Jirsak/Shutterstock

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Das Verhältnis ist oft gespannt. Die Linie beklagt, dass die Personaler zu wenig vom Geschäft verstehen. Das HR-Department kritisiert, dass die Führungskräfte am liebsten im gewohnten Trott verharren würden. Wir blicken nach vorne und ordnen einen neueren Vorschlag von Dave Ulrich, dem praxisorientierten „Marktführer“ auf diesem Gebiet, kommentierend ein. Seine Kernthese: HR muss sich verändern, weil sich das Geschäft verändert.

Personalarbeit im gerafften Rückblick

Die Entwicklung der Personalarbeit auf das heutige Format war ein langer und wechselvoller Weg. Wie Dave Ulrich und James Dulebohn (2015) nachzeichnen, wurden zu bewältigende Anforderungen an Auswahl, Training und Entwicklung sowie produktivitätsorientierte Entlohnung und deren administratives Handling zu Beginn des 20. Jahrhunderts primär über Arbeitsanalysen geleistet. Mit zunehmender Industrialisierung und Verrechtlichung wurde die Zusammenarbeit mit Gewerkschaften und Betriebsräten/Personalräten wichtiger. Vertragsgestaltungen, Umsetzung und Einhaltung wachsender gesetzlicher Vorschriften verbunden mit Dokumentationspflichten gewannen an Bedeutung. Ab den 1970er Jahren wurde die Ausgestaltung eines internen Arbeitsmarktes auffällig vorangetrieben. In den Fokus rückte die Besetzung von Eingangspositionen, standardisierte Karrierepfade wurden gezimmert, Vergütungssysteme für alle Ebenen entworfen und interne Aufstiege bei stabilen Belegschaften und vorherrschenden Normalarbeitsverhältnissen dominant präferiert. HR wurde zunehmend als Profession angesehen und weitflächig als eigenständige Funktion anerkannt.

Personalarbeit auf dem Weg zum Strategiemanagement – Fokus: Top-Management

Beginnend mit den 1980er Jahren wurden vermehrt Stimmen laut, die sich gegen die einsetzende, organisatorisch beförderte Verselbständigung des Funktionsbereichs wendeten und eine engere Anbindung an die Belange des Geschäfts forderten. Gerade auch weil das Management nun permanent Strukturveränderungen unterzogen wurde, immer „schlanker“ und damit auch kosteneffizienter werden sollte, gerieten „Kostenverursacher“, deren Leistungsbemessung sich in der für die „produktiven“ Bereiche typischen Zahlenform weitgehend entzog, in die Kritik. Der Personalbereich antworte mit Ausdifferenzierung (Diversifizierung) als Professionalisierung von Personalfunktionen und der Entwicklung neuer Techniken und Tools.

Eine entscheidende Weichenstellung in der Evolution des Personalmanagements kann darin gesehen werden, die Personalarbeit ausdrücklich mit dem unternehmerischen Kerngeschäft und der Unternehmensstrategie zu verzahnen. Das strategische Personalmanagement hielt Einzug, was Christian Scholz (2014, S. 90) wie folgt beschreibt:

„Das strategische Personalmanagement bezieht sich auf das gesamte Unternehmen und hat unmittelbaren Bezug zu den Erfolgspotenzialen des Unternehmens. Es abstrahiert von einzelnen Mitarbeitern und Stellen“.

Dave Ulrich, Wissenschaftler sowie Mitgründer und Partner der Beratungsgesellschaft RBL Group, war es, der die Forderung nach einer strategischen Ausrichtung 1997 in seinem Bestseller “Human Resource Champions“ mit viel Marktgespür formulierte und popularisierte (am Rande: 1992 war zum strategischen Personalmanagement im deutschsprachigen Raum bereits ein Werk von Wolfgang Elšik erschienen).

Das Personalmanagement, nun attraktiv als HR-Business Partner des Top-Managements und nachfolgender Ebenen deklariert, sollte entsprechend einen eigenständigen Beitrag zur unternehmerischen Wertschöpfung leisten.

  • Auf der strategischen Ebene bedeutet dies zuallererst die Stärkung und Erweiterung von Wettbewerbsvorteilen (Management strategischer HR-Themen, z.B. Employer Branding, Arbeitsbedingungen, Gendergerechtigkeit, Change).
  • Auf der operativen Ebene betrifft dies die einzelnen Funktionsfelder, die konsequent an den strategischen Zielen auszurichten und weiter zu professionalisieren sind. „Professionalisierung“ heißt, Effizienzen zu erzeugen (z.B. verschlankte Verwaltungsprozesse, optimierte Trainingsprogramme durch den Einsatz skalierbarer Technologien) und die Zielerreichung hochwertiger zu garantieren (z.B. optimierte Personalentwicklung durch valide, individuelle Bedarfsbestimmung).

