Dieser Beitrag ist Teil der Serie Interviews zur Führung

Andere Beiträge in dieser Serie:

  1. Das Interview zu Coaching in Organisationen
  2. „Ich will wirken.“ – Interview mit Markus Stelzmann (TELE)
  3. Active Sourcing im digitalen Recruiting – Interview mit Samuel Ju (LEGALHEAD)
  4. Instrumentelle Führung – Interview mit Jens Rowold (TU Dortmund)
  5. „Kunst und Kultur verbinden Menschen im Unternehmen“ – Interview mit Thomas Kirchhoff
  6. „Hierarchien werden untergraben“ – Interview mit Prof. Dr. Jürgen Weibler
  7. Schwierige Führungssituationen souverän lösen – Ein Interview
  8. Wie der Geruch Führungsbeziehungen beeinflusst – Interview mit Univ.-Prof. Bettina Pause

Interview mit Dipl.-Psych. Monika Dahmen-Breiner über ihre Erfahrungen beim Coaching in Organisationen

Dipl.-Psych. Monika Dahmen-Breiner

Dipl.-Psych. Monika Dahmen-Breiner

Leadership Insiders: Sie coachen Führungskräfte und sind darüber hinaus in die Ausbildung von Coaches eingebunden. Wie sieht denn die Nachfrage nach dieser Dienstleistung aus und wie ist die Angebotssituation?

Dahmen-Breiner: Coaching hat mittlerweile eine enorme Durchdringung gefunden. Vom Vertriebler, der Vertriebscoachings anbietet, bis hin zu Führungskräften, die selbst eine Coach-Rolle übernehmen, ist alles dabei. Entsprechend ist der Coachingmarkt auch gesättigt. Es gibt viele Coaches, die sich qualifizieren und entsprechend auch viele Anbieter von Coaching-Ausbildungen, die ihren Platz im Markt suchen. Coaching ist daher aus der Ecke raus, wo es nur für ausgewählte Bereiche oder die Beletage der Top-Managementebene eingesetzt wurde. Billig ist es deswegen aber nicht.

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Leadership Insiders: Könnten Sie dies etwas präzisieren: Über welche durchschnittlichen Stundensätze sprechen wir?

Dahmen-Breiner: Die Stundensätze liegen am Markt – was ich persönlich aus der Szene mitbekomme – im Schnitt so zwischen 130 Euro und 250 Euro. 300 Euro und mehr, wie es manchmal zu hören ist, werden allerdings kaum erreicht. Bei größeren Organisationen werden Verträge in der Regel über 6-7 Sitzungen, die im Schnitt 2 Stunden dauern und sich über ein Gesamtzeitraum von 9 Monaten erstrecken, geschlossen. Es findet also alle 4 bis 5 Wochen eine Sitzung statt. So lässt sich das Gesamtvolumen eines durchschnittlichen Falles leicht erkennen.

Leadership Insiders:An wen richtet sich die Dienstleistung denn im Besonderen?

Dahmen-Breiner: Meine Vertragspartner sind überwiegend größere Organisationen. Dort sind es insbesondere Führungskräfte. Persönlich habe ich viel mit Führungskräften aus der Gesundheitsbranche zu tun: Von Chefärzten, über Geschäftsführungen bis bin zu Pflegedirektoren ist alles dabei. Aber auch Führungskräfte in Handelsunternehmen sind im Dienstleistungsbereich meine Klienten. Auch mit Führungskräften von Industrieunternehmen, sei es von Energieversorgern oder Stahlproduzenten, halte ich regelmäßig Coachingsitzungen ab.

Leadership Insiders: Besteht eigentlich auch eine Nachfrage seitens sehr junger Führungskräfte, möglicherweise um noch schneller noch besser zu werden, vielleicht aber auch, um früher die Führungspositionen erreichen zu wollen?

