Eine charismatische Führung erhält beständig Aufmerksamkeit. Klar ist, dass sie über Kommunikation zwischen Führenden und Geführten entsteht. Nachfolgend werden die Taktiken einer Rhetorik, die geeignet ist, eine charismatische Führung zu befördern, benannt und ihre Wirkung anhand zweier aktuellen Studien beispielhaft aufgezeigt.

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Kommunikation ist für jede Führung zentral. Die Art und Weise der Kommunikation entscheidet über den Führungserfolg mit. Seit der Antike interessiert man sich insbesondere dafür, inwieweit Sprache geeignet ist, eine als charismatisch erlebte Führung zu befördern, der eine besondere Wirkung theoretisch wie empirisch fundiert zugesprochen werden kann. Leadership Insiders erläutert hierfür einschlägige, geprüfte rhetorische Taktiken und geht beispielhaft auf die Wirkung hinsichtlich der Leistungseffizienz – auch im Vergleich zu materiellen Anreizen – ein.

Führung und Charisma

Eine der prominentesten sowie zuweilen anschaulichsten Charakterisierungen der Entstehung von Charisma im Führungskontext legen Klein und House (1995) mit folgender Metaphorik dar: Sie beschreiben die charismatische Führung als sozialen Interaktionsprozess, der sowohl „Sauerstoff“ (oxygen), der in der Atmosphäre vorhanden ist, also auch einen „Funken“ (spark) sowie „entflammbares Material“ (flammable material) benötigt, um das „Feuer“ (fire) brennen zu lassen. D. h. nur dann, wenn das Situations- und das Personengefüge passend miteinander in Beziehung stehen, kann die charismatische Führung entstehen und ihre Erfolgswirksamkeit entfalten.

Angesichts der hier sogleich verfolgten rhetorischen Taktiken, die eine charismatische Führungsbeziehung leichter entstehen lassen sollen, möchte ich mich lediglich auf die Person des/der Führenden konzentrieren, die ungeachtet des interaktionellen Verständnisses eindeutig im Mittelpunkt dieses Führungsansatzes steht. House/Shamir (1995, Sp. 881 ff.) beschreiben korrespondierende Verhaltensdispositionen bzw. Verhaltensweisen. Diese sind idealtypisch und es sollte weder erwartet werden, dass sie maximal ausgeprägt sein können bzw. müssen, noch dass alle gleichzeitig zuzutreffen haben. Wie viele genau in welchem Umfang und in welcher Kombination einzusetzen sind, entzieht sich aber der bisherigen Forschung; deshalb tut man gut daran, viele davon in einer Führungsposition zu repräsentieren, sofern man eine charismatische Führung für sich anstrebt:

  • Führende haben eine Vision, gleichsam den Traum einer besseren Zukunft
  • Führende sind ihrer Vision ergeben, d. h. von deren moralischer Richtigkeit und Notwendigkeit überzeugt sowie zu außerordentlichen Opfern im Interesse ihrer Vision bereit
  • Führende verfügen über Selbstvertrauen, Entschlossenheit und Ausdauer (v. a. gegenüber mächtigen Gegnern)
  • Führende wecken wichtige Motive bei den Geführten, v. a. Anschluss-, Macht- und Leistungsmotive
  • Führende haben eine außergewöhnliche Bereitschaft zum Risiko, scheuen keine persönlichen Wagnisse
  • Führende haben hohe Erwartungen an die Geführten (z. B. in Bezug auf Entschlossenheit, Ausdauer, Selbstaufopferung, Leistung), gleichsam aber auch ein hohes Vertrauen in die Geführten
  • Führende bewerten die Geführten grundsätzlich positiv (sind stolz auf sie, loben sie, usw.
  • Führende bemühen sich um die Entwicklung der Geführten (z. B. Entwicklung von Kompetenzen, Förderung des Vertrauens in die eigene Leistungsfähigkeit).
  • Führende zeigen symbolische Verhaltensweisen (z. B. zur Demonstration der eigenen Entschlossenheit
  • Führende verstehen sich in der Selbstdarstellung und in der Schaffung eines positiven Images (z. B. in Bezug auf ihre Kompetenz, Glaubwürdigkeit, Vertrauenswürdigkeit).
  • Führende leben ihre Vision (demonstrativ) vor
  • Führende zeichnen sich durch moralische Integrität (z. B. Fairness, Redlichkeit, Verantwortlichkeit, Übereinstimmung von Worten und Taten) aus
  • Führende fungieren als Sprachrohr der Gemeinschaft
  • Führende gleichen ihre Werte und Vorstellungen in der Kommunikation mit den Geführten an deren Werte und Vorstellungen an
  • Führende zeigen oft ein außergewöhnliches Verhalten (z. B. in Bezug auf Interaktion oder Innovation)
  • Führende sind anregende Kommunikatoren, die Botschaften einfallsreich und emotional ansprechend transportieren.