Das angestrebte „Business Partners Personalmanagement“ muss durch Personen getragen und umgesetzt sowie ggf. organisatorisch abgestützt werden („Drei-Säulen-Modell“ des HR-Bereichs). Verstanden wird es von Ulrich als eine partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen den Personalverantwortlichen kraft Funktion und den Führungskräften. Wertschöpfend wird der Business Partner durch Ausübung von vier Schlüsselrollen:

  • Administrative Expert
  • Employee Champion
  • Change Manager
  • Strategic Partner

In neueren Werken hat Dave Ulrich diese vier Schlüsselrollen des Business Partner aufgrund fortschreitender Marktentwicklungen auf neun Kompetenzrollen erhöht (z.B. die des „Paradox Navigator“, der besonders mit Spannungen umzugehen vermag) und 13 Dimensionen kreiert, die das HR-Business-Partner Modell betreffen.

Mit diesem Komplexitätsaufbau, der typisch für Weiterentwicklungen derartiger Konzepte ist, ist die ursprüngliche Übersichtlichkeit natürlich dahin. Fortlaufende Updates, vor allem in der Messung von Führungsqualität, sind überdies angekündigt.

Personalarbeit auf dem Weg zum externen Value Creator – Fokus: Kunden und Investoren

Während in der Strategiefokussierung der Mehrwert vor allem durch eine kluge Anbindung der HR-Arbeit an die strategische Ausrichtung des Unternehmens geschaffen werden sollte (Binnenperspektive), fordern Dave Ulrich und James Dulebohn nun einen nächsten konsequenten und zeitgemäßen Schritt (2015). Soll heißen: Wertschöpfung sei jetzt nicht mehr ausreichend durch zugeschnittene Dienstleistungen, redesignte HR-Praktiken oder Effizienzerhöhungen von z.B. Abläufen zu erzielen. Der Blick müsse sich stattdessen zuvorderst auf die Außenperspektive richten. Die externen Stakeholder rücken in den Fokus.

Von denen werden die Kunden der Organisation besonders hervorgehoben, deren Vorstellungen bereits bei der Besetzung von Positionen oder bei der Personalentwicklung zu berücksichtigen seien. In neueren Interviews verschiebt sich der Fokus allerdings stärker noch auf die Investoren. Diese Neuausrichtung ist wohl stark von den Kapitalmarktbewegungen im angloamerikanischen Raum sowie überdies auch von der zunehmenden Bedeutung der Finanzmärkte in der Weltwirtschaft geprägt. Dave Ulrich weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass nach seiner eigenen Forschung nur 40 % einer Kaufentscheidung für ein Unternehmen aufgrund der aktuellen Rendite getroffen wird. 30 % bezögen sich auf immaterielle Werte (Strategie, Marke, F&E). Und man merke auf: Die restlichen 30 % betreffen die Qualität der Führung.

Mit Blick auf dieses bedeutsame Investitionskriterium müsse HR etwas anzubieten haben, sprich: die Führungsqualität nachhaltig steigern und dieses nach Möglichkeit auch verlässlich (quantitativ) auszuweisen.

HR und Führungskräfte

Leadership, so das hier entscheidende Stichwort, wird von Dave Ulrich ausdrücklich mit der Zukunft von HR verbunden. Zum einen ist es die nun gestärkte Leadership-Rolle, die HR selbst einzunehmen hat, zum anderen ist es die Leistung, die HR für Führungskräfte erbringen sollte. In einem informativen Interview, geführt von Ingmar Höhmann vom Harvard Business Manager (HBR 2016), formulierte Ulrich dazu die Gestaltungsfelder

  • persönliche Kompetenz,
  • strategisches Denken
  • Umsetzung
  • Mitarbeiterführung und
  • Fit zwischen Führungsstil und den Werten der Organisation.

Bei der zukünftigen Arbeit des Personalmanagements und deren Verantwortlichen geht es nach Ulrich darum, Leadership innerhalb der ganzen Organisation als Markenzeichen auszubauen. Diese Stoßrichtung zu verinnerlichen, sei zentral. Angesprochen ist damit also eine Führungspolitik, die getragen ist von der Einsicht, dass es am Ende die Führungskräfte sind, die die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit der Organisation im Täglichen zusammenbringen, um Kundenprobleme zu lösen. Im Mittelpunkt stehen fünf von mir analog der obigen Autoren plakativ formulierte „Aufträge“, die die HR-Arbeit für eben diese Führungskräfte bestimmen sollten:

