Kooperationen zwischen Teammitgliedern sind aus funktionalen wie persönlichen Gründen in der Regel erwünscht, oftmals unerlässlich. Wie kann eine Führungskraft kooperatives Verhalten fördern? Nachfolgend werden dazu einige empirisch fundierte Überlegungen angestellt.

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Teamleitungen treffen Entscheidungen. Dabei sind sie mehr oder weniger darauf angewiesen, dass die Grundlagen der Entscheidungen bestmöglich von den Teammitgliedern vorbereitet sind. Dies gelingt im Regelfall dann sehr gut, wenn das Team untereinander kooperiert. Das ist aber nicht immer so. Leadership Insiders bietet hierzu einige Hintergründe und verdeutlicht, wie die Kooperation im Team verbessert werden kann.

Kooperation im Team entspricht eigentlich dem normalen Verhalten

Evolutionär hat sich die Vielfalt an Handlungsmöglichkeiten als vorteilhaft für menschliche Gemeinschaften erwiesen. Kooperationen einzugehen, gehört dazu. Sie ist allerdings mehr als nur eine Variante neben anderen, denn sie ist die dominant bevorzugte Strategie. Warum? Sie garantiert die bestmögliche Kontrolle über das eigene Schicksal. Hinzu kommt, dass die Gegenwart anderer das eigene Wohlbefinden fördert und Stress minimiert. Zudem gehören das Helfen (Altruismus oder Reziprozitätserwartung) und das Teilen von Dingen, wie der Anthropologe, Verhaltensforscher und Hegel-Preisträger Michael Tomasello feststellt, zur menschlichen Natur (2010; 2019). Funktional gesehen werden durch Kooperation zudem Problemlösungen möglich, die wie bei miteinander verbundenen Arbeitsprozessen die Zusammenarbeit als Voraussetzung haben. Vielfach wird durch eine Kooperation aber auch eine theoretisch allein zu erbringende Leistung verbessert, sofern das Wissen der Gruppe einen Mehrwert für den Einzelnen darstellt.

Anzumerken ist auch, dass sowohl die Digitalisierung mit der ihr eigenen Unterminierung einer unflexiblen Hierarchie als auch der partiell erneute Anstieg des Selbstorganisationsgrades von Teams sowie die Erwartungshaltung der jüngeren Generation Kooperationen wieder offensiv in das Bewusstsein schieben!

Unkooperatives Verhalten

So richtig wie der generelle Befund ist, so genau muss er bei detaillierterer Betrachtung präzisiert werden. In einer größeren Gruppe ist trotz einer mehrheitlichen Kooperationsbereitschaft immer auch mit einem Anteil unkooperativer Individuen zu rechnen. Unkooperatives Verhalten (Defekte) manifestiert sich durch mangelnde Initiative, Lustlosigkeit, implizite oder explizite Ablehnung von Kooperationsbitten bis hin zu strategischem Trittbrettverhalten, ggf. gar in einer Torpedierung des kooperativen Verhaltens anderer, mit oder ohne eigenen Vorteil.

Forschungen weisen hier ein recht stabiles Verhältnis von etwa 70 zu 30 aus. Die größte Gefahr liegt vor allem darin, dass unkooperative Individuen die Kooperationsbereitschaft der gesamten Gruppe in eine Abwärtsspirale und bis hin zu einem völligen Stillstand bringen können. Solch eine vollständig unkooperative Gruppe würde nicht nur weit hinter ihrem Leistungspotenzial zurückbleiben, sondern langfristig in den meisten Fällen auch deutlich nachteilige Einflüsse auf die Wahrnehmung des gesamten Arbeitsumfeldes ausüben.

Es sollte des Weiteren bedacht werden, dass das kooperative Verhalten in profitorientierten Organisationen grundsätzlich schwächer ausgeprägt ist als im privaten Bereich. Dies liegt neben einer grundsätzlich weniger stark ausgeprägten Neigung zur Kooperation bei einzelnen Akteuren an der Sozialisierung durch Medien, die über Unternehmen und Märkte in der Form eines Kampfes aller gegen alle berichten, als auch nicht zuletzt an den nachfolgenden Ausbildungssystemen zukünftiger Manager. So haben Malte Petersen, Monika Keller, Wasilios Hariskos und ich in 2019 Forschungsbefunde bestätigt und erweitert, dass wirtschaftswissenschaftliche Studien nicht nur Personen mit vergleichsweise stärker egoistischen Werten anziehen, sondern dass sich deren nicht prosoziales Verhalten am Ende des universitären Studiums noch verschärft hat. Wird in der Unternehmung dann später immer wieder ein Entweder („die“) – Oder („wir“) Denken favorisiert, führt dies im Team ohne Gegenlenkung schnell zu einem Denken in „Die“ (Teammitglieder) oder „Ich“, da alles als ein Wettbewerb wahrgenommen wird, der entweder nur Gewinner oder Verlierer kennt.