Während ich über die Inhalte (dem Was), also die Ausrichtung der Kommunikation, hier an anderer Stelle ausführlicher referiert haben (Weibler 2016), möchte ich heute primär auf die Vermittlung der rhetorischen Taktiken (dem Wie) eingehen, um danach deren Wirkung anhand einer Studie zu skizzieren.

Rhetorische Taktiken zur Ausbildung einer charismatisch orientierten Kommunikation

Sprache hat immer etwas mit dem Inhalt des zu Übermittelnden wie mit der Form der Übermittlung zu tun. Ein Teil der Form ist die Art und Weise, wie das Anliegen übermittelt wird. Der gezielte Aufbau, allgemeiner, die Verpackung des zu Übermittelnden kann bewusst (teils unbewusst) choreographiert werden. Seit dem Altertum, denken wir an die Sophisten, wird dieser Choreographie und hier den rhetorischen Taktiken besondere Aufmerksamkeit zuteil. Es ist hier auf die Forschungen um John Antonakis von der Universität Lausanne, Schweiz, zu verweisen (2022), dies mit Blick auf die Entwicklung einer charismatischen Führungsbeziehung empirisch spezifiziert zu haben. Insgesamt benennt er verdichtet neun verbale und drei non-verbale Taktiken, die die Wahrscheinlichkeit erhöhen, charismatische Führungsbeziehung einzugehen. Das methodisch Besondere ist, dass diese Taktiken objektiviert werden können und nicht von denjenigen eingestuft werden müssen, bei denen auch die Wirkung gemessen wird. Das vermindert mögliche Verzerrungseffekte in der Wahrnehmung der Follower:

Zu den verbalen Taktiken gehören

  • die Verwendung von Metaphern oder Gleichnisse, um Nachrichten zu vereinfachen, aber zu emotionalisieren, und bleibende Trigger, an die man sich erinnert, zu setzen
  • rhetorische Fragen, um über die geweckte Aufmerksamkeit entsprechende Antworten zu suggerieren oder das Denken gerichtet anzuregen
  • das Erzählen von Geschichten und Anekdoten, um über Beispiele die Imaginationsfähigkeit zu aktivieren und um eine Identifikation mit den Charakteren zu ermöglichen
  • das Arbeiten mit Kontrasten, um klarzumachen, was zu tun und was zu unterlassen ist, um damit die eigene Argumentation nach vorne zu bringen
  • die Verwendung von Listen, insbesondere in Form des so genannten rhetorischen Dreiklangs, der mit der Aufzählung dreier Punkte (gestern, heute, morgen; die Vorteile A, B, C) eine vollständig wirkende Beschreibung eines Geschehens, einer Ordnung usw. wirkmächtig aufzeigen soll
  • das Ausdrücken von moralischen Überzeugungen, um Aufmerksamkeit sowie Rechtfertigung über darin enthaltene Werte zu erzielen und zu suggerieren, auf der richtigen Seite zu sein, aber auch die persönliche Analyse von wertgeladenen Ereignissen/Situationen zu präsentieren
  • das Aufnehmen der Gefühle der Zuhörerschaft, um Empathie zu zeigen und über die Verringerung der psychologischen Distanz Identifikation der Follower zu ermöglichen und dem Anliegen Bedeutsamkeit zu verleihen
  • das Setzen von herausfordernden Zielen, um dadurch die Motivation und Kompetenz der anderen anzusprechen und sie auf die Ziele zu fokussieren sowie
  • das Schaffen von Vertrauen, dass die gesteckten Ziele zu erreichen sind, um damit sogleich bei den Followern die Überzeugung zu steigern, selbst etwas ändern zu können.

Zu den nonverbalen Taktiken gehören Körpergesten, Gesichtsausdrücke und eine passend moduliert Stimme. Verbale und nonverbale Ziele korrelieren nennenswert, ohne dass sie sich gegenseitig ersetzen könnten.

Wirkungen einer charismatischen Rhetorik

Dass es nicht gleichgültig ist, wie eine Botschaft transportiert wird, erleben wir nahezu jeden Tag selbst. Dies entweder im privaten, beruflichen oder öffentlichen Bereich. Keinerlei Zweifel kann daran bestehen, dass derselbe Inhalt, je nachdem wie er vorgetragen wird, unterschiedliche Auswirkung besitzt. Deshalb waren ja bereits im Altertum die Rhetorikschulen so begehrt und die Redekunst über Jahrhunderte fest in Bildungsinstitutionen verankert. Gerade weil wir seit geraumer Zeit das systematische Erlernen der Redekunst nicht mehr pflegen, ist es umso wichtiger, sich selbst ein wenig damit auseinanderzusetzen.

