umsatzstärksten Filme des Jahres 2018 in 20 Ländern analysierte, ergab, dass Frauen und Mädchen viermal häufiger als männliche Charaktere in auffälliger Kleidung gezeigt werden (30% im Vergleich zu 7%); fast doppelt so wahrscheinlich teilweise nackt (15% im Vergleich zu 8%) und viermal häufiger völlig entblößt gezeigt werden (2% im Vergleich zu 0,5%). Auch wenn Frauen in Führungspositionen gezeigt werden, werden sie in vielen Filmen immer noch als Sexobjekte dargestellt. Außerdem konzentrierte sich die Kamera bei  15% der weiblichen Führungsfiguren in Zeitlupe auf ihre Körperteile, verglichen mit 4% der Männer.

Weibliche Besetzung von Führungspositionen in Serien

Serien bieten im Vergleich zu Spielfilmen ein noch grösseres Identifikationspotential für Zuschauer*innen, weil man die Figuren über mehrere Staffeln hinweg einen viel längeren Zeitraum begleitet als in einem Spielfilm als einmaliges Erlebnis. Zeit, sich zu fragen, was zeichnet eine starke Frau eigentlich aus?

Dieser Frage möchte ich anhand von drei Beispielen nachgehen, die mir aufgrund ihrer Popularität und Reichweite relevant erscheinen und die als Gemeinsamkeit aufweisen, dass sie Frauen in Führungspositionen in Umfeldern zeigen, die traditionell eher männlich geprägt sind bzw. waren.

The Good Wife (USA, 2009-2016) ist ein von CBS produziertes politisches Justizdrama, das sich um die Protagonistin Alicia Florrick (Julianna Margulies) dreht, die Ehefrau des State Attorney Peter Florrick (Chris Noth) in Chicago/Illinois. Als ihr Mann in einen Sex-Skandal verwickelt und wegen politischer Korruption inhaftiert wird, kehrt Alicia nach vielen Jahren als Hausfrau und Mutter in ihren alten Beruf als Prozessanwältin zurück, um finanziell für sich und ihre beiden Kinder zu sorgen. Von diesem Ausgangspunkt dreht sich die Serie um ihren erfolgreichen Aufstieg als Anwältin und ihren Befreiungskampf als unabhängige Frau.

Die Serie Borgen (Dänemark, 2010-2013), produziert vom dänischen Sender DR1, zeigt die persönliche Entwicklungsgeschichte der Politikerin Birgitte Nyborg (Sidse Babett Knudsen), die zu Beginn der Serie zur dänischen Premierministerin gewählt wird. Weitere Hauptfiguren der Serie sind ihr Medienberater Kasper Juul (Pilou Asbæk) und die Journalistin Katrine Fønsmark (Birgitte Hjort Sørensen), womit die fast schon symbiotischen Verhältnisse der Sphären von Politik und Medien in der Figurenkonstellation angelegt sind. Im Deutschen trägt die Serie den Untertitel «Gefährliche Seilschaften». Den Zuschauer*innen wird ein Blick hinter die Kulissen versprochen und sie werden von Beginn an zu Komplizen gemacht, die mehr wissen als die Bürger*innen der fiktionalisierten Nation und innerhalb der Handlung auch mehr als die Figuren selbst.

Im Mittelpunkt der vom ZDF koproduzierten Serie Bad Banks (Deutschland/Luxemburg, 2018-2020) steht die 25-jährige Investmentbankerin Jana Liekam (Paula Beer).  Sie jongliert mit Milliardenbeträgen und entwickelt sich im Verlauf der ersten Staffel vom anfänglichen Spielball ihrer Vorgesetzten Cristelle Leblanc (Désirée Nosbusch) von der fiktiven luxemburgischen Bank «Credit International» zur berechnenden Strippenzieherin in der Finanzwelt. Ein weiterer wichtiger Akteur in der Figurenkonstellation ist der niederländische Investment-Chef Gabriel Fenger (Barry Atsma) bei der ebenso fiktiven «Deutschen Global Invest».