Aus so einer Warte heraus wird auch ein natürliches und sehr ernst gemeintes kooperatives Verhalten anderer dann leicht mit dem Generalverdacht des Opportunismus versehen. Anders formuliert: Jemand handelt zwar kooperativ, aber das Teammitglied macht dafür nicht den Willen des anderen Teammitglieds dazu verantwortlich, sondern einfach die Situation. Das Verhalten zwischen Kollegen oder  zwischen Geführten und Führenden wird nicht automatisch als bare Münze genommen. Misstrauen verstärkt sich oftmals kontrafaktisch so bei mancher Person und provoziert infolge eigenes unkooperatives Verhalten.

Förderung von kooperativem Verhalten in Teams durch Führung

Was kann eine Führungskraft nun zur Förderung eines kooperativen Verhaltens im Team beitragen? Hier lassen sich zwei zentrale Bereiche identifizieren, die es durch spezifische Interventionen zu adressieren gilt. Zum einen die Frage nach der Koordination, also vor allem danach, wie bei kooperativen Individuen die Unsicherheit über die Handlungsneigungen der jeweiligen (unbekannten) Kooperationspartner reduziert und damit die Entstehung von Kooperation begünstigt werden kann. Zum anderen die Frage nach passenden Sanktionsmöglichkeiten, also vor allem danach, wie eine eventuell vorhandene Minderheit unkooperativer Trittbrettfahrer (Mitarbeiter) in einer kooperativen Gruppe daran gehindert werden kann, eine unkooperative Abwärtsspirale auszulösen.

In Bezug auf die Koordination kooperativer Individuen geht es vor allem darum, in solchen Situationen, in denen sich noch kein kooperatives Gefüge zwischen den Mitarbeitern etabliert hat, dessen Entstehung zu fördern. Dabei ist die Grundidee, dass Menschen mehrheitlich zur Kooperation bereit sind, sich allerdings auch davor schützen möchten, unkooperative Personen für ihr Trittbrettfahren zu belohnen. Bei der Auflösung dieses Dilemmas kommt empirischen Erkenntnissen zu Folge offensichtlich der Führungskraft als Rollenvorbild eine zentrale Funktion zu. Durch solch ein entsprechendes Vorbildverhalten der Führungskraft kann eine schon vorhandene Kooperationsneigung der Teammitglieder deutlich unterstützt werden. Dies heißt auch, eine existierende Kooperation nicht für selbstverständlich zu nehmen, sondern deren Bedeutung immer wieder einmal anschaulich herauszustellen. Zu oft wird in der Führungspraxis der Fehler gemacht, sich nur auf Abweichungen zu konzentrieren. Diese betreffen dann die Wahl der passenden Sanktionsmöglichkeiten. Die Schwierigkeit ist zumindest rechtlich hier, dass ein unkooperatives Verhalten zwar für alle erkennbar, aber nicht ohne Weiteres einklagbar ist. Hier lassen sich kaum übergreifenden Maßnahmen abseits von Gesprächen konkretisieren. Allenfalls: Transparenz ist sicher das Gebot der Stunde, um individuelle Mikropolitik durchschaubar zu machen. Es kommt daneben auf den Einzelfall an. Führungskraft und Teammitglieder sind am Ende beide gefragt.

Die bisherigen Ausführungen zielen eher darauf ab, dass bei den Mitarbeitenden feste Verhaltensdispositionen bestehen, die sich nicht leicht ändern lassen. Damit geht es vor allem um einen Umgang mit bestehenden Verhältnissen und nicht um deren Änderung. Die Aufgabe von Führungskräften bei der Förderung von Kooperation muss allerdings nicht zwangsläufig nur darauf beschränkt sein, auf bestehende Verhältnisse zu reagieren.

Verschiedene Studien zeigen, dass ein proaktives Engagement im Sinne einer Veränderung der Organisationskultur, also der Handlungsumgebung, ebenso deutliche und vor allem nachhaltige Effekte hervorbringen kann.