Dahmen-Breiner: Ja, gerade bei den Jungen gibt es ein großes Interesse an professionellem Feedback und eine Bereitschaft, sich bestmöglich zu entwickeln. Allerdings geht oftmals der Bedarf der Nachwuchskräfte und das Budget der Unternehmen auseinander.

Leadership Insiders: Wie können wir uns die Anbahnung eines Coachings vorstellen?

Dahmen-Breiner: Bei den großen Organisationen läuft die Anbahnung sehr professionalisiert ab. Zunächst einmal ist man in deren jeweiligen Coach-Datenbanken gelistet. Entsteht bei einer Führungskraft ein Coachingbedarf, erfolgt organisationsintern ein Matching. Das bedeutet, die HR-Abteilung überprüft, welcher Coach aus der Datenbank vom Profil her am besten zu dem jeweiligen Klienten und dem Coachinganlass passen könnte. Ist das Profil stimmig, dann tritt die HR-Abteilung, in der Regel Personalentwickler oder Change-Manager beispielsweise an mich heran. Sie geben mir Informationen über den Hintergrund, die Person und das beabsichtigte Thema bzw. den Anlass des Coachings. Interessiert mich der Fall und habe ich Zeit, so kommt es zu einem Erstkontakt.

Leadership Insiders: Könnten Sie uns einen genauen Einblick geben, um welche Anlässe es hier konkret geht?

Dahmen-Breiner: Meiner Erfahrung nach lassen sich die Anlässe von Coaching in Organisationen grob in zwei Kategorien einteilen. Zum einen geht es um den großen Bereich der Persönlichkeitsentwicklung. Hier steht die Ausschöpfung von Potenzialen im Vordergrund. Häufig handelt es sich hierbei um eher jüngere Führungskräfte, viele kommen mit Veränderungsempfehlungen  aus Assessment-Centern. Häufig heißt es dann von Seiten des HR: „Die Führungskraft XY muss mehr Persönlichkeit entwickeln“. Manche werden etwa als „zu hölzern, manche als zu forsch“ beschrieben. Häufig steht hinter dieser Forderung die Vorstellung der Unternehmen vom optimalen Menschen. Hier geht es im Rahmen von solider Auftragsklärung darum, zu identifizieren, was an Veränderung möglich und wirklich sinnvoll ist. Wie gesagt kommen viele Junge auch aus eigenem Antrieb.

Das andere große Thema sind Krisen. Hier merkt etwa eine Führungskraft selber, dessen Vorgesetzter oder HR, dass es nicht so läuft wie es sein sollte. Eine solche krisenhafte Zuspitzung zeigt sich etwa darin, dass die fachliche Performance nicht mehr stimmt oder sich die Führungskraft im Arbeitsalltag so stark verausgabt hat, dass sie regelrecht „ausblutet“.

Leadership Insiders: Wie verläuft das erste Treffen?

Dahmen-Breiner: Beim Erstkontakt kommt es zu einem unverbindlichen Treffen mit dem Klienten. Hier wird geguckt, ob die „Chemie“ zwischen mir und dem Klienten stimmt und ob wir wirklich zusammenarbeiten können. Wenn dies der Fall ist, geht’s mit der Auftragsklärung weiter. Hier wird dann gemeinsam mit dem HR, dem Vorgesetzten und dem Klienten das konkrete Coachingziel festgelegt und ein Rahmenvertrag aufgesetzt. Das Ziel kann dabei mal abstrakter, mal konkreter formuliert sein. Wichtig ist hier, dass man als Coach transparent agiert und auf die eigene Intuition hört. Wenn Ziele unrealistisch sind oder man spürt, dass der Klient wenig motiviert wirkt, sollte man dies bereits hier adressieren. Zudem könnte man darauf hinweisen, welche Probleme auf dem Zielerreichungsweg auftreten könnten. Eventuell muss im Verlauf des Coachings ein neuer Rahmenvertrag aufgesetzt werden.