In zwei neueren Studien von John Antonakis und Forschergruppen (2022; Bastardoz u .a. 2022) wurden die oberen Taktiken wieder einmal einer empirischen Überprüfung unterzogen. Das Besondere in der ersten Studie war jedoch, dass die Überprüfung des Nachweises ihrer Wirkung konsequent auf ökonomische Größen mittels einer Feldstudie und mehrerer Laborexperimente stattfand. Zu diesem Zwecke wurden in der Feldstudie Freiwillige gebeten, für die Entgegennahme eines Mindeststundenlohnsatzes Briefe eines Kinderkrankenhauses einzutüten, das damit um Spenden für ihre Institution bat. In den Laborinstrumenten spielten die Teilnehmenden ein so genanntes „Public Good Game“. Während das im Feldexperiment darum ging, Unterschiede in der Quantität der eingetüteten Briefe bei einer stichprobenartigen Qualitätskontrolle zu messen, ging es beim Spiel darum, Unterschiede im prosozialen Verhalten festzustellen. Die Versuchsbedingungen variierten in beiden Settings dadurch, dass eine charismatische bzw. nicht charismatische Botschaft mittels eines Schauspielers vor Antritt der Aufgabe übermittelt wurde. Kriterien des Charismas waren die oben aufgeführten Taktiken. Ein moralischer Bezug wurde angesichts des Kontextes allerdings in beiden Reden gesichert. Zusätzlich wurde in der Feldstudie noch ermittelt, inwieweit die in der Führungspraxis genutzten Incentives eine Wirkung auf die Menge des Eintütens von Briefen besaßen.

Das Ergebnis war, dass im Feldexperiment die temporär angestellten Personen, die eine charismatische Rede hörten, 17 % mehr Briefe eintüteten als diejenigen, die eine Standardrede verfolgten. Der Effekt war vergleichbar mit der in einer anderen Gruppe gesetzten Leistungsprämien, die bei 20 % lag, und damit die Leistungssteigerung, die durch Prämien zu erreichen ist, vergleichbar mit vorherigen Studien auf diesem Gebiet auswies. Bei den Laborexperimenten war zwar eine uneinheitliche Befundlage festzustellen, doch wurde je nach Kontext  ein bis zu 19-prozentig höherer Beitrag für den guten Zweck ausgewiesen. Der höchste Effekt wurde dann erreicht, wenn in einer Gruppe gespielt wurde und bekannt war, welchen Beitrag die anderen leisteten.

In der zweiten Studie wurde überprüft, ob eine Krisensituation eine charismatische Rhetorik seitens des Führenden steigert. Die beiden Untersuchungsobjekte waren zum einen Reden des amerikanischen Präsident George W. Bush vor und nach dem Anschlag vom 11. September in 2001 und die des französischen Präsidenten François Hollande vor und nach dem Anschlag auf die Redaktion von Charlie Hebdo und auf Passanten in Nizza in 1985/86. Krisen sind in der charismatischen Forschung oft zu finden, da der Soziologe und Jurist Max Weber diese als den eigentlichen Nährboden für die Bereitschaft, charismatische Führungspersönlichkeiten zu schätzen, gesehen hat. Auch wenn er wirklich umwälzende Krisen vor Augen gehabt hat, wird der Krisenbegriff in der Managementforschung auch auf weniger spektakuläre Krisen bezogen, beispielsweise auf die (digitale) Transformation, die erlebte Unsicherheit oder auf einen gravierenden finanziellen Rückschlag usw. Die dieser Studie zugrunde liegenden Krisen, in ihrer Bedeutung für die Menschen dramatisch, sind politisch offensichtlich dem bedrohlich nahe, was Max Weber vor Augen gehabt hat. Und in der Tat war es hier so, dass die beiden Präsidenten eine ausgeprägtere charismatische Rhetorik nach den Anschlägen pflegten, eben auch das „Wie“ (wird kommuniziert) der Kommunikation  gegenüber dem Status quo ante veränderten und infolge, so die Vermutung, dadurch in den Umfrage an Zuspruch gewannen (vermutlich deshalb, weil ja nicht in derselben Situation eine andere Kommunikationsform in diesen beiden Ländern bei ihnen vergleichend untersucht werden konnte). Damit konnte man mit obiger Einschränkung zudem zeigen, dass es sich bei dem Charisma nicht nur um eine reine, bedürfnisorientierte Zuschreibung seitens der Follower – unabhängig vom Verhalten des Führenden – handelt, sondern dass auch Verhaltensänderungen seitens der Führenden in Krisensituationen mit Wirkungsausweis dingfest gemacht werden können. Was sich aber auch zeigte, war, dass im Laufe der Zeit sich sowohl die charismatische Rhetorik als auch die Bewertung der Präsidenten durch Umfragen den Vorwerten wieder annäherte. Als Ausnahme einer durchgehenden charismatischen Rhetorik wird hier allerdings vergleichend Barack Obama angeführt, der es verstand, auch in „normalen“ Zeiten beständig auf charismatische Redeelemente zu setzen. Bei ihm, so meine Interpretation, darf man vermuten, dass dies authentischer Ausdruck seiner Argumentationsstruktur ist, wohingegen bei den beiden Präsidenten in der Untersuchung allein die besondere Situation ihre Sprache (oder die der Redenschreiber) beeinflusste.