So ließen die Verhaltensökonomen Alex Peysakhovich und David Rand (2015) eine Gruppe von Personen zunächst eine Reihe von Entscheidungen treffen, bei denen Kooperation offensichtlich belohnt wurde, während bei einer anderen Gruppe das Gegenteil der Fall war, d. h., dass eigennütziges Verhalten zu den höchsten Auszahlungen führte. Anschließend mussten alle weitere Entscheidungen treffen, bei denen weder für kooperatives noch für eigennütziges Verhalten ein finanzieller Anreiz bestand. Hierbei zeigte sich, dass überproportional häufig das in den vorherigen Runden erlernte Verhalten weitergeführt wurde. D. h. die Personen, die zuvor gelernt hatten, dass Kooperation sich auszahlt, kooperierten weiter. Die Personen, die zuvor gelernt hatten, dass eigennütziges Verhalten sich auszahlt, entschieden weiter eigennützig. Zudem wurde deutlich, dass Personen, die sich zuvor in der kooperativen Gruppe befunden hatten, eher dazu bereit waren, unkooperatives Verhalten zu sanktionieren.

Also entscheiden sich Personen in der Regel nicht in jeder Situation (sofort) neu, wie sie sich verhalten, sondern versuchen vielmehr, das Gelernte weiterzuführen. Wenn also in einer Lernphase, z. B. nach einer Einstellung, die Erfahrung gemacht wird, dass kooperatives Verhalten im Team erwünscht ist und zu guten Ergebnissen führt, wird dieses Verhalten auch erst einmal außerhalb des Teams, beispielsweise gegenüber Geschäftspartnern,  ohne weitere Informationen als eine Grundstrategie (auf Bewährung) angewendet, ohne dass es hierfür wieder einer erneuten Verdeutlichung der explizit artikulierten oder implizit praktizierten Regel bedarf.

Die Frage, wie die Bedeutung von Fairness und Kooperation im Arbeitskontext von den Mitarbeitenden wahrgenommen wird, dürfte sich demnach langfristig auf das Verhalten im Sinne einer Neigung zur Kooperation oder gegenteilig einem stärker eigennutzorientierten Verhalten auswirken. Damit kommt der Führungskraft über die Funktion eines Verhaltensmodells hinaus vor allem die Aufgabe zu, durch die Verdeutlichung und Förderung von gewünschtem Verhalten prägend zu wirken. Dazu gehört auch, abweichendes Verhalten zu sanktionieren. Dadurch wird die Entstehung einer kooperativen Kultur im Team und  ggf. in der Organisation gefördert. Insofern dies gelingt, kann davon ausgegangen werden, dass langfristig die Kooperation als dominante Strategie, beispielsweise zur Problemlösung, gestärkt wird.

Persönliche Beziehungen fördern die Kooperation im Team

Kooperationen finden bevorzugt in Gruppen statt, deren Mitglieder sich vertrauen. Vertrauen fördert persönliche Beziehungen  und durch persönliche Beziehungen entsteht Vertrauen. Dort, wo Marktelemente stärker in die Organisation hineingeholt werden, wird die Bedeutung persönlicher Beziehungen geschwächt. Kooperation wird zum Kalkül.

Organisationen und gerade Unternehmen tun also sehr gut daran, persönliche Beziehungen zu fördern, den Anderen im Team für einen selbst sichtbar zu machen, und in diesen persönlichen Beziehungen beständig kooperatives Verhalten zu würdigen. Rahmenbedingungen und Regeln, die das unterstützen, müssen sich hinzugesellen. Rahmenbedingungen sind neben deklarierten Werten und Narrationen (organisationsspezifische Erzählungen), die die Kooperation in ein günstiges Licht rücken, auch Anreizsysteme, die kooperative und nicht (allein) individuelle Leistungen belohnen. Regeln zielen auf die Verpflichtung ab, die Voraussetzungen für Kooperationen wie Fairness und Respekt zu stützen und diejenigen, die sie verletzen, zu bestrafen – immer vorausgesetzt, Kooperation ist im Team oder in der Organisation als dominante Handlungsstrategie gewünscht.

Am Ende gilt: Kooperation  und  Führung sind nicht gegensätzlich zu denken. Führung bietet den Raum für Kooperationen und ein kooperativer Geist fördert eine gelingende Führungsbeziehung.

Petersen, M. / Keller; M. / Hariskos, W. (2019): Business education: Does a focus on prosocial values increase students’ pro-social behavior?, in Mind & Society, 2019, 18(2), S. 181-190

Peysakhovich, A.; Rand, D.G. (2015): Habits of virtue: Creating norms of cooperation and defection in the laboratory. In: Management Science, 62(3), S. 631-647

Tomasello, M. (2010): Warum wir kooperieren, Berlin

Tomasello, M. (2019): Becoming Human : A Theory of Ontogeny, Boston

Weibler, J. (2016): Personalführung, 3. A., München