Leadership Insiders: Und wo finden die Coachings dann statt?

Dahmen-Breiner: Ich halte meine Coachingsitzungen extrem selten in den jeweiligen Organisationen selbst ab, sondern in den Räumlichkeiten meiner Beratung. Falls ich doch mal in die Organisation gehe, muss der Ort geeignet sein.

Leadership Insiders: Was hat sich als ein typischer Gesprächseinstieg bewährt?

Dahmen-Breiner: Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es zu Beginn eines Coachings entscheidend ist, mit den Klienten über ihre Ziele zu reden. Viele kommen nämlich aus ihrer Problemsicht. Ich höre dann zum Beispiel Sätze wie: „Im AC habe ich es nicht ganz so geschafft“. Damit möchte ich nicht das Problem wegreden, sondern Problembeschreibungen verkürzen und früh in Zielfindungskorridore kommen. Fragen wie „Was wollen Sie?“, Was wäre denn attraktiv für Sie?“, „Wie würde sich das anfühlen oder anhören, sich in Zielnähe zu bewegen?“, sind hier entscheidend. Durch diese Fragen versuche ich das Ziel mit Bildern anzureichern, dieses damit besser spürbar zu machen und in Lösungszustände zu gelangen.

Leadership Insiders: Also Fragen als klassischer Zugang zum Anderen. Welche Coching-Tools haben sich bei Ihrer Arbeit besonders bewährt?

Dahmen-Breiner: Zunächst kommt es mir auf eine wertschätzende Haltung gegenüber den Coachees an. Ich gehe davon aus, dass der Coachee über die notwendigen Fähigkeiten verfügt, seine Ziele zu erreichen. Aber nicht immer stehen diese Fähigkeiten in gewünschter Weise zur Verfügung. Dann helfen Coaching Techniken. Ich arbeite gern erlebnisnah. Nebst guten Fragen nutze ich Bilder, Metaphern, Geschichten und den intuitiven Feedback-Geber : den Körper und alle Sinne. So kann man z.B. abstrakte Probleme wie „mein Zeitmanagement klappt nicht“ anders angehen, wenn man dem Problem einen Namen gibt (sagen wir z.B. wir nennen das Problem „Lutz“, wenn wir den Coachee beschreiben lassen, wie nah oder weit entfernt „Lutz“ vom Coachee erlebt wird und inszenieren diese Entfernung im Raum.  Dann geht es weiter mit Fragen, wie „Lutz“ denn wirkt: Bedrängt der den Coachee, schubst er ihn von hinten, oder zieht er von vorne…etc. Auf diese Weise wird nicht nur eine nützliche Distanzierung vom Problem geschaffen, sondern mit spielerischer Leichtigkeit werden neue Lösungen im Umgang mit „Lutz“ erprobt). Selbstverständlich werden die Erfahrungen dann noch für den Alltag „übersetzt“.

Leadership Insiders: Sie nutzen Techniken vorwiegend dazu, den Klienten aus dem Prozess des Denkens in das Fühlen und Tun zu überführen, um neue Erfahrungen zu ermöglichen.

Dahmen-Breiner: Ja. Ich habe ja auch eine Körpertherapie-Ausbildung und arbeite daher gerne mit somatischen Markern. So kann man etwa fragen, wie sich eine Zielerreichung im Körper anfühlen würde und wo sich dieses im Körper zeigt. Dies ist gerade bei einseitig kognitiv gesteuerten Führungskräften vielfach ein Schlüssel zum Erfolg. Die Grenzen eines rein kognitiven Zugangs zur Führung haben diese Personen ja selbst erlebt. Es geht dann darum den sensitiven Bereich zu entwickeln.

Leadership Insiders: Nicht immer, das zeigt unsere eigene Analyse bei positiver Gesamtbewertung, ist Coaching von Erfolg gekrönt?