  1. Zeige den messbaren Unterschied von Führung auf. Nach erfolgten Benchmark-Studien, denen Evidenzcharakter zugeschrieben wird, sei im eigenen Haus aufzuzeigen, wie gut aufgestellte Firmen im Bereich HR Wettbewerbsvorteile erwirken. Dies kann sich auf die Umsetzung von Strategien beziehen, auf die Erhöhung des Vertrauens von Investoren, auf bessere Anpassungen auf geänderte Marktbedingungen oder auf die kluge Antizipation von neuen Kundenerwartungen.
  2. Definiere die Effektivität von Führung zuvorderst aus der Außenperspektive heraus. Ebenso wie man den Kundennutzen zweckmäßigerweise aus Sicht des Kunden definiere, sollte auch die Leadership-Qualität an den Interessen der externen Anspruchsgruppen, und hier nicht zuletzt der Investoren, bemessen werden (vermittelt z.B. durch Websites, Social Media, Geschäftsberichte usw., passend zum Image der Produkte und Services). Sofern sich die Führungskräfte konsistent zu den Erwartungen der Stakeholder verhalten, könne von einer nachhaltigeren Führung gesprochen werden.
  3. Führe Leadership-Assessments nach Standards durch. Angestrebt wird ein „720 Grad-Assessment“, das in Erweiterung der bekannten 360 Grad-Beurteilung nun auch relevante externe Stakeholder integriert.
  4. Investiere in Leadership. Die klassische Formel, nach der 70% der Lernerfahrung on-the-job entstehe, 20% infolge externen Feedbacks bzw. Beobachtung von Rollenvorbildern und (magere) 10% durch Training, solle wie folgt abgeändert werden: 50% durch eigene Erfahrung im Beruf, Feedback und Rollenvorbilder, 30% durch passgenauere Trainings samt paralleler Einbettung der Trainingserfahrung in den Job, und 20% durch Führungserfahrung außerhalb des Jobs (Familie, Netzwerke, Mitarbeit in NPOs, Reading(!), Reisen etc.) mit entsprechender Reflexion.
  5. Bemesse Entwicklungsfortschritte. Referenziert wird auf die bekannte Skala von Kirkpatrick (1994), die zwischen Einstellungen, Wissen, Verhalten und Ergebnissen unterscheidet. Im Einklang mit vorherigen Überlegungen wird die Messung ergänzend auf zwei Punkte ausgerichtet: Bestimmung, inwieweit die Führung den Wert für die Stakeholder erhöht hat und inwiefern ein Return on Intangibles zu verzeichnen ist, der 50% des Marktwertes der Unternehmung ausmache. In diesem Zusammenhang gilt es allerdings auch klar zu sehen, dass nicht alles, was wichtig ist, deshalb auch messbar sein muss und dass auch Messungen kontraproduktive Wirkungen haben können. Messung und Vermessenheit liegen eben nicht nur semantisch eng beieinander.

Digitalisierung als Chance für HR auf einen Platz im Top Management Team

Die Forderung nach der Verantwortung von HR für Leadership ist das eine, die Definitionsmacht dafür das andere. Sie ist dann am höchsten, wenn HR im Top Management Team (TMT) verankert ist. Dies ist in Deutschland allerdings nur in 49 % der Fälle so – der niedrigste Wert im internationalen Vergleich (Cranet-Studie 2015/2016: A 50% / CH 65%).

Ergänzend entnehmen wir einer aktuellen Befragung des Bundesverbandes der Personalmanager (BPM) bei seiner Klientel, dass die HR-Funktion in 83 % der Fälle als eine zentrale Organisationseinheit direkt unterhalb der Unternehmensleitung angesiedelt ist. Ohne weiteres wird sich eine Statusverbesserung aber nicht erzielen lassen, um das internationale Mittel zu erreichen.

Zum einen ist das Beharrungsvermögen groß. Eine gerade veröffentlichte Forschungsstudie von Magdalena Abt und Dodo zu Knyphausen-Aufseß von der TU Berlin kommt nämlich zu dem Schluss, dass (1) die Gepflogenheiten in der Organisation mit HR-Themen selbst sowie (2) die organisatorischen Verankerung von HR in der Branche vor allen anderen untersuchten Größen eine Aussage darüber gestatten, ob es HR ganz nach oben schafft. Zum anderen weist wiederum die BPM-Studie aus, dass nur 53 % die von Ulrich und den Personalern selbst Top-geranke Kompetenz, Unternehmensstrategie und Personalthemen zukünftig zu verbinden, für hoch oder sehr hoch bei HR einschätzen. Lediglich nur 43% beurteilten die ebenfalls als wichtig erkannte Innovations- und Transformationskompetenz in entsprechender Ausprägung als vorhanden und ganze 21% sehen HR als Designer und Entwickler innovativer Arbeitswelten ansprechend aufgestellt.