Charakteristika der weiblichen Führungspersonen

Was verbindet die drei Frauen in den hier diskutierten Beispielen? Alle Geschichten sind in großstädtischem Milieu angesiedelt (Chicago, Kopenhagen, Luxemburg und Frankfurt am Main), von Schnelligkeit und einer gewissen Atemlosigkeit geprägt und das Smartphone spielt in allen drei Serien eine zentrale Rolle der Vermittlung zwischen privater und beruflicher Sphäre, die sich zunehmend vermischen. Durchgehend zeigt sich aber auch eine «Culture of Confidence», wie sie Sheryl Sandberg in ihrem 2013 erschienenen Bestseller „Lean In“ etabliert. Ihr Buch nimmt das Format eines Ratgebers an, in dem Frauen am Arbeitsplatz aufgefordert werden, ihre Positionen zu behaupten und sich bemerkbar zu machen, sich einen Weg durch die Hindernisse zu bahnen und ihr volles Potenzial auszuschöpfen. Erfolg wird dabei fast ausschließlich auf das Erreichen von hierarchischen Führungspositionen in Kombination mit Mutterschaft bezogen wird. Dies kann als Empowerment gelesen werden, soll hier aber kritisch hinterfragt werden.

Insbesondere die einer wohlhabenden, weißen Oberschicht entstammende Figur Alicia Florrick in The Good Wife baut Druck auf bezüglich der scheinbar mühelosen Vereinbarkeit von Beruf und Familie.  Sie ist durchgängig leistungsbezogen, aber trotzdem entspannt im Umgang mit ihren Kindern im Teenager-Alter, meistens unterstützt durch ein Glas Rotwein in den Abendstunden, ihre Wohnung ist immer aufgeräumt (wobei dies in den ersten Staffeln offenbar der Anwesenheit ihrer stets mit einer Küchenschürze bekleideten Schwiegermutter zu verdanken ist) und sie sieht auch mit weniger als sechs Stunden Schlaf in der Nacht am nächsten Morgen blendend aus.

Zu Beginn der ersten Staffel der Serie Borgen ist Birgitte Nyborg eine glücklich verheiratete Mutter, die relativ unerwartet in das hohe politische Amt katapultiert wird. In der ersten Staffel wird sie zuhause tatkräftig von ihrem Ehemann unterstützt und versucht zu Beginn auch immer wieder, ihre Zeit mit der Familie zu verteidigen, zum Beispiel weist sie ihren Medienberater charmant darauf hin, dass sie samstags um 17 Uhr auch mitten im Wahlkampf zu ihren Kindern nach Hause gehen kann. Als aber der Haushaltsentwurf unter ihr als neuer Ministerpräsidentin zu scheitern droht, lässt sie ihre Familie auf dem Weihnachtsmarkt stehen – die Vereinbarkeit ihrer öffentlichen Rolle mit dem Anspruch, gleichzeitig als Mutter für ihre Kinder da zu sein, wird immer schwieriger. Ein interessanter Aspekt hierbei ist, dass sie ihre von der Gewerkschaft zugeteilte Sekretärin im Parlament herablassend behandelt, bis diese anfängt, sie in der Erfüllung von «mütterlichen» Aufgaben zu unterstützen, an die sie in ihrer Rolle als Premierministerin nicht mehr denkt (zum Beispiel Geschenke für die Kinder auf Auslandsreisen kaufen). Ihre Ehe gerät im Laufe der Handlung zunehmend an die Grenzen der Belastbarkeit und geht schließlich in die Brüche.

Jana Liekam in der Serie Bad Banks hat (noch) kein eigenes Kind, ihr Freund bringt jedoch eine Tochter aus einer früheren Beziehung mit. Zu Beginn der Serie hat Jana eine herzliche Beziehung zu seiner Tochter. Im Verlauf der Handlung geht der Kontakt zunehmend verloren, da sie die Arbeitsstelle wechselt und von Luxemburg nach Frankfurt zieht. Sie lebt zunehmend nur noch für den Job im Investmentbanking, soziale Bindungen außerhalb der Arbeit gehen verloren, es geht so weit, dass sie ihren überraschend angereisten Freund samt Tochter vor ihrer verschlossenen Wohnungstür sitzen lässt, weil es ihr wichtiger ist, mitten in der Nacht in einem Club Verbündete für ihr Vorhaben zu gewinnen, innerhalb von vier Wochen das Closing für einen Milliardenkredit abzuschließen. Die Botschaft ist hier eindeutig, dass das Privatleben völlig hintenanstehen muss, um ihre Karriereziele zu erreichen.