Dahmen-Breiner: Die Bereitschaft des Coachees spielt sicherlich eine zentrale Rolle für die Wirksamkeit von Coaching. Bei manchen Klienten kann man machen was man will, die bleiben auf ihrer „hidden agenda“ hocken. Es gibt aber insgesamt sehr viele Einflussfaktoren, die im Coaching eine Rolle spielen und auf die man als auch Coach selber manchmal gar keinen Einfluss hat.

Meiner Erfahrung nach ist es förderlich, wenn eine unterstützende und kooperative Führungskraft hinter dem Klienten steht. Dann liegt eine gute Mischung vor und es ist nicht mehr eindeutig zurechenbar, ob die Erfolge aus dem Coaching oder durch die Führung kommen. Aber auch der Coach selbst muss kompetent sein. Tools hin oder her, eine kompetente Beziehungsgestaltung stellt die wichtigste Kompetenz eines Coaches dar. Achtsamkeit, sich wirklich einlassen und einstimmen auf den Klienten, ist was ganz, ganz Entscheidendes. Es gibt viele Coaches, die sind technisch gut ausgebildet, aber die bringen einfach das, was im Coaching notwendig ist, nicht rüber. Sie wollen nicht in Beziehung gehen, neutral bleiben, sich nicht verstricken. Als Coach verstrickt man sich jedoch immer. Es geht mehr darum, da wieder professionell rauszukommen.

Leadership Insiders: Bewerten Ihre Auftraggeber den Coachingverlauf?

Dahmen-Breiner: Ja, ich weiß von den großen Unternehmen, das sofort nach Ende des Coachings die Personalentwickler dahinter sitzen und den Klienten fragen, wie das Coaching verlaufen ist. Wenn es dann keine positiven Rückmeldungen gibt, dann kann es gut sein, dass man auch keine Folgeaufträge von dem jeweiligen Unternehmen mehr bekommt. Die Personalentwickler schärfen also auf Basis der Rückmeldung der Klienten nochmal ihr Profil vom Coach, zu Recht oder zu Unrecht.

Leadership Insiders: Oftmals, auch in der wissenschaftlichen Literatur, wird gefordert, dass Führungskräfte selbst ein coachingorientiertes Führungsverhalten zeigen sollten. Wie sehen Sie das?

Dahmen-Breiner: Heutzutage ist ein starker Trend zu selbstorganisierten und selbstgesteuerten Einheiten in Organisationen erkennbar. Eine verstärkte Übernahme von Coachingfunktionen der jeweiligen Führungskraft ist sicherlich eine zentrale Konsequenz aus dieser Entwicklung.

Die Führungsfunktionen wie entscheiden, Verbindungen knüpfen etc. werden ja allesamt autonom in den selbstorganisierten Teams wahrgenommen. Allerdings sind hierfür auch klare Rahmenbedingungen notwendig (Mitarbeiter als Einzelpersonen oder das Team betrachten sich als Alleinverantwortlicher, gemeinsame bindende Spielregeln sind verabschiedet etc.)

In Unternehmen traditioneller Prägung agieren Führungskräfte auch als Coach, müssen aber auf dem Schirm haben, dass sie vor allem als Führungskräfte wahrgenommen werden, die letztendlich über Wohl und Wehe des Mitarbeiters entscheiden. Ein externer Coach kann dagegen alle Verantwortung für das Ergebnis des Coachingprozesses beim Coachee belassen.

Leadership Insiders: Wir bedanken uns.

Über Monika Dahmen-Breiner

Monika Dahmen-Breiner; Inhaberin der Monika Dahmen-Breiner Management Beratung, Erftstadt. Sie ist Diplom Psychologin  mit einem breiten Spektrum an Ausbildungen von Organisationsentwicklung bis Körpertherapie.

Mit Ihrer Arbeit als Ausbilderin für Coaches und als Coach leistet sie einen Beitrag zu agilen, als Sinn stiftenden erlebten Kooperationen im Profit und Non-Profit Bereich.

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