Fazit

Zum Abschluss gilt es noch einmal festzuhalten, dass auch diese Studien die Wirkung einer charismatischen Rhetorik gegenüber einer Standardrhetorik kausal absicherten. Diese kausale Absicherung ist wichtig, da die meisten der bisherigen Studien lediglich korrelative Befunde ausweisen konnten

Bezogen auf Unternehmen zeigt die erste Studie, dass eine Leistungsprämie zwar für diese Art der Tätigkeit eine vergleichbare Wirkung wie eine charismatische Rhetorik erzielte, doch Erstere logischerweise auch mit höheren Kosten verbunden ist (in der Realität müssten Personalentwicklungskosten, sofern zutreffend, im zweiten Fall gegengerechnet werden). Aus der Motivationsforschung wissen wir im Übrigen, dass eine Incentivierung sehr schnell einen Sättigungseffekt erreicht und dass deshalb immer wieder neue Anreize gesetzt werden müssen, um die Mehrleistung beizubehalten. Zu bedenken auch, dass hier vollständig auf eine extrinsische Motivation gesetzt wird, die einer intrinsischen Motivation hinsichtlich Intensität und Dauerhaftigkeit im Regelfall unterlegen ist, wie es stattdessen positiv mit der charismatischen Führung verbunden ist. Sie ist über eine kognitive, emotionale, körperliche und teils spirituelle Beeinflussung in der Lage, die intrinsische Motivation zu steigern und darüber hinaus die Ausrichtung des Verhaltens und die Bindung an die Führenden/das Team und/oder die Organisation zu erhöhen bzw. zu festigen,. Allerdings, wie Max Weber bereits sagte, auch nur solange, wie sich Erfolge aus Sicht der Follower einstellen.

Natürlich ist klar, dass diese charismatisch orientierten Taktiken nicht überall, nicht zu jedem Anlass und vor allen Dingen auch nicht von jeder Person gleichermaßen authentisch herübergebracht werden können. Sich aber etwas davon (technisch) abzuschauen, erscheint jedoch realistisch. Wir sollten uns aber davon freimachen, anzunehmen, dass eine charismatische Führungsbeziehung die Regel in Organisation sein kann. Nein, allein definitionsgemäß ist dieses die Ausnahme. Auf dem Weg dorthin gibt es aber verschiedene Etappen, die gemeistert jeweils ihren eigenen Wert haben. Diese können realistisch auf breiterer Ebene angestrebt werden. Damit sinkt sicherlich auch die potenzielle Wirkung, aber eben auch das Risiko, was einer charismatischen Führung am Ende immer inhärent ist.

Antonakis, J. u. a. (2022) „Just Words? Just Speeches?” On the Economic Value of Charismatic Leadership. In: Management Science, 68(9), 6355-6381

Bastardoz, N.;Jacquart, P.; Antonakis, J. (2022): Effects of Crisis on Charisma Signaling: A regression discontinuity design. In: Leadership Quarterly 101590 (online first)

House, R.J.; Shamir, B. (1995): Führungstheorien – Charismatische Führung. In: Kieser, A.; Reber, G.; Wunderer, R. (Hrsg.): Handwörterbuch der Führung. 2. Aufl., Stuttgart, Sp. 878–897

Klein, K.J.; House, R.J. (1995): On fire: Charismatic leadership and levels of analysis. In: The Leadership Quarterly 6(2), 183–198

Weibler, J. (2016): Charismatische Rhetorik. Leadership Insiders. https://www.leadership-insiders.de/die-wissenschaftliche-studie-charismatische-rhetorik/