Sheryl Sandberg und ähnlich auch Katty Kay und Claire Shipman in ihrem Bestseller The Confidence Code aus 2014 stellen die Entwicklung von Selbstvertrauen als Schlüssel zum persönlichen karrierebezogenen Erfolg von Frauen und im weiteren Sinne zur Verwirklichung des Projekts der Gleichstellung der Geschlechter am Arbeitsplatz und im öffentlichen Leben dar. Strukturelle Ungleichheiten geraten so weitestgehend aus dem Blickfeld, die Frau ist aufgefordert, sich nach innen zu wenden und sich selbst von ihrem mangelnden Selbstvertrauen zu heilen, um institutionelle, kulturelle und gesellschaftliche Probleme zu lösen. Es wäre unfair zu sagen, dass Sheryl Sandberg die Veränderung von Strukturen völlig außer Acht lässt, aber der Schwerpunkt ihrer Argumentation liegt darauf, dass Frauen sich verändern müssen. Gleichberechtigung wird so zu einem postfeministischen, individuellen, unternehmerischen Projekt der Selbstoptimierung. Es zeigt sich, dass hier allenfalls von einem scheinbaren Empowerment die Rede sein kann, das die Verantwortung für ein erfolgreiches (Berufs-)Leben der Frau allein überlässt

In den hier betrachteten Serien sind diesbezüglich vor allem die Beziehungen zu anderen Frauen in den Figurenkonstellationen interessant, da hier strukturelle Probleme und stereotype Führungskonzeptionen sichtbar werden.

Alicia Florrick in The Good Wife bekommt die Partnerin Diane Lockhart (Christine Baranski) als Mentorin in der Kanzlei zugewiesen. Obwohl Diane zunächst solidarisch erscheint und Alicia darüber aufklärt, dass ihre Beziehung einem «old boys»-Netzwerk ähneln solle, zeigt sie sich sehr schnell ungehalten als Alicia sich ihren Empfehlungen in einem Gerichtsverfahren widersetzt und einen eigenen Weg geht. Zwischen den Frauen entsteht daraufhin ein Konkurrenzverhältnis, die hierarchisch übergeordnete Frau erkennt Alicias Erfolg nicht an und fördert ihre Karriere nicht weiter. Informell entsteht jedoch eine Mentoring-Beziehung zwischen Alicia und ihrem ehemaligen Studienkollegen Will Gardner (Josh Charles), dem anderen Partner der Kanzlei, die aber nicht frei von erotischen Interessen bleibt.

Birgitte Nyborg in Borgen agiert in ihrer Führungsrolle zunächst «authentisch», fast schon naiv. Im Verlauf der Serie entwickelt sie ungeahnte Machtinstinkte, erlebt dadurch aber auch zunehmende Konflikte und den Verlust von Loyalität. Sie verfolgt anfangs einen partizipativen Führungsstil, muss sich dann aber, als sie beginnt, Entscheidungen im Alleingang zu treffen, von der Frauenbeauftragten in ihrem Kabinett einen «männlichen Führungsstil» vorwerfen lassen.

In Bad Banks ist vor allem die ambivalente Mentoring-Beziehung zwischen Jana Liekam und Christelle Leblanc spannend. Christelle Leblanc spielt ein eiskaltes strategisches Spiel, um als Frau in der Bankenwelt an die Macht zu kommen und versucht Jana eben diese Spielregeln beizubringen. Jana lernt immer souveräner auf dem schmalen Grat zwischen Loyalität und Erpressung zu balancieren und für ihren eigenen Vorteil zu nutzen. Sie emanzipiert sich von ihrer Mentorin, steht dieser in Gefühlskälte jedoch in nichts nach. Einzig die Tatsache, dass sie in stressigen Situationen wiederholt hyperventiliert, zeigt, dass sie das Spiel nicht ohne Folgen ertragen kann. Ein Beispiel für Erfolg scheint das nur sehr begrenzt, da es am Ende des Tages auf Kosten ihrer psychischen Gesundheit geht.