Das ist die Selbstwahrnehmung von HR! Überraschend wäre, wenn die Fremdwahrnehmung nicht ungünstiger ausfiele. Wer aber ins Top Management Team möchte, muss seine Kompetenzzuschreibung erhöhen. Dave Ulrich geht in diesem Zusammenhang davon aus, dass 20% der HR-Spitze in ihrer Tätigkeit und Wirkung für das Unternehmen schlicht Großartiges leisteten und Vorbilder ihrer Zunft seien. 20% fielen deutlich ab und 60% wären irgendwo in der Mitte anzusiedeln. Ich weiß nicht, wie solche Sortierungen in anderen Funktionsbereichen ausfielen, aber meine Arbeitshypothese wäre, dass Talente in Organisationen verteilt sind.

Es sind die 60%, die über das Image von HR in der Fläche entscheiden. Die Gretchenfrage ist ab sofort, wie sie es mit der Digitalisierung halten. Das ist der aktuelle zu bearbeitende Wertreiber schlechthin (Märkte, Effizienzen), wenn auch wiederum in sich vielfältig in Form und Bedeutung.

Sofern Personalthemen durch „New Work“ und wie die verwandten Schlagworte auch heißen mögen, in den Fokus der Stakeholder gelangen, ist eine hervorragende Voraussetzung gegeben, die HR-Arbeit weiter aufzuwerten. Es wäre dann das Thema selbst, das pusht, und es wäre die von außen an die Organisation angelegte Erwartungshaltung an eine moderne Personalarbeit, die treibt. Organisationswissenschaftler sprechen bei Letzterem von einem Legitimationsdruck, der auf dem Top Management lastet, zeitgemäß in HR aufgestellt zu sein. Ein Platz von HR im Top Management Team wäre als Antwort ein symbolisches Signal nach außen. Die Chance für die von HR selbst gewünschte Statusverbesserung wäre prinzipiell vorhanden.

Dies setzt aber im Konkreten voraus, dass die HR-Spitze Leadership für die Digitalisierung begründet mit beansprucht und die HR-Abteilung beispielhaft und werterhöhend aufstellt (im Recruitung, im Development, in den Analytics usw.). Dabei geht es nicht um ein voraussetzungsloses, einseitigen Interessen folgendes Agieren. Vielmehr geht es um ein kontextsensitives Bewerten und handlungsorientiertes Entscheiden in Richtung eines nachhaltigen, damit verantwortungsvollen Personalmanagements.

Und ein Letztes: Eigentlich gefällt mir die Bezeichnung „Business Partner“, inzwischen gleichsam geflügelt wie überstrapaziert, nicht sehr gut, auch wenn sie fortschrittlich klingt. Implizit wird damit doch suggeriert, dass da jemand „performt“ und ein anderer „supportet“. Angemessener und auch zukunftsweisender erscheint mir, schlicht keine solche Trennung im Unternehmen vorzunehmen. Dadurch würden a priori suggerierte Wertigkeitsunterschiede von Funktionsbereichen vermieden. Value Creator HR träfe es neudeutsch wohl besser.

Abt, M. / Knyphausen-Aufseß, D. (2017): Chief human resources officers on top management teams: an empirical analysis of contingency, institutional, and homophily antecedents. In: Business Research, 10 (1), S. 49–77

Bundesverband der Personalmanager (BPM): Personalmanagement als Beruf 2017, Berlin

Cranet-Studie (2017): Siehe Wehner u.a.

Elšik, W. (1992): Strategisches Personalmanagement. Konzeptionen und Konsequenzen, München/Mering

Harvard Business Manager (2016): „Fast niemand kann die Qualität von Führung bewerten“. Interview mit Dave Ulrich, geführt von Ingmar Höhmann, Februar, S. 70-75

Kabst, R. (2017): „Gründergeist revitalisieren“. Interview mit Rüdiger Kabst, geführt von Andrea Sattler, Heft 2, S. 26

Kirkpatrick, D.L. (1994): Evaluating training programs. The four levels, San Francisco

Scholz, Ch. (2014): Personalmanagement. 6. Aufl., München

Ulrich, D. (1997): Human resource champions: The next agenda for adding value and delivering results, Cambridge

Ulrich, D. / Dulebohn, J.H. (2015): Are we yet there? What’s next for HR? In: Human Resource Management Review, 25(2), S. 188-204

Wehner, M./ Kabst, R./ Meifert, M.  (2017): HR im internationalen Vergleich. In: Personalmagazin, Heft 2, S. 14-19