In Bezug auf eingangs erwähnte Studie zur Darstellung von Frauenkörpern lässt sich sagen, dass alle drei Protagonistinnen der hier betrachteten Serien im Verlauf der Handlung in entblößten Situationen gezeigt werden. Alicia selbst wird erst relativ spät nackt gezeigt, dabei zuerst in einer Szene, in der sie Sex mit ihrem Mann imaginiert. Allerdings ist sie von Beginn der Handlung an aufgrund des Sexskandals ihres Mannes und in sozialen Medien und Fernsehnachrichten zirkulierender Beweisvideos in der Öffentlichkeit als betrogene Ehefrau bloßgestellt. Die öffentliche Verhandlung ihres Privatlebens ist schon allein aufgrund ihres Nachnamens ein ständiges Thema. In Borgen verschieben sich die Machtkonstellationen auch im Schlafzimmer. Halb im Scherz beantragt der vernachlässigte Ehemann Termine für Sex mit der Premierministerin. Auch auf Ebene der Kameraführung verschiebt sich die Blickkonstellation auf den Mann als Sexobjekt. Das nahende Ende der Ehe zeichnet sich hier bereits ab. In Bad Banks wird ein nicht unwesentlicher Teil der Spannung in der ersten Staffel darüber aufgebaut, ob Jana und ihr Vorgesetzter Gabriel Fenger miteinander im Bett landen werden. Es ist zumindest fragwürdig, wie dies die Wahrnehmung ihrer Kompetenz beeinflusst.

Starke Frauen – eine Rahmung jenseits von Stereotypen

Was also zeichnet eine starke Frau aus? Eine starke Frau wäre eine, die nicht mehr «ihren Mann» stehen muss, um anerkannt zu werden. Die sich nicht in straff geschneiderte Kostüme zwängt und angestrengt in die Chefetagen hochklettert, indem sie betont männlich auftritt und bloß keine weiblichen Seiten zeigt, die als Schwäche ausgelegt werden könnten. In diesem Sinne ist Birgitte Nyborgs Fernsehauftritt in der ersten Folge von Borgen vorbildlich. Das unkonventionelle Kleid, das sie trägt, und öffentlich zum Thema macht, dass sie während des Wahlkampfs zugenommen hat und nicht mehr in ihr Kostüm passt, verschafft ihr indirekt sogar den Wahlerfolg, es lässt sie nahbar wirken und die Wähler*innen identifizieren sich mit ihr als «Volksvertreterin». Die Kleidung von Frauen beeinflusst immer noch stark, wie kompetent sie eingeschätzt werden. Das zeigt sich auch darin, dass Alicia Florrick als Stil-Ikone für amerikanische Frauen gilt, was in erhöhter medialer Aufmerksamkeit gipfelte, als Michelle Obama im Januar 2015 – über ein  Jahr nach Ausstrahlung der Folge 10, Staffel 5 im Dezember 2013 –, denselben grauen Michael Kors Anzug wie die fiktive Figur trug.  Und eine Kritik in der Süddeutschen Zeitung bezeichnet die Figur der Jana Liekam als «Sphinx im schwarzen Hosenanzug».

Abschließend lässt sich festhalten, dass eine Frau, die ihre Weiblichkeit unterdrückt, um eine hierarchische Führungsposition zu bekleiden, sich zur Komplizin patriarchaler Strukturen macht und indirekt mithilft, diese aufrechtzuerhalten. Erfolg wird dann nur durch Anpassung erreicht, auf Kosten der Entfaltung der eigenen Persönlichkeit und eines individuellen Weges. Eine wirklich erfolgreiche Frau wäre eine, die sich erlaubt, auf ihre eigene Art zu führen und selbstbestimmt entscheidet, wann sie sich zurücklehnt. «Lean in» ist nur eine unter vielen anderen Optionen, ein erfolgreiches Leben zu führen. Karrierewege gleichen in der Realität oft eher Kreuz- und Querfahrten, die erst nachträglich in ein lineares Narrativ überführt werden.

In allen drei Serien sehen wir Frauen, die zwischen Anpassung und eigenem Weg schwanken. Keine von ihnen ist in jeder Hinsicht ein Vorbild, das muss aber auch nicht sein. Wir brauchen keine neuen Stereotype, sondern eine noch viel größere Vielfalt an Frauenfiguren auf unseren Bildschirmen, damit Filme und Serien dazu beitragen, strukturelle Ungleichheiten bewusst zu machen, um sie langfristig aufzulösen. Eine «Frau in Führung» kann viele Gesichter haben und es gibt nicht «das» Rezept, nur viele verschiedene Lebenswege und Geschichten, je vielfältiger, desto besser. Die Vielfalt an Frauenfiguren in der Serie Game of Thrones weist hier auch eine vielversprechende Richtung, wirft aber auch last but not least die etwas ketzerische Frage auf, ob weniger stereotype weibliche Führungsrollen bisher eher in Fantasy-Formaten zu finden sind als in der Realität. Es bleibt jedenfalls spannend.